Kurzcheck: Darum geht es in Das Unbewusste
Folgt mir ins Jahr 1902 nach Wien zu den Ansätzen der Traumdeutung und der Mittwochsrunde. Ihr repräsentiert die Mitstreiter und Kollegen von Freud in den Ansätzen der Psychoanalyse. Euer Ziel: die größte Reputation im Schatten des großen Sigmund Freuds zu erreichen. Das gelingt euch, indem ihr Patienten in Sitzungen von ihren Traumata und erfolgreich durch die Deutung ihrer latenten und manifesten Träume therapiert. Oder indem ihr über Einfluss in den verschiedenen Bezirken von Wien Siegpunkte einheimst. Auch die Veröffentlichung verschiedener Schriften über die Psychoanalyse oder End-of-Game Wertungen helfen euch natürlich, der beste Anhänger Freuds zu werden. Der Grundmechanismus des Expertenspiels ist ein klassisches Workerplacement und eine Engine, die damit verbunden mächtige Kettenzüge auslöst. Begeben wir uns nun in die Analyse des Spiels, was an einigen Stellen ähnlich knifflig ist wie die Traumdeutung.
Couchgeflüster
Willkommen auf meiner Couch! Ernst Mach liegt als Patient zu meiner Seite. Zu Beginn meiner Karriere als Seelenklempner darf ich ausschließlich einen Patienten therapieren. Habe ich den Nachweis einer erfolgreichen Therapie erbracht, schalte ich einen zweiten Slot frei und kann dann zwischen Routine-Klienten oder Fallstudien-Klienten wählen. Die einen geben mir neue Fähigkeiten, die anderen schalten End-of-Game-Wertungen frei. Ernst Mach bekommt ein Trauma verpasst. Trauma und Grundwert des Patienten werden in Form von Herzen angezeigt, und diese Herzen muss ich verdienen, damit ich Ernie heilen kann. Ich schaue mir also die Psyche von Herrn Mach an. Dort liegen zwei Träume: ein dunkler, latenter Traum und ein heller, manifester Traum. Jetzt wird es mit unfassbarer Geschwindigkeit spannend. Auf gehts!
Wir sammeln Erkenntnisse
Um meinen Patienten zu heilen, sammle ich die notwendigen Erkenntnisse. Was sind es für Träume, die Ernst Mach beschäftigen? Liegt er in seinem Wachstum verborgen? Oder ist es eher der Bereich der Unabhängigkeit, der ihn beschäftigt? Brauche ich geringe Erkenntnisse oder gehobene? Oder benötigt die Deutung des Traums umfassende Erkenntnisse im Bereich Leidenschaft? Egal wie schick meine Ausführungen zu den Erkenntnissen auch erscheinen mögen: Letztendlich sind es Ressourcen, die verschiedene Wertigkeiten haben. Und diese Ressourcen muss ich abgeben, um den Traum zu deuten.
Spielbretter
Das Ressourcenmanagement ist Teil eures Playerboards. Dort betreibt ihr solides Enginebuilding, indem ihr über Ausbauten euer Tableau weiterentwickelt, Slots füllt und Boni freischaltet. Auf einem anderen Spielbrett betreibt ihr Workerplacement in Reinkultur. Für alle Aktionen im Spiel setzt ihr eure Worker ein, bringt eure Gedanken ein und löst Aktionen aus. Mehr noch: Die Position eurer Gedanken löst auch gleichzeitig immer eine Bewegung eures Tintenfasses auf dem Playerboard aus. Diese Bewegung variiert je nach Aktion und kann natürlich auch manipuliert werden.
Zusammenspiel
Das Zusammenspiel von Gedanken einbringen und Tintenfass bewegen ist verantwortlich für die mächtigen Kettenzüge in diesem Spiel – und die haben es in sich! Je nachdem wie ihr eure Engine erstellt habt, kann – vor allem zum Spielende – ein solcher Kettenzug auch mal 5-8 Minuten dauern. Auch das Heilen von Patienten schaltet Belohnungen frei und kann mitunter seine Zeit in Anspruch nehmen – vor allem wenn man zwei Patienten gleichzeitig heilt und dann die Couch neu besetzen muss.
Vienna Calling
Die Mittwochsrunde und die konspirativen Gespräche der Kollegen werden auf einem weiteren Spielbrett ausgeführt. Auch Wien bietet hier eine Fülle an Möglichkeiten und mächtigen Synergien. Wollt ihr in Wien etwas erreichen, braucht ihr Ortssymbole. Ach was, ihr braucht so viel mehr! Ihr müsst an der richtigen Stelle stehen und ihr müsst Erkenntnisse in eurer Farbe haben! Dann kracht Wien richtig! Um eure Figur oder Freud in Wien zu bewegen, müsst ihr natürlich die entsprechende Aktion über die Gedanken auslösen. Und noch was! Seid ihr in jedem der drei Wiener Bezirke mit einem Stein in eurer Farbe vertreten, hagelt es am Spielende fette Siegpunkte!
Das Steine-Dilemma
Natürlich bekommt man nicht nur fette Siegpunkte für die Bezirke. Ihr bekommt Siegpunkte für erfolgreich therapierte Patienten und die damit verbundenen End-of-Game-Wertung. Oder für eure Reputation am Spielende. Oder ihr veröffentlicht wichtige Werkreihen im Fachgebiet der Psychoanalyse. Und genau das möchte ich tun. Ich publiziere, denn ich schreibe ja gerne! Dafür benötige ich Forschungsartikel; die bekomme ich über eine Aktion. Kann ich jetzt veröffentlichen? Nein, erst muss ich die Forschungsartikel ausspielen. Das kostet mich wieder eine Aktion! Erst wenn ich alle passenden Forschungsartikel vor mir liegen habe, kann ich diese zu einer Werkreihe veröffentlichen. Fuck! Dafür brauche ich einen Stein in meiner Farbe! Den habe ich aber in Wien verballert! Also muss ich versuchen, einen neuen Stein auf meinem Playerboard freizuschalten.
Stopp!
Ich habe versucht, einen Abriß für die Verzahnung von Das Unbewusste zu geben. Habe ich alles, was das Spiel bereithält, thematisiert? Bei Weitem nicht – aber 80%. Das Unbewusste ist ein Spiel über Timing, Aktionen und eine Engine, die mächtig aufgebaut noch mächtigere Züge generieren kann. Blickt man hinter dieses vordergründig tiefe Mechanikkonstrukt, entpuppt sich Das Unbewusste aber nicht als gehobenes Expertenspiel: Sackgassen gibt es kaum. Ich kann mich entscheiden, einfach Patienten zu therapieren und Wien außen vorzulassen! Auch ist Interaktion in diesem Spiel kaum gegeben. Ich baue meine Engine eher solitär auf und meine Bewegungen in Wien oder das Zitieren aus den Werkreihen der anderen Mitspieler haben eher beiläufigen Charakter.
Kritikpunkte
Thematisch macht Das Unbewusste unfassbar viel Spaß: Trauma, Katharsis, Wien, Kaffee, Träume, historische Figuren, Gedanken einbringen, Erkenntnisse – alles ist liebevoll gestaltet und so stimmig! Allerdings sind die Erkenntnisse auch nur beliebige Ressourcen wie Wasser, Stahl und Erz. Und auch die Patienten und ihre Träume sind völlig beliebig. Sie packen das Spiel in einen netten Rahmen – mehr aber auch nicht! Die Spielbretter sind separiert. Warum weiß ich nicht, der Sinn erschließt sich mir nicht. Hier wäre ein großes Brett mit passenden Ablageorten für alle Spielelemente stimmiger und zielführender gewesen: So ist der Aufbau ohne Anleitung kaum möglich.
Aprospos Anleitung. Ein schwieriges Thema: Bei wenig anderen Spielen habe ich die Anleitung ähnlich oft hin- und hergewälzt. Dabei ist die Anleitung per se nicht schlecht. Der Einstieg über die Anleitung ins Spiel funktioniert, aber trotzdem blättere ich immer hin und her, um irgendein Detail zu suchen! Ein Beispiel: Ich therapiere einen Patienten und bekomme einen Bonus. Das Symbol finde ich auf der sehr übersichtlichen Symbolübersicht: „Löse den Ortseffekt aus und wähle dabei Option B.“ Puhh… was war Option B? Anleitung blättern und suchen, obwohl das Spiel nur drei Möglichkeiten hat: Gedanken einbringen, Gedanken einsammeln, Patienten heilen.
Downtime
Das Unbewusste hat mir am meisten Spaß mit zwei Personen gemacht. Hier war jede Partie fluffig und nach 60-80 Minuten erledigt. Auch die Kettenzüge der Mitspielenden fallen nicht so ins Gewicht, im Gegenteil: Man schaut und denkt sich rein und überlegt währenddessen, was der eigene Plan ist! Bei drei Personen reduziert sich dieses Gefühl. Jetzt schaue ich überwiegend meine eigene Spielsituation an, analysiere den Status quo kurz vor meinem Zug und reagiere… Hier entstehen harte Situationen, die man aushalten muss: Marco macht einen Powerzug: 8 Minuten… Uwe schließt sich an: 5 Minuten… Ich bin an der Reihe und spiele Forschungsartikel aus: 30 Sekunden… Braucht man das? Wir sind uns einig: Nein, mit vier Spielern wird Das Unbewusste unspielbar bzw. ungenießbar!
Fazit
Das Unbewusste hat in unserer Spielerunde für viel Diskussion gesorgt. Thematisch und vom Material wunderschön und stimmig. Die Mechaniken sind schlüssig und sauber. Das Timing und die Kettenzüge sind entscheidende Faktoren und herausfordernd. Aber trotzdem sind die Erkenntnisse eben doch nur Ressourcen, die Patienten, deren Träume und Traumata belanglos oder einfach nur Spielziele. Nach sechs Partien Das Unbewusste sind sich alle einig: Das Spiel verschwindet im Schrank und wird vielleicht mal irgendwann wieder gespielt. Hauptgrund ist die wenige Interaktion und die ausufernde Downtime. Die Auswirkungen meines Zuges sind bei diesem Spiel einfach zu gering. Ein Nukleum, ein On Mars und ein Wasserkraft bekommen sowohl Enginebuilding, thematische Verzahnung als auch die Aktionen viel besser hin und fordern die Analyse des Spiels auf diesem Expertenniveau einfach besser. Ich persönlich spiele Das Unbewusste sehr gerne mit, war aber gleichzeitig auch ein wenig enttäuscht. Ich hätte mir mehr erhofft.
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