Lesezeit: 5 Minuten
Kleine Völker, großer Garten habe ich für die Familie gekauft. Es muss ja nicht immer ein Experten- oder Kennerspiel sein, dachte ich. Angesteckt vom Niedlichkeitsfaktor von Die Tiere im Ahorntal und dem damit verbundenen leichten Spiel habe ich zugeschlagen. Verkaufsargumente für Kleine Völker, großer Garten: ein modulares Spielbrett, Bausteine, die man aufeinanderstapelt und kompakte Regeln. Passt. Also haben wir hier das perfekte Familienspiel? Eher nein. Also ein Fehlkauf? Absolut nicht. Ab in den Garten, die Aufklärung wartet.

Kurzcheck: Darum geht es in Kleine Völker, großer Garten

Die kleinen Völker, die aus dem Wald vertrieben wurden, finden Zuflucht in einem verlassenen Garten. Oh, wie putzig. Was sich so friedlich ließt, ist Fassade. Denn die interktive Aufgabe im Spiel ist klar. Öffentliche oder geheime Aufträge vor den anderen erfüllen, um Siegpunkte zu erhalten. Zudem mit den errichteten Gebäuden Gebiete kontrollieren. Und wenn ihr dabei reich an Bevölkerung seid oder günstige Zeitpunkte erkennt, könnt ihr zudem noch gegnerische Gebäude übernehmen. Herzlichen Glückwunsch. So viel zu den armen, kleinen Völkern. Dafür hat das Spiel ein paar ganz besondere taktische Kniffe parat. Zum Erfüllen der Aufträge müsst ihr verschiedene Gebäude mit unterschiedlicher Anzahl an Stockwerken auf drei unterschiedlichen Geländearten bauen. Das ist auf der ausliegenden Karte abgedruckt und supersimpel. Auch die Gebietskontrolle ist simpel. Wer mehr hat, gewinnt.

Die kleinen Gärten als Abbildung des großen Gartens. Ziemlich eng und haarig im 4 Personenspiel.

Wo wird gebaut?

Der Spielplan und der Spielmechanismus sind der Clou des Spiels. Der Garten besteht aus sieben kleinen Teilgärten. Auf diesen kleinen Teilgärten sind wieder sieben Felder in der gleichen Anordnung abgebildet. Dort, wo gebaut wird, findet auch die nächste Aktion statt. Lissy baut in der Mitte auf dem mittleren Teilgarten. Es gibt einen Schildkrötenbaukran, der anzeigt, wo als Nächstes gebaut wird. Also bleibt die nächste Aktion in der Mitte. Gut für sie, denn so kann sie noch mal in der Mitte bauen, denn sie hat zwei Aktionen in ihrem Zug. Ich bin als Nächstes dran. Verdammt, ich will aber nicht in der Mitte bauen. Ich will in das linke obere Segment. Also muss ich im Mittleren Teilgarten des Spielplans oben links bauen. Der Baukran wechselt jetzt in den oberen linken Teil des Gartens und ich kann jetzt an meiner gewünschten Stelle ein Stockwerk platzieren. Immer wenn ich ein Stockwerk platziere, kann ich ein Dach auf das gerade platzierte Stockwerk legen. So werden dann die öffentlichen Aufträge gewertet. Ein Gebäude mit Dach kann nicht für einen anderen öffentlichen Auftrag gewertet werden.

Die Schildkröte markiert den Garten, indem als Nächstes gebaut wird.

Interaktion deluxe

Was recht einfach und logisch ist, führt im Spiel zu sehr komplexen Überlegungen. Wo will ich hin? Wo möchte ich ein Gebäude bauen, um welchen Auftrag zu erfüllen? Welche Schritte muss ich unternehmen, damit Kati mir den Auftrag nicht wegschnappt? Dazu gesellt sich die hohe Interaktionskomponente. Wenn ich dort baue, springt der Baukran in dieses Feld. Verdammt, dann kann aber Lissy nach mir dort einen Auftrag erfüllen.

Oben die Aufträge.

Bis auf die geheimen Aufträge ist alles transparent. Ich weiß, wo die nächste Aktion ausgeführt wird. Ich sehe zudem die Bauwerke, die dort stehen. Sie leuchten in knallbunten Farben der Spieler. Was die Interaktion zusätzlich in die Höhe treibt, ist die Spielerreihenfolge. Der Startspieler hat eine Aktion. Aber: der Startspieler bestimmt den nächsten Spieler. Da kann man gut tricksen. Ich beende meinen Zug auf einem Feld, auf dem Kati gerne bauen und werten möchte. Darf sie aber nicht. Ich gebe Lissy halt den Vorzug. Der letzte Spieler wird in der nächsten Runde Startspieler. Der hat so dann mächtige drei Züge in Folge. Schwierige Überlegungen. Sind alle Stockwerke gebaut, endet das Spiel in dieser Runde.

Spielreihenfolge für 2 und vier Spieler.

Bezahlung

Ein weiterer taktischer Spielspaß-Stein ist die Bezahlung. Die Felder haben unterschiedliche Werte von 2 – 5 und entsprechend muss ich Bevölkerung bezahlen. Erstes Gebäude auf einem 4er Feld gleich 4 Bevölkerung. 3tes Stockwerk auf einem 4er Feld gleich 4 Bevölkerung plus 2 Bevölkerung für die vorhandenen Stockwerke. Da wir mit 35 Bevölkerung starten und nur am Rundende für kontrollierte Kleingärten (sorry der Witz musste sein) wenige Bevölkerung dazu bekommen, ist wieder mal das Geld die Bevölkerung knapp. Ich kann aber Gebäude abreißen, was mir doppelte Bevölkerung einbringt. Auch ein taktischer Kniff. Das Spiel lebt von kleinen Entscheidungen und unterschiedlichen Wegen. Dazu hat jeder Spieler vier Mal die Möglichkeit, eine List anzuwenden. Damit kann ich Gebiete verändern oder Dächer verschieben. Oder aber gegnerische Gebäude übernehmen. Das ist aber ultrateuer. Allerdings fies und gut.

Playerboard mit der Anzeige für Bevölkerung und der Tabelle für die Berechnung beim Abriss eines Gebäudes. Dazu die Aktionen für die List.

Fazit

Fluffiges, seichtes Familienspiel? Fehlanzeige. Sehr forderndes taktisches Strategiespiel mit einer innovativen Mechanik, hoher Interaktion und Lernkurve? Check. Kleine Völker, großer Garten begeistert alle in der Familie. Deutlich komplexer und strategischer als Cascadia, spielt es sich trotzdem zügig mit einer Spielzeit von 45-60 min. Dabei skaliert das Spiel perfekt für zwei, drei oder vier Spieler. Trotz des taktischen Anspruchs ist die Downtime gering, da die Aktionen begrenzt und der Fokus klar auf dem Bauen liegt. Man überlegt also nur, wo möchte ich bauen, was kann ich bauen und was ermögliche ich dadurch meinen Gegner:innen? Dazu die sehr gute Regel, wer als Nächster am Zug ist. Das habe ich so selten erlebt. Variation ist zudem über die Anordnung der Gebiete gegeben, das war aber auch schon alles. Die Aufträge sind ähnlich gehalten und gut balanciert, die Völker sind identisch und haben leider keine asymmetrischen Eigenschaften. Das Material ist toll, was bei einem stolzen Preis von 55€ auf zu erwarten ist. Ich mag dieses strategische Spiel total.

Kleine Völker, großer Garten
Spielinformationen
Genre: Strategiespiel | Spieler: 2 - 4 | Alter: ab 10 Jahren | Dauer: 60 - 75 Minuten | Autor/in: Rémi und Nathalie Saunier | Illustration: Maxime Morin
AUSSTATTUNG
8
SPIELIDEE
7.5
SPIELSPASS
7.5
Positive Aspekte
Schickes Spielmaterial
Hohe Interaktion
Clevere Spielreihenfolge
Guter Baumechanismus
Fordernd
Viele strategische Kniffe
Negative Aspekte
Das Spiel sieht wie ein Familienspiel aus, ist es aber nicht.
Sehr taktisch und strategisch
Stolzer Preis
7
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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