Lesezeit: 6 Minuten
Alice im Wunderland und Wonderland’s War haben bei mir verschiedene Geschichten. Von Wonderland’s War wurde mir erstmals von Stefan auf den King Racoon Days 2022 berichtet, schon damals konnte ich nicht so viel mit dem Titel anfangen. Warum nicht? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich weder Alice im Wunderland gelesen noch gesehen habe. Tim Burtons Adaption war mir im Trailer immer viel zu abgefahren. Burton ist halt einfach nicht mein Regisseur. Als Uwe nun doch mit dem Titel um die Ecke kam, war ich natürlich offen und neugierig. So offen und neugierig, dass ich mir den Film tatsächlich angeschaut habe. Und er war überraschend gut. Zudem geht Area Control als Genre immer und das Material sah sehr schick aus. Da Uwe das Spiel auf Ebay Kleinanzeigen günstig geschossen und der Vorbesitzer mithilfe der nützlichen Files auf BGG das englische Basisspiel eingedeutscht hat, war der Einstieg auch simple. Daher sind die Bilder teilweise sprachgemixt. Also, follow the white rabbit und ab durch die kleine Tür ins Wunderland.

Kurzcheck: Darum geht es in Wonderland’s War

Wonderland’s War ist eine Mischung aus Blood Rage, Orléans und Die Quacksalber von Quedlinburg als Area Control mit Open Draft und Push your Luck. Eines der zentralen Spielelemente im rundenbasierten Kampf ums Wunderlands, ist die Teeparty des verrückten Hutmachers. Die abgedrehten Spielfiguren laufen um den Tisch und sammeln pro Runde vier Karten, indem sie ihre Figur platzieren. Die Karten bestimmen die Aktion. Ihr möchtet Unterstützer an den Orten im Wunderland einsetzten, damit später ordentlich gekämpft werden kann? Oder wollt ihr lieber euer asymmetrisches Tableau entwickeln? Ihr habt Lust auf zusätzliche Wonderlander wie in Blood Rage? Oder wollt ihr lieber den Beutel mit allerlei Verbündeten Ally-Chips füllen? Die Karten geben euch vielfältige Möglichkeiten und sind geil ausbalanciert, denn mächtige Karten müssen teuer mit schwarzen Wahnsinns-Splittern bezahlt werden. Zudem wird euch bestimmt eure gewählte Karte kurz vorher von einem Mitspieler weggeschnappt.

Unsere Chips in Coin-Caps… ein sehr gutes, haptisches Gefühl.

Build your Bag

Ich bin kein Freund von Bagbuilding Games. Oder doch? Ich weiß es nicht so genau. Orléans kam in letzter Zeit wieder auf den Tisch und war unglaublich gut. Und jetzt Wonderland’s War. Aber funktioniert Bag Building und Area Control? Und wie. Es funktioniert hammergeil. Ehrlich, es macht so unfassbar viel Spaß, den eigenen Beutel zu füllen. Dabei warten so gute taktische Entscheidungen auf euch. Wie baut ihr euren Beutel zusammen? Ich habe es das letzte Mal mit den Schmiede-Chips versucht. Mit diesen Chips könnt ihr eueren asymmetrischen Charakter entwickeln. Wie? Ach, ich springe mal verrückt und unlogisch.

Eigenschaften der Chips. Diese variieren im Spiel.

Das Kampfsystem

Nach der Teeparty wird an den fünf verschiedenen Orten gekämpft. Dabei haben die Anzahl eurer Gefolgsleute Auswirkungen, die eingesetzten Wonderlanders ebenso, natürlich auch euer Charakter und die platzierten Burgen. Das zu erklären sprengt den Rahmen, ist aber herrlich einfach gestaltet, denn euere Basiskampfstärke wird angezeigt und ist der Ausgangspunkt für den Kampf. Alle, die an einem Ort eine Spielfigur, egal welcher Art haben, kämpfen. Die Orte werden nacheinander abgehandelt und es wird gleichzeitig in den Beutel gegriffen, ein Chip gezogen und die Stärke des Chips auf der Kampfleiste vorgerückt. Zusätzlich wird der Effekt des Chips noch abgehandelt. Hier ist die Vielfalt so groß. Auch das sprengt den Rahmen. Zieht ihr einen Wahnsinnschip, stirbt eine Spielfigur. Logisch: ist keiner mehr an diesem Ort, seid ihr raus. Zeigt ihr eure leere Hand ohne gezogenen Chip, steigt ihr aus der aktuellen Kampfrunde aus. Das Chipssystem ist unfassbar clever und erzeugt einen richtig guten Spannungsbogen. Zudem ist die Downtime fast bei null, denn auch wenn ich am Kampf nicht beteiligt bin, fiebere ich mit.

An diesem Ort wird in drei Runden um Siegpunkte gekämpft.

Wohin mit den Chips?

Wonderland’s War macht neben der hohen Varianz und den geilen asymmetrischen Möglichkeiten eine Sache richtig gut: Die eingesetzten Chips im Kampf. Ich kann zum Beispiel mit den Schmiede-Chips meinen Charakter entwickeln. Dazu muss ich allerdings einen Chip, der im Kampf aktiv war, auf meinem Tableau platzieren. Sehr geil. So können Einer-Chips aus dem Beutel verschwinden und dieser ausgedünnt werden. Die eingesetzten Chips wandern nach dem Kampf aber nicht automatisch in den Beutel zurück. Sie werden erst nach unten geschoben. Erst wenn ich durch den vierten Wahnsinnchip mental am Ende bin oder die ganze Runde endet, kommen alle Chips in den Beutel. Was sich vielleicht für den Leser etwas seltsam liest, ist ein absoluter Geniestreich der Spieleentwickler. Die Steuerung des Beutels, die taktischen Möglichkeiten mit den Chips und das fein ausbalancierte Kampfsystem.

Das Tableau der Grinsekatze.

Zurück zum Bag

Hatte ich mit meinen Schmiede-Chips Erfolg? Mitnichten. Uwe hatte zu viele Orte gewonnen und darüber Siegpunkte generiert. In jeder Runde schütten die Orte nämlich für den Sieger Punkte aus und einen wichtigen Bonus. Ich darf eine Burg platzieren und die gibt am Spielende noch mal einen Bonus. Einen Mächtigen, den ich in meiner Schmiede-Chip Strategie nicht beachtet habe. Ich habe versucht, über Quests meine Punkte zu machen. Ja, auch das ist ein geiles Element, denn die Quests steuern die Kämpfe. Beispiel? „Beende einen Kampf an Ort X mit einer Kampfstärke von 3, 5 oder 9.“ Aussteigen, wenn ich führe und den anderen den Vortritt lassen? Oder doch lieber auf Sieg und die Burg spielen?

Quests

Broken?

Grafisch liebe ich dieses bunte Spiel. Das Artwork ist ähnlich poppig wie die Tim Burton Verfilmung. Die Anleitung lässt keine Fragen offen, ist stark bebildert und ein echtes Leckerli. Warum können das nicht alle so machen? Das Thema wird brutal konsequent durchgezogen. Das wurde mir erst bewusst, nachdem ich das Spiel ein paarmal spielte und dann die verschiedenen Filme gesehen und recherchiert hatte. Ein echter Hochgenuss. Auch die Phasen im Spiel sind so trennscharf und liebevoll, sinnvoll und detailliert, taktisch und durchdacht. Durch die Asymmetrie bietet das Spiel zudem so unfassbar viele Facetten und ist dabei trotzdem ausbalanciert. Na ja, fast. Alice ist mit ihrer Schildfähigkeit etwas mächtig. Ist ein Schild aktiv, darf man gezogene Wahnsinnschips wieder in den Beutel werfen. Und dieser Schild ist bei allen anderen Figuren schwer zu aktivieren, bei Alice eher einfach. Damit ist Alice aber kein Selbstläufer, sie ist nur mit dieser Fähigkeit etwas mächtiger. Ich mag den Begriff „Broken“ einfach nicht.

Downtime Adieu

Fluffig und schnell spielt sich Wonderland’s War. Egal ob mit drei, vier oder fünf Spielern. Logisch, alles passiert ja nahezu simultan. Bei der Teeparty zu Beginn einer jeden Runde geht es schnell zu, Figur am Tisch bewegen, Karten nehmen und Fähigkeit abhandeln. Lediglich die Auswahl der Wonderlanders dauert, weil man ihre einzigartigen Fähigkeiten erst lesen und verstehen muss. In den letzten Runden dauern die Kämpfe etwas länger, weil das Bag und die Möglichkeiten prall gefüllt, die Orte voll besetzt sind. Aber es soll ja richtig rappeln, es geht schließlich um den Kampf im Wunderland. Das Spiel fesselt zudem auch die Spieler, die nicht im Kampf beteiligt sind. Diese können auf den Sieger wetten und erhalten gegebenenfalls eine Belohnung oder einen Wahnsinnssplitter. Ach ja, diese regulieren die Anzahl der Wahnsinnschips in eurem Beutel und die negativen Siegpunkte am Spielende. Ein weiterer genialer Kniff. Wonderland’s War zu zweit? Keine Ahnung, habe ich mir tatsächlich nicht angetan, weil Area Control und das Spiel aus meiner Logik gar keinen Sinn macht. Dafür funktioniert es einfach viel zu lustig und stark mit vier bis fünf Spielern.

Die verrückte Teeparty

Fazit

Area Control anders und absolut stark. Ich mag dieses sehr thematische Spiel mit all seinen taktischen Möglichkeiten, der Varianz und Asymmetrie. Dazu kommt ein sehr innovatives ausgewogenes Kampfsystem und eine geschickte Steuerung der Chips. Wonderland’s War bietet viele Optionen. Dabei ist es ein absolutes Kennerspiel und hart an der Grenze zum Expertenspiel, spielt sich aber durch die einfachen Mechanismen erstaunlich fluffig. Leicht zu spielen, hart zu meistern lautet hier die Devise. Downtime ist kaum vorhanden, das Spiel ist in 90 Minuten für geübte 5 Personen gespielt und der Spaß am Tisch opulent. Wer allerdings in Wonderland’s War als Sieger vom Platz gehen möchte, der muss sich mit der Zusammenstellung seines Bags beschäftigen, die Asymmetrie seiner Spielfigur einsetzten und die richtigen Entscheidungen treffen. Und trotzdem kann der Wahnsinn aus dem Beutel einen treffen und mit diesem Zufall muss man umgehen können. Zudem verzeiht Wonderland’s War Fehler nicht so richtig obwohl in der letzten Runde einiges passieren kann. Dazu ein fettes, konsequentes Thema mit einer knallbunten und liebevollen Grafik. Bei uns kommt Wonderland’s War definitiv oft auf den Tisch.

 

 

Wonderland's War

89.90€
8.5

MATERIAL

8.2/10

SPIELIDEE

8.6/10

SPIELSPASS

8.7/10

Kurzfakten

  • Starkes Bag-Building
  • Hohe Asymmetrie
  • Bunte, thematische Optik
  • Sehr fluffig
  • Klasse Kampfsystem
  • Vielfältige taktische Möglichkeiten

Spielinformationen

  • Genre: Area Control
  • Personen: 2-5
  • Alter: ab 13 Jahren
  • Dauer: 90 - 120 Minuten
  • Autor:in: Tim Eisner, Ben Eisner, Ian Moss
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • MATERIAL

    7.5

    SPIELIDEE

    8.5

    SPIELSPASS

    9

    Ich konnte es jetzt mit Markus und seinen Freunden spielen und es war genial. Was für eine geile Mischung aus Blood Rage und Quacksalber. Nahezu immer spannend, kaum Downtime, sehr fluffig zu spielen und dabei wunderbar erfrischend.

    Antworten
  • erst great Wall und jetzt stoße ich auf wonderlands war und denke auch hier wieder direkt, will ich unbedingt spielen 🙂

    finde das nur nicht auf deutsch. Habt ihr euch die Karten und Tableaus irgendwie übersetzt?

    Antworten

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