Lesezeit: 6 Minuten

„The whole theory of warfare is calculated risk.“ Das ich einen Artikel mit zwei Zitaten beginne, ist ungewöhnlich. So ungewöhnlich wie das Buch, der Film, das Spiel, der Mythos Dune. Selten hat mich ein Spiel so umgetrieben, selten war es so ambivalent. Ich habe mit vielen Spielern gesprochen und diskutiert. Selbst den Film von 1984 habe ich mir angeschaut. Ich mag Dune. Meine Frau nicht. Ich mag den Sandwurm. Wobei ich eigentlich noch mehr Im Land der Raketenwürmer mag. Egal, zurück zum Sandwurm. Ich mag die Vorstellung, dass dieses mächtige mystische Wesen von jemand „Gutem“ das Schicksal eines Planeten verändert. Krieg, Diplomatie, Ressourcen, Asymmetrie. Ich weiß gar nicht wo ich beim Dune anfangen soll. Ich probiere es mal.

Worum geht es eigentlich im Dune?

Achtung Verwechselungsgefahr. Ich spreche vom Expertenspiel Dune – Der Wüstenplanet, für 2-6 Spieler, einer Neuauflage des Klassikers von 1979. Nicht von Dune: Imperium. Das Spiel von 1979 sieht heute extrem schick aus. Das Material zaubert die düstere, lebensfeindliche Atmosphäre von Dune, dem Wüstenplaneten oder Arrakis, hervorragend aufs Brett. Ich bin sofort drin, was zudem durch die verschiedenen Fraktionen verstärkt wird. In Dune wird höchst asymmetrisch gespielt, denn die von Frank Herbert gesponnene Fiktion ist komplex und durch bemerkenswert viele Gruppen geprägt. Spielen oder lesen sich andere Geschichten durch „gut gegen böse“ einfacher, besticht Dune durch seine Komplexität und Interessenlagen. Das Ziel des Spiels ist eigentlich ganz einfach. Spice kontrollieren. Drei Hochburgen besetzen. Vier, wenn man eine Allianz gründet oder als Bene Gesserit vorhersagen, wer gewinnt. Vielleicht den Planeten Dune als Fremen zu verändern? Oder als Raumgilde die Übernahme von Dune durch die Fraktionen zu verhindern. Ahhhhh!

Runde 5, der Sturm tobt über Habbnya Sietch, die Einheiten sind verstreut..

Mittendrin

Und schwupp sind wir mittendrin. Die verschiedenen Protagonisten werden hervorragend und ausführlich beschrieben. Wir haben das Haus Atreides, die rechtmäßigen Herrscher über Dune, dazu die kriegerischen Harkonnen mit ihrem durchgeknallten Anführer, die außerirdische Raumgilde, die sehenden Bene Gesserit, die Fremen als Ureinwohner von Dune und den Imperator. Ich möchte jede dieser Fraktionen mit ihren Stärken und Schwächen spielen, weil ich ihre unterschiedlichen Strategien und Siegbedingungen erproben möchte. Das ist einfach gut gemacht. Ich bekomme eine ausführliche Beschreibung meiner Spieltaktik und Strategie und bin damit fast schon in einem Rollenspielelement.

Asymetrie

Trotz der hohen Asymmetrie und der unterschiedlichen Fraktionen geht es leider sehr häufig um Kampf und dessen Verhinderung. Dazu steht mir im Spiel neben diversen Einheiten fünf mächtige Anführer zur Verfügung. Zusätzlich biete ich zu Beginn einer jeden Runde auf Karten, die verdeckt sind und mit Spice bezahlt werden. Das Spice muss fließen und wer kein Spice hat, ist arm dran. Ich hatte in einer Partie keins und meine Frau desgleichen im Überfluss. Das Ende war schnell, hart und gnadenlos. Leider taucht auf Dune das Spice wahllos in Gebieten auf und ich muss es ernten, um überhaupt Aktionen zu haben. Noch mal kurz zurück zum Kampf. Wenn ich gegen eine andere Fraktion kämpfe, platziere ich auf einer wertigen Scheibe einen von fünf Anführer, dann setzte ich Angriffs- und Verteidigungskarten ein, stelle die Anzahl der eingesetzten Einheiten auf dem Rad, ähnlich wie bei Scythe, ein und überprüfe das Ergebnis. Die höchste Summe gewinnt. Es sei denn jemand ruft „Verräter“.

Offensive und defensive Kampfkarten, dazu Anzahl der Streitkräfte plus Anführer und ab geht’s.

Diplomatie

Das ist jetzt alles schwer vereinfacht, denn neben dem Kampfsystem verplane ich meine Einheiten, überlege, welche Allianzen ich mit wem schmiede, verwalte meine spärlich vorhandenen Ressourcen und versuche zu täuschen und meine Vorteile einzusetzen, um Kämpfe oder Spice zu gewinnen. Hierbei können die eingegangenen Allianzen natürlich zerplatzten und sich als Zweckgemeinschaften herausstellen. Herrlich. Alles sehr nah und eng an der Romanvorlage und alles atmosphärisch sehr dicht. Die zufällige Möglichkeit einen Verräter in den gegnerischen Reihen zu haben, macht das ganze sehr spannend, aber auch bitter. Denn ist ein Verräter eingesetzt, wird der Kampf sofort und gnadenlos verloren. Damit ist in meiner Runde ein Spiel gekippt und Marco, als Imperator, ein schwacher Partner in meiner Allianz geworden. Während ich noch plane, zieht ein Sturm über das Spielfeld, der alle Einheiten und das Spice verwirbelt. Und wo taucht der Sandwurm auf? Verschlingt er meine Einheiten und die geplante Spice Ernte? Macht er meinen Plan zunichte und muss ich eine andere Taktik wählen oder spielt er mir in die Karten? Hört sich nach einem geilen Spiel an, oder?

Heimtücke – Offensiv, defensiv, jederzeit oder Bluff?

Veraltete Mechaniken…

Jein, mit einer klaren Tendenz zu Nein. Man merkt dem Spiel an, dass es nur eine Neuauflage ohne Überarbeitung ist. Die Regeln sind sperrig und lückenhaft, dadurch gibt es echt einige Dinge, die unklar sind. Die Spielmechaniken sind im Kern gut, allerdings beliebig. Beispiel? Ich finde den Mechanismus der Auktion, ähnlich wie Christian, schwierig. Das Spice ist kostbar und mit dieser knappen Ressource muss ich bieten. Je nachdem in welcher Reihenfolge ich sitze, habe ich keine realistische Chance auf eine Karte und kann den Preis dafür nur in die Höhe treiben. Zudem kann sich nur das Haus Atreides die Karten anschauen. Die anderen bieten blind. Das mag ich nicht. Ich kaufe ja quasi die Katze im Sack. So was geht deutlich besser. Dazu kommt, dass bei einem Kampf die siegreiche Fraktion ihre eingesetzten Karten behält. Das ist übel, denn ein starkes Deck bleibt so immer ein Starkes. Hier kann man nachbessern, zum Beispiel über einen sauberen Draftmechanismus, wie in Terraforming Mars oder Die Insel der Katzen. Da sage ich oft: „Ich hätte gerne alles“, muss mich aber entscheiden. Zudem hat das Spielbrett keine Überarbeitung erfahren, daher gibt es einige Gebiete, die taktisch tatsächlich keine große Rolle spielen. Auch erscheint das Spice als wichtige Ressource völlig beliebig, was meine Taktik gehörig zerstören kann. Diese Liste kann ich noch länger ausführen. Leider.

Die Karten und ihre Beispiele, Rundenablauf und wehe der Wurm kommt

…und Gruppenprobleme

Richtig gut wird das Spiel allerdings bei 5-6 Spielern, weil da das ganze angelegte Potenzial der Fraktionen ausgeschöpft wird. Dann wird es geil, es werden Allianzen gebildet und offen über das Spielbrett Aktionen und Scharmützel besprochen. Das passiert vorher leider nicht. Das Spiel kann erst seine ganzen Stärken ausspielen, wenn alle Fraktionen mit ihren Besonderheiten auch am Start sind. Das war bei meinen Runden leider zu selten der Fall, denn man muss die Fraktionen kennen und verstehen, sie so spielen, wie sie angelegt sind. Dafür braucht man für dieses Spiel Spieler, die das können und mögen. Selbst wenn man diese hat, sind die Mechaniken immer noch die Gleichen. Und die Probleme bleiben. Im Spiel mit fünf Spielern bilden häufig zwei Spieler eine Allianz, und der fünfte guckt in die Röhre. Trotzdem, bei fünf bis sechs Spielern lebt Dune atmosphärisch. Wenn dann die Fraktionen so gespielt werden, wie sie angelegt sind, erwacht der Wüstenplanet zum Leben. Hammer, dann schaut man auch gerne über die veralteten Mechanismen hinweg.

Fazit

Das Spiel bietet viel Atmosphäre bei genauso vielen Schwächen. Oder Stärken? Mich hat das asymmetrischen Kennerspiel für 2-6 Personen bedingt gepackt, obwohl ich das Dune Setting mag. Workerplacement, Area Control, Ressourcenmanagement, Kampf, Diplomatie in Kombination mit sozialer Deduktion hört sich schön und gut an, geht aber in vielen Bereichen besser. Meine Frau mag es wenig, da das Kämpfen ein vorherrschendes Element ist. Seine Stärke entfaltet das Spiel dann, wenn alle Fraktionen am Start sind. Das sieht man daher auch sehr deutlich an der Einschätzung auf BGG bezüglich der Spielerzahl. Wenn ihr Dune mögt, ihr eine passende Gruppe dafür habt und eine Schwäche für Kampf und Diplomatie habt, dann kann Dune für euch passen. Für alle anderen eher nicht. Spielen wir kurz Bene Gesserit. Der Verlag reagiert und wird wohl Anpassungen vornehmen und das Spiel pimpen und für geringere Spieleranzahl modifizieren. Da ist viel Potential drin, ich bin sehr gespannt, ob sie es ausschöpfen.

Dune - Der Wüstenplanet

50€
7.9

AUSSTATTUNG

7.6/10

SPIELIDEE

8.0/10

SPIELSPASS

8.1/10

Kurzfakten

  • Thematisches Setting
  • Hohe Asymetrie
  • Hohe Interaktion
  • Tlw. veraltete Mechaniken
  • Tlw. unklare Regeln
  • Zündet ausschließlich bei 5-6 Spielern

Spielinformationen

  • Genre: Gebietskontrolle
  • Personen: 2-6
  • Alter: ab 14 Jahre
  • Dauer: 120+ Minuten
  • Autor: Bill Eberle
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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