Lesezeit: 5 Minuten
„Ich habe dir noch ein Spiel in den Karton gepackt, du kannst ja mal schauen, ob es Dir gefällt“, so Christian kurz vor Weihnachten. Der Karton, echt fettes Zeug . Dadurch wanderten Phraya, Hunch und Old London Bridge erstmal beim Auspacken ins Brettspielregal. Oder auf den Pile of Shame. Dort ist Old London Bridge auch etwas geblieben, bis ich mir das Regelheft vorgenommen habe. Also, Tee, Plätzchen und mein Lieblingssessel, dazu ein Regelheft. So sieht ein gemütlicher Abend aus. Was soll ich euch sagen? Kennt ihr das Gefühl, wenn euch ein Spiel auf den ersten Blick garnicht triggert? Dann lest ihr die Regeln und denkt: Das Spiel muss auf den Tisch! So war es bei Old London Bridge. Ein Workerplacement und Enginebuilder, mit super einfachen Regeln. Und doch schlummerte in der Anleitung schon etwas.

Kurzcheck: Darum geht es in Old London Bridge

Die Old London Bridge, war zu seiner Zeit die einzige Brücke zum Stadtkern von London und wurde 1136 durch ein Feuer zerstört. Erfahrene Brettspieler haben gerade den Plott des Spiels erfasst. Ihr schlüpft in die Rolle von Peter de Colechurch, der die Brücke neu aufbaute. Der Geistliche baute die Brücke aus Beton und ließ zudem Gebäude auf der Brücke errichten. So entstand zu dieser Zeit ein eigener Bezirk mit Einwohnern auf der Brücke. Eure eigene Brücke besteht aus 16 Brückenabschnitten, die gleichzeitig die Anzahl der Runden festlegen. In jeder Runde setzt ihr einen Worker ein und nehmt eins von sechs verschiedenen Gebäuden. Dieses platziert ihr sofort von links nach rechts und löst dann die zum Gebäude gehörende Spezialaktion aus. Hier gibt es ein paar Fallstricke und spielerische Kniffe, die das Spiel auf ein so geiles Niveau heben. Und es macht einfach so unfassbar viel Spaß zu spielen und immer andere Möglichkeiten auszuprobieren, immer mehr Geld zu scheffeln. Denn wer beim Brückenbau die meiste Kohle scheffelt, der gewinnt. Ein katholisches Spiel halt.

Die Auswahl der Gebäude

Ich bin am Zug. Vor mir liegt das Zahnrad. Ich decke den Rundenanzeiger auf und das Zahnrad wird zwei Stellen weitergedreht. Fuck. Das Gebäude, der Krämerladen den ich mir nehmen wollte, ist mit einem X markiert. Das X blockiert den Slot oder ich muss teures Geld dafür bezahlen. Will ich aber nicht. Das ist bitter. Der Krämerladen hätte ein grünes Wappen und eine passende Hausnummer. Grünes Wappen? Hausnummer? Wer jetzt nichts versteht, überhaupt kein Problem, aber Hausnummer und Wappen ist eine Essenz des Spiels. Ich erläutere kurz: Von links nach rechts müssen die Hausnummern absteigend verlaufen. Kann ich das nicht, muss ich einen Park bauen, der dann wieder ein neues Zählen ermöglicht. Das Gebäude vorher hatte die Hausnummer 41, der Krämerladen die 38. Das hätte perfekt gepasst. Beim platzieren des Gebäudes wird zudem die entsprechende Ortsaktion ausgelöst. Die Ortsaktion wird mit der Anzahl gleicher Wappen auf der Brücke mächtiger. Auf meiner Brücke sind bereits drei grüne Wappen vorhanden und die Ortsaktion ist Geld nehmen. Also hätte der Krämerladen mir fettes Einkommen gegeben. Das wäre perfekt gewesen. Scheiß Konjunktiv. Also muss ich was anderes nehmen.

So dürfte die Brücke nicht aussehen. Die 47 muss vor die 46.

Pokerface

Die nächste Runde beginnt. Und hier kommt neben der simplen, aber herausfordernden Zusammenstellung der eigenen Brücke über Gebäudeart, Wappen und Hausnummer ein weiterer, simpler spielmechanischer Ziegelstein um die Ecke. Die Zugreihenfolge. Und ehrlich: Bei der engen Auswahl an Gebäuden möchtest du unbedingt den First Pick haben, denn in diesem Spiel kann ich die Runde der Mitspieler zerschießen oder auch sehr einfach einen Hate Pick durchführen. Natürlich gibt es auch ein Gebäude, bei der ich auf der Zugreihenfolge nach vorne gehe und Boni abgreife. Aber: diese Leiste löst nur Gleichstände in dieser Frage auf. Wichtiger ist am Anfang jeder Runde das gleichzeitige, verdeckte Bieten mittels Handkarten auf den First Pick. Und auch das ist sehr simple. Kartenwerte von 0-4 werden ausgespielt. Jeder eine Karte. Eine 0 wandert zurück auf die eigene Hand, höhere Werte sind Einmal-Karten und wandern auf den Ablagestapel. Will ich neue, logisch, muss ich die entsprechende Gebäudeart platzieren und entsprechend der Wappenanzahl nachziehen.

Wertung

Jetzt könnt ihr euch aussuchen was ihr macht. Baut ihr eine Engine mit Schwerpunkt Brückentor auf? Dann erhaltet ihr Bonuspunkte und Einmalfähigkeiten. Oder doch liebe die Kapelle? Hier geht es in der Zugreihenfolge nach vorne und gleichzeitig regnet es Geld. Oder nutzt ihr direkt den Krämer, um euer Geld zu mehren? Oder setzt ihr über das Gildenhaus Joker ein, um euere Flexibilität zu erhöhen? Jede Taktik bringt die Möglichkeit zum Geld. Natürlich gibt es auch noch Spielendwertungen, die Taler in des Klerikers Tasche fließen lassen. Dabei glänzt Old London Bridge mit einer hohen Interaktion, keiner Downtime und einem schnellen Spieleinstieg und zügiger, fordernder Spieldauer.

Oben liegen fette Boni und immer, wenn ich ein Bonusfeld überschreite nehme ich mir einen. Schaffe ich es zum Schluss, gibt es zudem 10 Taler.

Spielspaß

Ich bringe Old London Bridge auf den Tisch. Lissy und Hannah ziehen lange Gesichter. Ihr kennt das? Exakt. Bei ChronoCops war das auch der Fall. Old London Bridge ist innerhalb von 15 Minuten erklärt und es geht los, nach 45 bis 60 Minuten ist Schluss. Und die Kinder? Phhh. Kinder. Monster! Die waren in ihrer Grausamkeit unbarmherzig. „Oh Papa, du brauchst den Park? Schade, den schnapp ich mir!“ Kleine niederträchtige Kröte. Da kein Feld ohne Kosten zweimal belegt werden kann, muss ich hart umplanen. Ich schiele zu Hannah. Die Kappelle hat ein gelbes Wappen. Hannah hat bereits davon vier. Das muss ich ihr wegschnappen, denn sonst rast sie davon. Ihr Kommentar: „Du ehrenloses Opfer, das bekommst du in der zweiten Partie zurück!“

Hier wird fleißig gebetet und alle rutschen auf den Knien rum: Je besser ich das tue, desto mehr Geld gibt es. Der Ablass und die Kollekte ist schon ein gutes System, um das Gewissen der sündige Menschen freizukaufen.

Fazit

Der Dialog sagt alles: Old London Bridge drängt immer wieder auf den Tisch zurück. Es wird zwei bis dreimal pro Abend gespielt. Warum? Hohe Interaktion, einfache Regeln, keine Downtime, gute Spielzeit, eine Workerplacementaktion pro Spieler, viele taktische Möglichkeiten, die eigene Engine kann vielfältig gestaltet werden, hoher Wiederspielwert und ein haptisches, greifendes Spiel. Herz, was willst du mehr? Dabei bewegt sich Old London Bridge im Einstieg auf Familienspielniveau, glänzt aber in seinen späteren Möglichkeiten mit Kennerspielelementen. Für mich ist daher von der Kategorisierung Old London Bridge ein bisschen vergleichbar mit Living Forest. Mit dem Unterschied, dass mich Old London Bridge überzeugt hat, satt im Regal steht und regelmäßig aufgebaut wird. Ein weiterer starker Titel im Portfolio von Queen Games.

Old London Bridge
Spielinformationen
Genre: Workerplacement/Enginebuilder | Personen: 2 - 4 | Alter: ab 10 Jahren | Dauer: 45 - 60 Minuten | Autor/in: Gabriele Bubola | Illustration: Markus Erdt, Patricia Limberger | Rezensionsexemplar erhalten
MATERIAL
7.5
SPIELIDEE
7.5
SPIELSPASS
8
Positive Aspekte
Schneller Einstieg
Keine Downtime
Einfache Regeln
Hohe Interaktion
Viele taktische Möglichkeiten
Gutes Enginebuilding
Negative Aspekte
Trotz taktischer Möglichkeiten wenig Tiefe im Spiel
7.5
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Denny Crane
    9. Februar 2023 16:54

    Danke für den Test.
    Das ließt sich überraschend gut. Und das Spiel spricht mich durchaus optisch an. Was du jetzt noch zu den Regel schreibst, gibt dem Spiel den Rest..aber im positiven Sinne😁
    Ich habe es mal auf meine Liste gesetzt.
    Da abzusehen sehen ist, das ich diesmal nicht auf die Spiel fahre, kann man sich ja trotzdem mal ne Langzeit-Wunschliste anlegen😇

    Antworten

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