Kurzcheck: Darum geht es in Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel
Ganz klassisch zufällig in Booster verpackt, die Karten in Seltenheitsgrade unterteilt, wie wir es seinerzeit nur von Magic the Gathering kannten, kommt 1995 (1997 auf Deutsch) Middle-earth/ Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel in die Geschäfte gezogen. In diesem Spiel für 1-5 Personen verkörpert jeder Spieler einen Zauberer, der ausgeschickt wurde, um dem Rat der freien Völker im Kampf gegen Sauron beizustehen. Aber die freien Völker werden nur demjenigen folgen, den sie für am geeignetsten halten. Ganz einfach: Ich sorge dafür, dass der Eine Ring in den Schicksalsberg geworfen wird, ich eliminiere den Zauberer der anderen Gemeinschaft oder ich präsentiere die mächtigsten Artefakte, die bedeutendsten Verbündeten und die stärksten Heere. Das alles passiert über eine einfache Kartenmechanik, über das Ausspielen bestimmter Karten an bestimmten Orten, über Reisen, über Kämpfe und vor allem passiert es im Kopf.
Kopfkino
Uwe packt die Karten aus. Ich schätze es sind weit über 1000 und Uwe als alter Magic Spieler hat Pre-Constructed Sets gebaut. Perfekt für mich als Neueinsteiger, denn Deckbuilding gehört nicht zu meinen Stärken. Uwe packt die Loot-Box weiter aus. Zum Spiel gehört eine grellbunte Map von Mittelerde, die mich sofort an Schnitzeljagd erinnert, mir Kopfschmerzen bereitet und auf der ich wegen der Farbkombination Grün/Rot als farbfehlsichtiger Mensch die Grenzen und Gebiete kaum erkenne. Na toll! Ich schaue mir die Spielkarten an und bin sofort begeistert. Zitate aus den Büchern untermalen jede Karte passend. Und ja, die Herr der Ringe Filme waren episch. Aber in den Büchern ist so viel mehr Kopfkino. Und dieses Kino zieht gerade auf meinem Wohnzimmertisch ein.
Kartenvielfalt
In Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel helfen uns verschiedene Karten den Sieg zu erringen. Mein Deck wird von Sauruman angeführt und er befehligt eine Truppe robuster und wankelmütiger Zwerge. Die Charaktere sind immer einzigartig, besitzen Siegpunkt-, Angriffs- und Konstitutionswerte, verschiedene Berufe und gehören einem Volk an (z.B: Mensch, Elf, Zwerg). Weiter üben sie mit ihren besondere Fähigkeiten direkten Einfluss auf bestimmte Wesen oder Ereignisse aus. Zu Beginn des Spiels bilde ich mit diesen unterschiedlichen Charakteren meine Startgemeinschaft. Zauberer symbolisieren die Erscheinungsform der Spieler, um direkt ins Geschehen einzugreifen. Sie bringen mächtige Fähigkeiten ins Spiel, aber auch tödliche Gefahren für die Gemeinschaft. Ein Messer von hinten bringt auch einen Saruman zu Fall oder in unserem Fall den Verlust des Spiels.
Knüppel zwischen die Beine meines Gegners
Natürlich möchte Uwe Radagast, der Braune nicht, dass ich Saruman gewinnt. Also haut er mir jede Menge Steine in Form von Gefahrenkarten in den Weg. Gefahrenkarten bilden die Hälfte eines Decks. Diese Gefahrenkarten spiele ich gegen die Gemeinschaft meines Mitspielers in seinem Zug. Fiese Orks und Wölfe, Drachen und Ringgeister sind hier thematische Hindernisse. Manchmal tut es aber auch ein Schneesturm, der die Gemeinschaft auf der Reise zu einem neuen Ort zur Umkehr zwingt. Das Spielen von Gefahrenkarten ist gut abzuwägen. Es kann reizvoll sein, den einen oder anderen Charakter vielleicht zu verwunden oder auszuschalten, aber wenn die gegnerische Gemeinschaft meinen Angreifer besiegt, wandert die Karte mit samt ihren Siegpunkten zum Gegner.
Reisen? Sagte ich reisen?
Ich kann an jedem Ort eine Person oder ggf. einen Gegenstand spielen. Dabei benötige ich keine Länder, Mana oder ähnliches. Ich reise nur und muss mich unterwegs den entsprechenden Gefahren und dem aggressiven Uwe stellen. Die aus Buch und Film bekannten Orte zeigen an, wo sich welche Gemeinschaft befindet. Zufluchtsorte wie Bruchtal, sichere Orte wie Beutelsend, wo ich das Heer der Hobbits für mich gewinnen kann. Aber eben auch gefährliche Orte wie die Minen von Moria oder der einsame Berg. Es gilt die Regel: je gefährlicher der Ort, desto eher kann ich dort mächtige Gegenstände ausspielen. Also her mit den Würfeln. Würfeln? Richtig, es wird gewürfelt. Immer wenn eine Probe durchzuführen ist, wird mit zwei W6 gewürfelt. So addiere ich bei einem Kampf den Angriffswert meines Charakters mit dem Würfelergebnis und muss mindestens der Wert des Angreifers erreichen.
Gierige Zwerge & mehr
Middle-earth bindet aber noch einen weiteren Aspekt aus Tolkiens Bücher mit ein: die Gier, die Versuchung, die Korruption! Stellt euch Thorin Eichenschild im Einsamen Berg vor oder Boromir, der schwer mit der Versuchung des Einen Rings kämpft, wohingegen die Hobbits wahre Hüter dieser Tugend sind. Jeder Gegenstand, den ein Charakter trägt, erhöht sein Versuchungswert. Möchte ich Gegenstände innerhalb der Gemeinschaft tauschen, zwingt mich eine Gefahrenkarte dazu oder rufe ich am Spielende den Rat der freien Völker an, muss ich ein Versuchungswurf machen. Show Down. Hat sich mein Charakter als würdig erwiesen? Scheitere ich bei dieser Versuchungsprobe mit meinem Wurf, verschwindet mein Charakter mit all seinen Gegenständen auf Nimmerwiedersehen. Problematisch, denn so verschwinden etwaige Siegpunkte.
Deckbau
Als klassisches Trading Card Game nimmt der Deckbau natürlich einen zentralen Punkt im Spiel vor dem eigentlichen Spiel ein. Jeder, der Spaß am Deckbau hat, wird auch hierbei seine Freude haben. Worauf richte ich mein Deck aus? Welche Siegpunkte will ich mir sichern? Eine kampfstarke Truppe, die Drachenhorte plündern möchte? Einflussreiche Diplomaten, die mächtige Heere überzeugen können? Frodo und Sam auf der Suche nach dem Einen Ring, um ihn zu vernichten? Wie will ich meinen Gegenspieler daran hindern? Wie konzipiere ich mein Gefahrendeck? Breit gefächert, um meinem Mitspieler immer wieder Knüppel zwischen die Beine werfen zu können? Oder konzentriert, um ihn mit einer mächtigen Serie von Attacken stark zu schwächen? Ich muss mein Deck kennen, damit ich weiß, wo ich hinreisen möchte und welche Siegpunktkarten noch in meinem Deck schlummern.
Schwächen: Damals & Heute
Dabei zeigt Middle-earth in seinem Grundsetting auch hier die bekannten Schwächen von Deckbauspielen. Es steht und fällt mit meinem Kartenpool. Und auch ein immer wieder ein heiß diskutiertes Thema: optimiere ich mein Deck und durchforste ich das Internet nach den stärksten und besten Decks oder baue ich lieber thematische Decks oder schaffe ich den Spagat zwischen beiden? Die Map entspricht nach heutigem Maßstab nicht einen annehmbaren Standard. Aber: Auf BGG findet man sehr passende Grafiken. Ich denke, wir werden in nächster Zeit eine Neoprenmappe drucken lassen. Dafür sind die Spielkarten so unfassbar thematisch, liebevoll, atmosphärisch und literarisch, dass es ein wahres Erlebnis ist. Leider lief wohl die Lizenz aus. Aber dieses Spiel ist ein Festival für Fans von Herr der Ringe.
Kollaboration
Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel wurde gemeinsam von Uwe und mir verfasst, wobei Uwe den meisten Text liefert. Warum? Uwe ist so viel tiefer und besser in der Thematik dieses Spiels drin, ist ein Experte bei Deckbuilding und LCG Spielen und einfach eine Koryphäe, die man einfach einbinden muss. Zudem sind wir beide der Meinung, dass Der Herr der Ringe: das Sammelkartenspiel es einfach verdient hat, bei Brett & Pad eine Erwähnung zu finden. Selten hat mich ein Spiel so schnell und thematisch in den Bann und nach Mittelerde gezogen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei Uwe und überlasse ihm die Ehre des Fazits.
Uwes Fazit
Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel ist alt, aber es hat nichts von seinem Reiz verloren. Das System „mit zwei Würfel würfeln, um einen Wert zu erreichen“ ist gewiss nicht innovativ und up to date, aber als ich es nach zwanzig Jahren wieder zur Hand genommen hatte, war da ein Wohlfühl-Gefühl von nach Hause kommen. Mehr noch! Das Spielen zieht einen in den Bann – ist es vielleicht die Macht des einen Rings? Die vielen, aber kaum komplexen Regeln ermöglichen Einsteigern einen fixen Zugang. Die Spielkarte ist unterirdisch, das Artwork der Spielkarten jedoch hat nach 30 Jahren keinen Reiz verloren. Im Gegenteil. Die einzelnen Karten sind einzigartig und faszinierend.
Thematisch und eintauchend erzeugt das Spiel ein unfassbares Herr-der-Ringe–Feeling. Alles, aber wirklich alles aus dem literarischen Werken ist vertreten: Eine Gemeinschaft mit Aragorn, Galadriel oder Bilbo? Kein Problem. Aragorn mit seinem Schwert Narsil, Galadriel ihren Ring Nenya am Finger und Bilbo geschützt durch Mithril bringen den weißen Baum von Gondor wieder zum Blühen. Oder bekommt der gierige Thorin Eichenschild endlich seinen geliebten Arkenstein in die Hände oder muss Sam für Frodo den Ring tragen? Euer Spiel, euer Kopf, euer Kino. Und damit hat Der Herr der Ringe: Das Sammelkartenspiel nichts von seinem spielerischen Reiz verloren und kann auch nach fast 30 Jahren mühelos gegen andere Spiele bestehen. Mehr noch, thematisch taucht man tief nach Mittelerde ein. Also, Augen auf dem Sekundärmarkt aufhalten!
Brettspieler | Carromspieler | Viel-Spieler | Ran NFL süchtig | Weinliebhaber | Leseratte | | Brettspielsammler | MTB Fahrer | Sportler | Hobby-Koch | Kooperativ-muss häufiger-sein | Terraformer | Musikgenuss | Spotifyer | Familie | Fußballer |
- 21. November 2024
- 14. November 2024
- 7. November 2024
- 31. Oktober 2024
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Christian bei Andromeda’s Edge
- Christian bei Wunder der Welt
- Achim bei Andromeda’s Edge
- Christian bei Andromeda’s Edge
- Peter bei Dragon Dale
7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wow, ich besaß das Spiel bis vor ein paar Jahren und hatte auch bis set 3 alle Karten.
Habe gerade ein Flashback. Die Karten sahen damals wie heute wunderbar aus, sie waren auch legendäre echte bilder und Zeichnungen von Tolkien Künstlern wie John Howe und co.
Aber der Blick alleine auf den text der Karten erinnert mich daran, dass es nie ein gutes spiel war.
Kein Mensch liest sich gerne Tonnen an text durch jedes mal, wenn er eine karte spielen möchte. Das war 1995 schon old school Design. Bei einem kartenpool von über 1000 macht das einen wahnsinnig.
Damals gab es ein paar Menschen, die es gemacht haben, weil niemand, den ich kannte, realistisch mehr als 10 Spiele im Schrank hatte, aber heute werden wir alle geflutet mit guten Spielen und sich auf eines so einzulassen ist eher die Ausnahme.
Long story short. Das Spiel fand ich damals schon, viel zu langatmig und zu abhängig vom deckbau. Weil es aber so kompliziert war und viele karten unintuitiv, hatte niemand bock auf deckbau. Die Leute, die ich kannte, haben es wegen des schönen artworks behalten. Gespielt hat es niemand.
Danke dennoch für die Rezension, jetzt erinnere ich mich daran, warum ich es easy abgeben konnte und mich dabei gut gefühlt habe.
Ich glaube, es gibt ein paar Menschen, die Freude daran haben könnten, wenn sie absolute Tolkien fans sind und sich auf dieses Spiel fokussieren können.
Hallo,
ich kann deine Argumente verstehen, habe aber eine andere Meinung. Die Abhängigkeit vom Deckbau, das Lesen von Texten auf Karten oder das sich Einlassen auf dieses Spiel sind Merkmale, die ich generell mit Trading Card Games in Verbindung bringe. Da fallen mir direkt die Platzhirsche Magic oder Lorcana ein. Wenn ich mich recht entsinne, gibt es für Middle Earth auch noch eine feste Spielerbasis und auch Turniere.
Das stimmt auf der einen Seite, auf der anderen Seite sind auch bei Magic, Marvel Champions, Lorcana oder Star Wars Karten mit viel Text schnell ungelenk. Darum wird es häufig vermieden eine Textwüste anzubieten und versucht, es so klar und kurz wie möglich (manchmal über Symbolsprache) zu halten. Ich habe damals auch das Mittelerde Kartenspiel gespielt (wie auch das Rollenspiel MERS) und es hatte bei uns als Jugendliche einen schweren Stand, obwohl wir Fanboys des Themas waren.
Liebe Leute,
Ich lese euren Blog echt gerne, weil er so emotional über Spiele berichtet und genau da werden bezüglich des HdR-TCGs wundervolle Erinnerungen wach. Was habe ich das Spiel geliebt, es für Queen auf der Messe erklärt, mit dem eigenen Club in der Liga Turniere organisiert und es mit guten Freunden bis zur Weltmeisterschaft nach Amsterdam gebracht. Das waren herrliche Spielejahre, sowohl real als auch in Zeiteinheiten beim Deckbau. Und ja, lesen gehörte dazu, inkl. aller Flavour-Texte, was für ein Spaß, gerade als Tolkien-Nerd! Manche Spiele brauchen eben Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Für dieses Spiel lohnt es sich. Ich hole die Ordner dank des Artikels mal wieder aus dem Schrank. Vielen Dank dafür!
Spielerische Grüße
Dennis
Hach ja… Bin natürlich einer der ewigen Fans von dem Kartenspiel. Sollte auch glaub alle Sets mein eigen nennen. Sie sind mein Schatz🤭
Leider wurde es damals von der breiteren Masse nicht so aufgenommen wie natürlich Magic als Platzhirsch.
Das größte Manko war eher die schwer verständlichen Regeln für Anfänger..
Wenn man quasi keinen Tutor hatte, der es einem richtig gezeigt hatte, dann war es für Neulinge extrem schwer, sich das Spiel anzueignen…
Aber finde es toll hier wieder von dem Spiel zu lesen, weil es für mich bis dato eines der besten Spiele ist… Selbst gegen Brettspiele brauch sich das Kartenspiel nicht zu verstecken.
„Wenn man quasi keinen Tutor hatte, der es einem richtig gezeigt hatte, dann war es für Neulinge extrem schwer, sich das Spiel anzueignen…“
So geht es mir mit dem „Ringkrieg“, das hat sich uns absolut nicht erschlossen – der Schatten von Mordor scheint über all diesen thematisch so stark faszinierenden HdR-Spielen zu liegen…
Und mir mit Arkham Horror um mal von Mittelerde wegzukommen 😂 ja bei manchen Spielen wäre bei Youtube nen Video als Hilfestellung nicht übel… Leider sind die meisten nur auf Let’s Play aus.