Zwei Autoren – zwei Meinungen
Die Verteidigung von Procyon III – Markus Meinung
Puhhh… ich bin geflasht Christian. Ehrlich. Am Donnerstagabend rollte von 19:00 Uhr bis 23:30 im Tabletop Simulator unser Angriff auf Procyon III. Heute ist Samstag und die Eindrücke sind ultra präsent. Der Einstieg war lang und intensiv. Asymmetrisch aufgebaut, hat jeder Spieler unterschiedliche Einheiten (Mensch VS. Alien, jeweils auf der Oberfläche von Procyon III und im All) und damit eigene Spielregeln. Somit kommen mit der allgemeinen Regel schlappe 100 Seiten Anleitung zusammen. Heftig, aber: Christian hat die Mechanik der Alienrasse sehr gut erklärt, Martin, die der Menschen. Das dauert, ist aber brutal interessant, wenn man sich darauf einlässt. Dabei taucht man tief in das Spiel ein und es hat mich direkt gepackt. Viele Infos zu Beginn, die einen Erschlagen, aber mit Hilfe des Spielertableaus und der genialen Kurzübersicht bleibt es im Spiel selbst übersichtlich und sofort spielbar.
More than a Feeling
Christian und ich ergänzen uns bei unserer Erstpartie als unersättliche Alienrasse, die versucht Procyon III einzunehmen, extrem gut. Christian hält mir im All die Menschen vom Leib, schickt mir Unterstützung nach unten und gibt mir Zeit, damit ich am Boden die einzelnen Gebiete erobern kann. Dabei kämpfe ich mit unterschiedlichen Einheiten und Karten gegen menschliche Einheiten und Superhelden. Die Karten lassen mächtige Aktionen oder Bewegungen zu. Einige Karten haben Powermoves, die ich einsetzten kann, dann muss die Karte aber aus dem Spiel. Ich muss planen, verwerfen, schauen was Christian im All macht und Entscheidungen treffen. Hammer.
Meine Züge lassen den Gegner erzittern. Wie in Starshipp Troopers überschwemme ich von zwei Flanken das Gebiet der menschlichen Basis, versuche meine mächtige Königin in Position zu bringen und Wissenschaftler zu meucheln. Martin, mein menschliches Gegenüber am Boden, sagte nach dem Spiel: „In jeder Runde habe ich schon bei deiner ersten ausgespielten Karte gestöhnt und du konntest drei ausspielen“. Ja fein. Alien-Übermacht? Fehlanzeige. Mithilfe seiner Superhelden schlägt er mächtig zurück und meine Alien fallen wie Dominosteine. Er zerschießt meine Planungen und ich muss umdenken. Währenddessen tobt der Kampf im All und ich spreche mich immer wieder mit Christian ab. Der Wahnsinn und das bei der ersten Partie…was wird das erst wenn man das Spiel kennt?
Fakt ist. Ich bin begeistert. Das Balancing ist top, die Karten super und die Spielmechaniken passen auf den jeweiligen Spieler. Aber…
Gruppenproblem
Mit wem soll ich dieses Spiel spielen? Hier braucht es eine gute Spielergruppe. Man muss bereit sein, sich auf seine jeweilige Fraktion einzulassen und seinen Job zu machen. Wähle ich eine andere Fraktion, muss ich Neues lernen. Also muss ich auch bei den Mitspielern aufpassen. Die Downtime am Anfang ist immens, aber nur wenn man sich ausklingt. Ist man bei allem dabei, wird es eine epische Schlacht und sehr intensiv. Aber das Problem bleibt. Hier müssen Spieler am Werk sein, die Bock darauf haben. Mit wechselnden Spielgruppen oder Spielanfängern macht es wenig Sinn.
Die Verteidigung von Procyon III – Christians Meinung
Mein Bombardement zerfetzt zielsicher am Boden die Stellungen der Menschen. Da hat Martin mit seiner menschlichen Armee am Boden zu sehr den Blick auf die Angriffe von Markus gerichtet und Enno im Weltraum aufseiten der Menschen mir zu viel Raum gegeben. Weiter habe ich meinen Teppich aus Nano-Wolken im All ausgebreitet. Das sorgt dafür, dass die mächtigen Kriegsschiffe der Menschen ihre Schilde verlieren. Jetzt nur noch ein Torpedo abfeuern und Teile der menschlichen Armada werden zerfetzt. Die Einheiten der Menschen sind zudem endlich, was weg ist, bleibt weg. Wir Aliens hingegen haben Nachschub ohne Ende. Ich fühle mich mächtig und stark. Wir rasieren die Menschen! Äh halt, nicht so schnell…
Wenn wir auf die bisher erreichten Siegpunkte schauen, führen die Menschen haushoch! Unsere erdrückende Überlegenheit heißt am Ende gar nichts, wenn die Menschen ihren Fluchtkorridor im All für die Evakuierung der Wissenschaftler aufrechterhalten und am Boden sich taktisch in einem zermürbendem Verteidigungskampf über die Ziellinie retten. Keiner sagt, dass am Ende viel von der Menschheit übrig bleiben muss, damit sie gewinnen. Und da sind wir bei einem sehr wichtigen Punkt!
Asymmetrisches Spielgefühl
Nicht nur die Mechaniken, auf die ich gleich noch kurz eingehe, sind maximal asymmetrisch, sondern vor allem auch das Spielgefühl. Von der Spielanlage entsteht bei Die Verteidigung von Procyon III kein klassisches Spielgefühl bekannter Area-Control-Spiele. Das hier ist kein Dominant Species, Cthulhu Wars oder Twilight Imperium im Team-Modus! Ja, Asymmetrie ist ein häufig gebrauchter Baustein solcher Spiele, am Ende müssen aber alle irgendwie erobern, zerstören und Armeen ausheben. Das Ziel ist gleich, der Weg dahin ein anderer. In Die Verteidigung von Procyon III ist eben auch das Ziel ein anderes.
Für mich entsteht wie bei Markus großes Kopfkino und eine dichte Atmosphäre, aber es kann eben ein Stück weit frustrieren. Aufseiten der Aliens durch eine spielerische Übermacht und aggressive Eroberung, die nicht in Siegpunkte umgemünzt wird und bei den Menschen kann der Zermürbungskampf direkt aufs Gemüt überspringen. Es fühlt sich durch die vehemente Zerstörung vielleicht nach einer herben Niederlage an, dabei ist man vielleicht dabei das Spiel zu gewinnen. Und das Wissen um die endlichen Einheiten bei den Menschen ist ein Psycho-Rucksack voll mit Granit. Klingt negativ, ich finde aber genau das grandios, denn so grenzt sich Die Verteidigung von Procyon III nicht nur als Area-Control und Kriegsspiel ab, sondern auch als Teamspiel.
Fazit: Außergewöhnlich
Wirklich außergewöhnlich sind die unterschiedlichen Spielmechaniken, die ich in der News zu Die Verteidigung von Procyon III schon angerissen habe. Die Erfahrung selbst zu machen ist dann noch eine ganz andere Sache. Aus dem Bauch geurteilt kommt vielleicht gerade noch so Root an die starke Asymmetrie heran, besitzt dann aber nicht diese Verzahnung der Fraktionen. Es wartet hier Bagbuilding, Diceplacement, Deck-Destruction, Programmierung und ein Kartenmangement à la Gloomhaven auf dich. Verteilungen von Schaden, Angriffsaktionen, Bewegungen und das Erhalten von Siegpunkten sind dann bei allen vier Fraktionen ebenso unterschiedlich. Da raucht anfänglich echt der Kopf, aber es wird mit einer ordentlichen Portion Spielspaß belohnt. Die Verteidigung von Procyon III ist in seiner Machart definitiv etwas besonderes! Wer nur entfernt eine passende Spielgruppe dafür besitzt, sollte sich das Spiel unbedingt in der Spieleschmiede anschauen.
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Schöner Artikel, der sich größtenteils mit meinen Erfahrungen deckt. Zumindest in meinen Runden war das Spiel jedoch nicht soooo Spielergruppen abhängig (oder ich hatte Glück). Ich würde das Spiel aber auch eher als 1vs1 spielen. Das erhöht zwar die Überlegungszeit des Einzelnen, aber intensiviert das Ganze und macht es in Summe trotzdem schneller, meiner Meinung nach.
Ich bin nach wie vor begeistert von dem Spiel.
1:1 spiele ich so große Spiele selten. Zeit ist knapp, Termine noch mehr und wenn Leute sich bei mir treffen, vor allen nach Corona, dann sicher nicht nur zu zweit.
Aber ich gebe dir Recht, es kann sicher auch gut als 1:1 gespielt werden. Ich bin allerdings Fan von Team-Spielen, weil diese am Tisch eine besondere Atmosphäre schaffen, die man sonst eben nicht erlebt.
Das ist aber natürlich immer Geschmackssache. Ich finde ein Alone zu dritt z.b. (2:1) auch wesentlich besser als 1:1. Manche meinen, das 1:1 der einzige Modus wäre, wo das Spiel funktioniert. 1:1 spiele ich dann lieber Hannibal & Hamilcar, Krieg der Welten oder Super Fantasy Brawl.
Hi,
vielen Dank für deine Einschätzung. 1 gegen 1 hört sich auch super spannend an, aber Christian und ich hatten als Team echt Spaß. Und es wäre bestimmt noch besser, wenn wir gemeinsam am Tisch gesessen hätten. Aber als 1 gegen 1 hat man da viel Abwechslung und ein mächtiges Spiel. Ich bin gespannt, wie es sich entwickelt.
Liebe Grüße aus dem Südwesten,
Stay magic, Markus
Versteht mich nicht falsch: Ich finde das Spiel auch 2vs2 sehr gut. Und ich pflichte bei, es gibt viiiiiel zu wenige Teamspiele da draußen. Ich mochte Procyon III nur eben 1vs1 noch lieber. Aber gut möglich, dass sich das, sobald Corona irgendwann kein so leidiges Thema mehr ist, und ich mal zu viert an einem Tisch gespielt habe, ändert 🙂
Hey Markus,
kurz ein off-topic-Frage, sofern dies hier erlaubt ist 🙂
Wo aus dem Südwesten kommst du denn? Bin nämlich aus Lörrach (also absoluter Südwesten).
Liebe Grüße
Marc
Ein toller Spielbericht. Ich habe selbst das große Glück eine 4-Mann Gloomhaven Gruppe zu haben, die genau solche Spiele auch spielt. Naja und meine Meinung ist ja hinlänglich bekannt zu dem Spiel, wenn man sich unsere Videos dazu anschaut. Ich bin sicher, diesmal wir es was – auch wenn es natürlich kein Jedermann-Spiel ist.
Hi Marc,
ich wohne in Trier. Ja Lörrach ist ja absoluter Südwesten, aber sehr schön.
Hi Marcel,
ich beneide dich sehr um eine solche Gruppe.
Liebe Grüße an euch beide, stay magic