Lesezeit: 6 Minuten
Bomb Busters ist bis zum November ’25 an mir vorbeigezogen. Trotz Spiel des Jahres-Auszeichnung ist die Bombe bei mir nicht geplatzt. Früher hätte ich es mir leicht erklären können. Bomb Busters ist eben ein kooperatives Spiel und damit nicht mein Beuteschema. Warum konnte Bomb Busters trotzdem nicht so ganz bei mir im Vorfeld zünden? Nun, das lag an dem Untertitel: ein explosives Deduktionsspiel für 2–5 clevere Köpfe. Bäh, Deduktion ist jetzt auch nicht so mein Steckenpferd. PM-Logikrätsel? Schwierig. Cryptid? Völlig langweilig. Sudoku? Nun, man nutzt es am besten dafür, wo es in der Regel immer liegt. Allerdings ändern sich Geschmäcker – und schuld ist ein kleines Dorf im Hunsrück: Wickenrodt. Und Olli.

Kurzcheck: Darum geht es in Bomb Busters

Ihr kennt die Szene aus zahlreichen Filmen? Welchen Draht soll ich schneiden? Rot? Gelb? Oder Blau? In Bomb Busters seid ihr Profis der Bombenentschärfung. Nun, zu Beginn eher Anfänger. Ihr wählt in aufsteigender Reihenfolge eine von 66 Missionskarten (!) aus, führt die Missionsvorbereitung aus und beginnt nun im Team die Bombe zu entschärfen. Dazu hat jeder einen eigenen Kabelhalter vor sich, auf dem blaue Kabel mit möglichen Werten von 1–12 stehen. Jeder Wert kommt viermal vor, und ihr müsst die passenden Kabel finden. Habe ich also ein 3er-Kabel bei mir stehen, muss ich ein anderes 3er-Kabel finden. Das funktioniert, weil die Kabel in aufsteigender Reihenfolge sortiert sind, ein erster Wert markiert wird und euch diverse Werkzeuge zur Verfügung stehen. Erschwert wird das Entschärfen durch viele Gimmicks, abwechslungsreiche und teilweise bockschwere Missionen. Und durch eure unfähigen Mitspieler.

Training Day. Über acht Trainingsmissionen lernt ihr Bomb Busters kennen. Schneller Einstieg, schnelles Lernen, schneller Spaß.

 

Erster Kontakt mit der Bombe

22 Uhr in Wickenrodt. Olli aka LordoftheBoard1976 hat zum ersten Brettspielabend in sein Heimatdorf geladen und seine Schwester, Dennis und mich als Erklärbären mitgenommen oder einbestellt. Herrlich. Eine Stunde Fahrtzeit von Trier und ein cooler Abend inklusive. Zuerst erkläre ich Julia mit Dennis Kauri, dann wechseln Olli und ich uns als Stadionsprecher auf der Pferderennbahn von Ready Set Bet ab. Eine coole Erfahrung, zumal die Wiggader Clique das Ganze knallhart, episch und mit viel Gegröhle feiert. Ich schaue auf meine Uhr, Zeit ist noch übrig und ich habe echt Bock auf Bomb Busters. Einfach mal zwei, drei Spielchen reinschnuppern. Ist ja bestimmt eher so ein Spiel für zwischendurch. Zumal die BGT das Spiel in ihrer Folge: Kennst du schon vorgestellt haben. Dennis und Julia sind dabei. Olli stößt später dazu. Als ich um halb eins aufbrechen möchte, ist das Gejammer am Tisch groß. Eine Runde hätten wir gerne noch gespielt.

Nach dem Training folgen die kniffligen Missionen.

Runde über Runde

Achtung Suchtgefahr! Bomb Busters müsste diese Warnung haben. Der Konsum von Bomb Busters kann süchtig machen. Egal. Ich leihe mir Bomb Busters von Olli aus, denn ich hoffe und vermute, dass das Spiel meiner Familie gefallen wird. Außerdem hat sich mein Bruder am Sonntag zu Besuch angekündigt. Bomb Busters könnte auch für Andy taugen, auch wenn er kein Freund von neuen Spielen ist. Aber das Spiel ist schnell erklärt, super schnell auf dem Tisch und die Spannung ist spürbar. Ich erlebe ein Gefühl wie beim Bombenentschärfen, wenn ich mit meinem Finger auf ein Kabel in einem anderen Kabelhalter zeige und sage: „Kati, du hast da eine 5.“ Liege ich richtig, darf ich mein entsprechendes Kabel aufdecken. Liege ich falsch, markiert Kati den richtigen Wert, allerdings rückt der Zeiger der Bombenexplosion einen Schritt näher.

Ich bin sehr gespannt wann und ob wir zur finalen Box kommen. Preis-Leistungs-Kracher

Skepsis

Meine Kinder sind wie immer skeptisch. Ein neues Spiel und dazu kooperativ? Das funktioniert bei uns aktuell nur The Crew: Mission Tiefsee und auch das nur mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, dem schonungslosen Aufdecken der Spielfehler der anderen bei gleichzeitigem Abstreiten eigener Fehler. Dafür ist Bomb Busters hervorragend geeignet.

Meine Idee, das Spiel des Jahres mit der Familie zu spielen, schlägt ein wie eine Bombe. Mit allem, was ich oben beschrieben habe. „Wie kann man nur so doof sein und das Kabel durchschneiden?“ ist ein kleines Beispiel für die freundliche, wertschätzende Kommunikation am Tisch. Allerdings ist der Spaß und die Erleichterung an diesem Abend bei jeder entschärften Bombe greifbar und die Endorphine belohnen uns vier am Tisch brutal. „Das Spiel gefällt bestimmt auch Jacob!“, gibt Hannah schon den Ausblick auf den nächsten Einsatz.

Zwei gelbe Kabel sind mit den Werten 8.1 und 9.1 im Spiel. Dazu das rote Kabel mit dem Wert 6.5. Schneide ich das durch geht die Bombe hoch. Ohne Vorwarnung.

Betretenes Schweigen

Andy hat gerade ein rotes Kabel durchgeschnitten. Die Bombe explodiert dann sofort. Betretenes Schweigen am Tisch. Frustration, Gestammel. „Oh, an das rote Kabel habe ich nicht mehr gedacht“, tottelt mein Bruder vor sich hin. Bomb Busters zieht mit der Schwierigkeit schnell, mächtig und gnadenlos an. Die ersten Missionen mit reduzierten Zahlenwerten sind noch einfach zu meistern. Dann kommen gelbe Kabel dazu, die natürlich nur passend entschärft werden können, und tatsächlich die roten Kabel. Die roten Kabel haben 0,5er Werte, die gelben Kabel 0,1er Werte. Diese besonderen Kabel werden also zwischen den blauen Kabeln einsortiert und müssen beim Entschärfen dringend beachtet werden.

„Ist doch kein Problem“, versucht Hannah ihn zu trösten. Ihre Worte sind blanker Hohn, denn der eisige Klang ihrer Stimme in Kombination mit ihrem abfälligen Blick konterkarieren die Inhaltsebene ihres Tröstungsversuchs. Also wieder von vorne.

So sieht mein Kabelhalter POV aus.

Nervig

An diesem Sonntag kommt mir Christian in den Sinn, mit dem ich mich vor ein paar Monaten über Bomb Busters unterhalten habe. Ein Aspekt dieses Gesprächs diffundiert wieder in mein Bewusstsein. Ich kann diese Aussage nun nachvollziehen. Bomb Busters nervt an diesem Sonntag. Die vierte Neuerklärung des Spiels heißt: viermal die ersten Trainingsmissionen spielen, damit Neuspieler mitspielen können. Für Spielende, die Bomb Busters beherrschen, kann das öde sein, vor allem weil man als Gruppe doch sehr schnell lernt und ein Gespür für den Gegenüber und die Kabel entwickelt. Auch mit zwei oder drei Spielenden entfaltet Bomb Busters nicht seine volle Qualität, denn man benötigt immer vier Kabelhalter im Spiel. So müssen in einem 2-Personen-Spiel beide zwei unabhängige Kabelhalter bedienen. Da gibt es schönere Zwei-Personen-Spiele.

Das sehe ich bei Kati. ICh weiß lediglich wo eine blaues Kabel mit der 10 liegt. Alle Kabel sind blau. Bis auf die Gelben und Roten.

Volle Kraft voraus

Hat man dann aber als Gruppe die Trainingsmissionen hinter sich, haut Bomb Busters die volle Deduktions- und Spielspaßbreitseite raus. Abwechslungsreich, knifflig, entwickelnd, spannend, hektisch, frustrierend. Ich fühle mich teilweise bei Mission Impossible. Nenn mich Ethan. Das Gute bei Bomb Busters ist zudem, dass es mit fünf Spielern funktioniert, ohne langweilig zu sein oder gar Downtime zu produzieren. Welches kooperative Spiel schafft das schon? Die meisten guten und funktionierenden 5-Personen-Spiele sind Area-Control-Spiele, daher ist Bomb Busters schon ein echtes Kleinod. Und für einen unfassbar fairen Preis. Mit 66 verschiedenen Missionen. Und nein, ich habe sie nicht alle gespielt, aber ich bin bei ca. einem Drittel. Und das hat bisher schon tolle Stunden Spielspaß und pure Abwechslung geboten. Mal abgesehen vom Grundthema, denn Kabel durchschneiden und Bomben entschärfen müsst ihr immer.

Werkzeug unterstützt einen jeden guten Bombenentschärfer.

Fazit

Bomb Busters macht süchtig und ist mit 100%iger Treffsicherheit zurecht Spiel des Jahres geworden. Dem Designer Hisashi Hayashi ist ein süchtigmachendes kooperatives Deduktionsspiel für 2–5 Spielende gelungen, das durch seine 66 Missionen abwechslungsreich und herausfordernd ist. Schneller Einstieg und einfache Grundregeln machen Bomb Busters zum perfekten Familienspiel. Allerdings erschweren sie auch den Einstieg für Spieler, die neu zu der Gruppe stoßen. Hier muss immer wieder das Tutorial durchlaufen werden, was cool zum Lernen des Spiels ist, aber entsprechend langweilig für erfahrene Spielende. Auch für zwei bis drei Bombenentschärfer muss ich bei Bomb Busters Abstriche machen. Zwar funktioniert das Spiel, aber der Spielspaß zündet am besten für vier bis fünf Spieler. Apropos Spielspaß und fünf Spieler: Ich kenne kaum ein anderes Spiel, das fünf Spielende so cool und trotzdem herausfordernd und ohne Downtime an den Tisch bringt und kein Area-Controll Spiel ist. Verdammt. So langsam implodieren alle Genres, die ich nicht so mag.

P.S. Insert und Halter auf den Bildern sind nicht Original, sondern von Agon. Originalmaterial (besonders Kabelhalter) hier.

Bomb Busters Zu recht Spiel des Jahres?
Spielinformationen
Genre: Kooperative Deduktion | Personen: 2 - 5 | Alter: ab 10 Jahren | Dauer: 45 Minuten | Autor: Hisashi Hayashi | Illustration: Dominique Ferland |
SPIELSPASS
9
MATERIAL
8
SPIELIDEE
8.5
Positive Aspekte
Schneller Einstieg mit einfachen Regeln
Spannend wie eine echte Bombenentschärfung
Keine Downtime für bis zu 5 Personen
66 verschiedene Missionen mit vielfältigen Aufgaben
Sehr gute Trainingsmissionen
Negative Aspekte
für 2 und 3 Spielende muss man Abstriche machen, da es sich am Besten für 4-5 Personen eignet
Neue Spieler müssen immer Tutorial Missionen machen, daher schwieriger dazuzustoßen
Schwierigkeit kann ganz schön anziehen
9
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