
Kurzcheck: Darum geht es in Astrobienen
Astrobienen ist hartes Diceplacement Bienenplacement – mit einigen coolen Kniffen. Ihr startet mit einem von 20 asymmetrischen Völkern, unterschiedlichen Ressourcen, Fähigkeiten und Nestern. Eure Aufgabe: Euer Volk über Generationen zum Erfolg führen. Das End-of-Game wird dabei ausgelöst, wenn die Winterschlafkammern mit Bienen gefüllt sind. Ähnlich wie in Teotihuacan werden eure Bienen mit jedem Einsatz mächtiger, gleichzeitig gehen sie aber ihrem Lebenszyklusende entgegen. Ist die Schuldigkeit der Arbeiter getan, werden sie in der Winterschlafkammer eingesetzt, deren Platz begrenzt ist. In ihrer Lebenszeit haben die Bienen vielfältige Aufgaben: Ballaststoffe, Wasser und Pollen sammeln, um Wachs und Honig herzustellen, das Nest ausbauen – oder aber den Weltraum erkunden.

Zeitgefühl
Es ist meine vierte Partie Astrobienen. Ich schaue Marc und Uwe zum wiederholten Mal an. „Wir müssen etwas falsch gemacht haben“, stammle ich ungläubig. „Nein, haben wir nicht“, beruhigt mich Marc, und ich bin zufrieden. Marc ist der Meister der Anleitung. Er kennt jede Regel, jeden Ablauf und jede Feinheit der Spiele, die wir spielen. Blindes Vertrauen. „Episch“, flüstert er. Uwe nickt zustimmend. Der Grund meines Zweifels liegt in der Zeit verankert. Tempus fugit – die Zeit flieht unwiederbringlich, philosophierte einst Vergil – und nirgends ist die Phrase treffender als in Astrobienen. Weniger als 60 Minuten dauerte die Partie. Der Wahnsinn.

Ich will alles
Der Beginn einer Partie Astrobienen ist ein Raketenstart in den Orbit. Ich schaue mir mein Nest und die Fähigkeiten meines Volkes an. Dazu die ausliegenden Bau- und Endmodule. Alles variabel und in jedem Spiel frisch. Ich habe aktuell drei Bienen, von denen eine bereits in der zweiten Generation ist. Was mache ich zuerst? Erforsche ich das Weltall, kann ich neue Planeten für mein Volk entdecken. Das bringt mir in der Regel wertvolle Ressourcen. Ich schaue mein Nest an. Keine gute Idee, denn Rohstoffe muss ich lagern können, sonst verfallen sie. Die Rohstoffe, die verfallen, bringen mir allerdings Fortschritt beim der Gunst der Königin. Auch interessant, weil mächtige Siegpunkte am Ende. Ich könnte auch mein Nest ausbauen. Dafür stehen mir unterschiedliche Ausbauten zur Verfügung. Entweder entwickle ich mein Nest und produziere Rohstoffe, oder ich rekrutiere tolle Sachen – oder ich entwickle. Für alle Ausbauten benötige ich allerdings unterschiedliche Rohstoffe.

Zahnräder
Der Kopf rattert sofort. Alles ist thematisch und unfassbar gut miteinander vernetzt. Ein Beispiel: Mein Volk bekommt Siegpunkte, wenn in meinem Nest Entwicklungsausbauten an meine Startzellen angrenzen. Diese Entwicklungen sind allerdings brutal teuer, denn dafür brauche ich Wachs. Logisch und thematisch, denn eine neue Wabe benötigt eben diesen Baustoff. Wachs ist aber sehr schwer zu beschaffen. Ich kann es mittels einer Aktion durch Pollen und Ballaststoffe synthetisieren. Das kostet aber Aktionsschritte, in jedem Zug habe ich nur eine Aktion und mit jeder Aktion wird meine Biene älter. Mächtiger, allerdings geht sie dem Ende entgegen. Jede Biene, die stirbt, forciert das Ende. Das Spiel schiebt von Beginn an.

Rückruf
Mein Kopf rattert weiter. Uwe hat ebenfalls an seinem Nest gebaut. Seine Biene schiebt meine Biene ein Feld weiter. Zwischen unseren Bienen ist ein Plus, also addieren sich deren Werte. Ein brettstarker Mechanismus. Setzen meine Gegner hohe Bienen ein, kann ich deren Werte mitbenutzen. Setze ich hohe Bienen ein, mache ich ggf. Felder für meine Mitspieler attraktiv. So kann ich meine Mitspieler vielleicht für bestimmte Aktionen anlocken. Denn ich möchte, dass meine Biene rausgekickt wird. Die Felder bei Astrobienen sind eben nicht blockiert, sondern die entsprechenden Bienen werden weiter oder eben raus geschoben. Bekomme ich eine Biene zurück kann ich entscheiden: Entweder ich setzte sie gealtert sofort im aktiven Pool ein oder ich parke sie im Landebereich. Dieser funktioniert wie bei Andromeda’s Edge. Bei einer Rückrufaktion aktiviere ich mit Bienen in diesem Landungsbereich meine gebauten Module im Nest, bevor sie altern und wieder aktiv werden.

Die Macht der „4“
Ich habe schnell eine Biene auf „Vier“ aufgelevelt. Und schon wieder stehe ich vor einer wichtigen taktischen Entscheidung: Was mache ich mit meiner mächtigen Arbeiterbiene? Erweitere ich mein Nest um neue Bauplätze? Ziehe ich vier Karten und platziere eine in meinem Nest? Oder baue ich für Honig eine End-of-Game-Wabe? Ich könnte auch zu einem Planeten im Weltall fliegen und dort den mächtigen Viererbonus auslösen. Oder lerne ich einen Tanz der Bienen, um damit günstig Sachen zu produzieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig, aber ich kann nicht alles machen. Ich entscheide mich für eine goldene Wabe. Das Problem: Die Wabe, die ich im Nest installiere, fordert eine weitere goldene Wabe, damit ich die Punkte bekomme. Taktik und Strategie sind damit vorgegeben. Schweißnasse Hände von Beginn an programmiert.

Feuerwerk
Es ist einfach krass, was am Tisch passiert. Uwe hat sich eine Engine mit Farmen und drei Bienen aufgebaut. Er schickt sie immer los, macht Aktionen, ruft sie zurück und parkt sie in der Landezone. Im Rückrufzug kommt seine gnadenlose Engine zum Vorschein. Damit generiert er Rohstoffe, Fortschritt auf der Königinnenleiste und Siegpunkte. Was Marc vorhat, ist mir noch unklar. Er baut ein bisschen vor sich hin und hantiert mit den mächtigen Handkarten verdeckt rum. Nachdem alle meine Bienen gestorben sind, spiele ich mit einer weiter. Eine bewusste Entscheidung, denn ich möchte diese schnell altern lassen. Ich brauche noch die eine goldene Wabe.

Der Zug hat keine Bremse
Das Spiel schiebt brutal an. Meine Züge werden im Kopf geplant, verschiedene Möglichkeiten durchgespielt. Die Interaktion am Tisch ist so gut und fein aufeinander abgestimmt. Durch eingesetzte und rausgekickte Bienen der Mitspieler ergeben sich neue Möglichkeiten. Auch neu entdeckte Planeten erweitern die Möglichkeiten aller Bienenvölker. Astrobienen verbindet dabei herrlich die eigene asymmetrische Tableauentwicklung mit dem globalen Spielbrett, wo meine Entscheidungen Auswirkungen auf die der anderen haben. Ich kann Mitspielern wichtige Waben wegnehmen, meine eigene Engine entwickeln und auf vielfältige Art und Weise Punkte generieren.

Der letzte Zug
Nachdem alle Kabinen in der Winterschlafskammr gefüllt sind, hat jeder noch einen Zug – und das Spiel endet. Marc feuert über seine Karten und seine letzte 4er-Biene einen Megazug ab und platziert noch zwei Karten mit End-of-Game-Wertungen, die perfekt zu seinem Volk und seinem ausgebauten Nest passen. Ich ergattere mir tatsächlich die benötigte goldene Wabe. Uwe zündet noch mal sein Produktionsfeuerwerk. Das Spiel endet in einem Herzschlagfinale. Astrobienen kann Dinge, die kein anderes Spiel kann. Der Puls schnellt ab der ersten Minute in die Höhe und summt die 60 Minuten honigsüß über das Brett. Die Mechaniken greifen wie der Tanz der Bienen harmonisch ineinander. Wir sind alle geflasht. Wahnsinn.

Fazit
Astrobienen klingt im Titel abgefahren, das Setting mit Bienen im Weltraum mag auf den ersten, oberflächlichen Blick nicht begeistern. Ein Trugschluss, denn mit seiner ersten Partie entfaltet Astrobienen eine Wucht auf dem Tisch, die ich selten erlebt habe. 60 Minuten echte Gefühle. Schweißnasse Hände. Keine Downtime. Feinste Synergien, die am Ende des Spiels Endorphine am Tisch erzeugen. Stellt euch ein frisches Brötchen mit Butter bestrichen vor, darauf ein edler Lavendelhonig aus der Provence – dann habt ihr eine Ahnung vom Geschmack von Astrobienen. Trotz des galaktischen Themas bietet das Spiel mehr thematische Umsetzung als Das Unbewusste. Die Interaktion der Spieler und der gute Würfeleinsetzmechanismus sorgen allerdings dafür, dass Astrobienen besser für 3+ Spieler geeignet ist. Bemerkenswert ist hier, dass das Spiel auch sehr gut für fünf Spieler funktioniert. Da die Spielzeit knapp, hart und schmutzig ist, die Downtime nicht vorhanden ist, klappt Astrobienen hier auch hervorragend.
Der Wahnsinn. Die einzige Kritik, die ich mir vorstellen kann, ist, dass einigen Spielern genau diese knackige und reduzierte Spielzeit für ein Kennerspiel nicht ausreicht und als zu knapp empfunden wird. Für mich war das Gegenteil der Fall, denn es gibt kaum Spiele, das aufs Brett zaubern, was Astrobienen kann.

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