Ehrlich, ich habe den Hype um Next Station: London nicht so ganz verstanden, daher war ich sehr froh, Next Station: Tokyo von der sehr netten Pressesprecherin Susanne von HCM Kinzel auf der Messe mitzunehmen. Warum hat mich London nicht so abgeholt, dass ich es gekauft habe? Nun, generell bin ich nicht der Riesen Fan von Flip & Write. Der Kartograph war ok. Wird gelegentlich mal ausgepackt. Bei Next Station: London habe ich nur den Block mit den geometrischen Formen gesehen, das sterile, technische Design und den Hype erlebt. Alles hat mich kalt gelassen. Nun ist es November, die Messe vorbei und der Block von Next Station: Tokyo halb leer. Was ist passiert?
Kurzcheck: Darum geht es in Next Station: Tokyo
Am Spielprinzip der Next-Station-Reihe hat sich nach meinen Recherchen wenig geändert. Bis zu vier Spieler haben farblich unterschiedliche Stifte, die zu Startpunkten auf ihren Blöcken passen. Eine von elf Karten wird umgedreht und die entsprechende Aktion ausgeführt. Dies geschieht solange, bis fünf grüne Karten in einer Runde aufgedeckt sind. Jetzt wandert der Stift weiter, die neue Route wird geplant, die Regeln müssen beachtet werden und ab geht der Zug.
Anleitung
Eine kuriose Szene direkt zu Beginn und der Messe. Susanne, Christian und ich kamen ins Plaudern. Redaktionelle Arbeit, gute Spiele, Anleitungen und die Produktpalette von HCM Künzel. Ein tolles Gespräch, sehr kurzweilig. Tenor war u.a. wie wichtig eine gute Anleitung ist. Gerade auch für Familienspiele. Ich war dann leicht irritiert, dass die Anleitung zu Next Station: Tokyo nicht ganz so einfach und clever im Design war. Die Regeln und Beispiele waren oft mit Blättern verbunden und so war es zu Beginn unnötig sperrig, den Zug ins Rollen zu bekommen und das, obwohl die Regeln recht simpel sind.
Achtung Kreuzung
Keine Zugstrecke darf sich außerhalb der Haltepunkte kreuzen. Ihr dürft zweimal, sollte die entsprechende Karte kommen, parallel zu einer Line fahren. Bei der Weiche dürft ihr nicht nur von den Endpunkten, sondern mittendrin abfahren. Es gibt Punkte für Knotenpunkte in den Randbezirken. Je mehr Strecken an einer Haltestelle zusammentreffen, desto mehr Punkte wandern auf das Konto. Grundgerüst für die Punkte sind natürlich die Haltestellen die ihr anfahrt. Je mehr in einem Bezirk, desto besser die Basis. Die wird dann mit der Anzahl der Bezirke multipliziert, durch die euer Zug durchrauscht. Verstanden? Türen zu! Ab gehts!
Streckenplanung
Meine erste Runde ist eine planerische Meisterleistung. Ich fahre mächtige sieben Bezirke an. Meine Erfahrung aus Railroad Tycoon zahlt sich brutal aus. Bei der Rundenzischenwertung mache ich allerdings lange Gesichter. In jedem Bezirk habe ich maximal zwei Stationen angefahren. Sieben mal zwei = 14 Punkte. Dünn. Hannah mit dem pinken Stift zu meiner Linken hat sechs Stationen in einem Bezirk angefahren und ihr Zug rast durch drei Bezirke. Das sind schon 18 Punkte. Lissy schafft mit der braunen Strecke fünf mal fünf und greift 25 Punkte ab.
Einstiegsdroge
Möglichst viele Stationen in einem Bezirk anfahren und dazu gleichzeitig möglichst viele Bezirke durchfahren? Alleine diese Mischung ist die Einstiegsdroge und ist immer wieder spaßig. Mal beginnst du mit dieser Farbe, mal mit jener. Welche Karte aufgedeckt wird, ist auch zufällig. Die Planung ist dabei aber nicht beliebig, denn du solltest darauf achten, welche Symbole schon gelaufen sind und welche Optionen du dir offenhältst.
Hotspots
Wenn die Streckenplanung die Einstiegsdroge ist, dann sind die Hotspots das Zeug, was dich fertigmacht und wonach du immer gierst. Du willst Hotspots kreieren, fette Stationen an denen deine Einwohner auf die anderen Linien umsteigen können. Ja, gib mir mehr Menschen. Stopfe sie in die Züge und dann: Mind the Gap. Ich will Hotspots mit zwei Umsteigepunkte in den Ecken oder Außenbezirken, weil ich dann Extrapunkte bekomme. Ich will Stationen mit drei oder vier oder fünf Zügen die zusammenkommen. Das gibt bis zu dreißig Extrapunkte. Welche Karte brauche ich dafür? Wo fahre ich hin? Welche Option halte ich mir offen? Oh, ich habe diese Runde verloren? Neue Runde. Noch mal.
Schwierigkeitsgrad
Dem oder der aufmerksamen Brett&Pad Follower:in ist Folgendes aufgefallen. Es wird über vier Runden gespielt, weil vier unterschiedliche Farben im Spiel sind. Der Redakteur meines Vertrauens spricht allerdings im Absatz vorher von einem Knotenpunkt mit fünf Strecken, die zusammenkommen. Waren die frittierten Hühnerfüße schlecht? Ist ihm der Rausch zu Ohren gestiegen? Mitnichten. Next Station: Tokyo greift die Yamanote-Linie in Tokyo auf. Die Eisenbahnstrecke wird von der Bahngesellschaft JR East betrieben und ist eine Ringlinie rund um die Innenstadt. Und ist auch so auf unserem Block abgebildet. Sie macht das Spiel deutlich schwerer und komplexer als Next Station: London und ist ein weiterer genialer Baustein. Warum? Erstens bekomme ich so die Megahotspots erzeugt, zweitens darf ich die Linie nicht kreuzen, drittens habe ich schnell die Möglichkeit, parallel zu fahren und viertens bekomme ich Minuspunkte für jede Station, die ich auf dieser Linie nicht anfahre.
Kritik
Ich persönlich habe ein großes Problem mit den Farben. Ich habe eine leichte Rot-Grün-Sehschwäche und tue mir unwahrscheinlich schwer mit den ausgewählten Farben und Linien. Die Linien für die Bezirke sind in Gelb gehalten und für mich schwer erkennbar. Die Farben Braun und Lila liegen in meinem Sehbereich sehr nah zusammen und sind schwer zu differenzieren. Hier würde ich mir einfach wünschen, wenn solche Spiele für Menschen mit Sehschwächen angepasst und überarbeitet werden und stärkere Kontraste eingesetzt werden. Auch die Tatsache der etwas sperrigen Anleitung ist schwer nachvollziehbar.
Fazit
Next Station: Tokyo ist deutlich schwerer als der Vorgänger Next Station London. Nächstes Jahr soll mit Next Station: Paris eine Variante des beliebten Spiels erscheinen, welches vom Schwierigkeitsgrad am einfachsten ist. Bei Next Station: Tokyo ist der Spielspaß und die Motivation, noch eine Runde zu spielen, brutal. Die Mischung aus Bezirken, Stationen, Yamanote-Linie, Megahotspots und der Erschließung der Randbezirke macht einfach süchtig und ist fordernd. Spielt man es einfach drauf los, ist es eher ein Familienspiel. Schaltet man sein Oberstübchen ein, wird es durchaus ein Kennerspiel. Egal wie man es spielt, man will immer wieder eine neue Runde spielen und so ist es nicht verwunderlich, dass unser Block zur Hälfte weg ist, die Stifte ständig gespitzt werden und der Spitzer fest der Schachtel zugeordnet ist. Für mich das absolut beste Flip & Write Spiel.
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Toller Bericht über das kurzweilige Spiel, macht auf jeden Fall neugierig!
Werde das Spiel dann sicherlich auf Boardgamearena mal antesten, dort konnte schon Next Station Tokyo ganz gut überzeugen. Da aber bisher „Voll Verplant“ schon im Regal steht als kleiner Geheimtipp mit gleichem Thema und ähnlicher Spielweise bin ich noch etwas sketpisch ob es einen Platz im Regal finden wird.
PS: Absoluter Platzhirsch im Flip n Write Genre ist für mich „Welcome to the Moon“, bietet nicht nur eine stimmige Kampagne sondern auch sehr viel abwechslung im Kennerspielbereich und eine kompakte Box voller Material zu fairem Preis.
Hallo Jannis,
ja, ich war selbst total überrascht, aber manchmal hat man ja sowas. Ich habe mir die Umsetzung auf BGA noch nicht angeschaut. Voll verplant und Welcome to the Moon kenne ich leider gar nicht, aber jetzt hast du mich wieder angetriggert. Ich wollte doch vor Weihnachten nichts mehr kaufen…verdammt.
Nein ihr habt nicht alles richtig gemacht.
Auf dem Bild sind mehr als 2 parallele Linien, was ganz klar verboten ist.
Hallo Tom,
Lissy war es…stimmts? Ich werde sie heute züchtigen und strafen und ihr die Wertung auf BG Stats aberkennen. Öffentlich!
Danke für dein sehr feines Auge.
GLG
Hallo Tom Turbo,
herrlich, wenn die Bilder so tief analysiert werden. Ich kann da nur für mich sprechen, aber wenn du bei meinen Artikeln Fehler findest, dann sei dir gesagt, dass ich viele Bilder nicht aus dem Spiel kreiere, sondern oft künstlich herstelle. Das hat damit zu tun, dass ich oft erst beim Schreiben merke, was ich zeigen möchte. Oder ich beim Spielen Fotos mache und später merke, die sind nicht optimal geworden. Beim Schreiben einer Rezension baue ich deswegen für schicke Fotos oft das Spiel noch einmal auf und kreiere gewisse Spielsituationen. Das wurde mir auch schon manchmal zugetragen, dass X,Y,Z so gar nicht sein könnte. Ich fand das immer beeindruckend, wie tief sich manche in die Bilder wühlen.
Liebe Grüße
Christian