Kurzcheck: Darum geht es in Amsterdam
Der Traum von Amsterdam erstreckt sich durch die Grachten über den aufstrebenden Hafen und den Handel, den Amsterdam im ausgehenden 19. Jahrhundert betreibt. Ihr setzt vielfältige Ressourcen ein, kauft euch damit Einfluss in den den verschiedenen Stadtvierteln, erstellt mit Handwerkern eine florierende Engine oder baut zahlreiche Gebäude. Zudem besteht eure Aufgabe darin, in der Stadt hergestellte Waren in die passenden Warenhäuser im Hafen zu liefern oder Dockarbeiter zu ihrem passenden Pier zu bringen. Und auch bei den Waren ist strategisches Planen gefragt. Wer schnell und als Erster liefert, bekommt mehr als die anderen. Amsterdam präsentiert sich als kerniges Eurogame. Da ich Macao nicht im Ansatz kenne und nur Burgen von Burgund ein mir bekannter Feld-Titel ist, gehe ich frisch an den Handel ran.
Amsterdam kleckert nicht
Es klotzt. Im ersten Moment bin ich erschlagen. Von den Mechaniken und Möglichkeiten, die Stefan Feld mir hier präsentiert. Karten, Ressourcen, Ressourcenrad, Waren, Einfluss, Zugreihenfolge, Siegpunkte, Geld, Hafen. Bämm. Das sitzt. Wo fange ich an? Sechs Ressourcen liegen für die Händler in den Lagerhallen bereit. Alle in unterschiedlicher Farbe und – damit es zu keinen Missverständnissen kommt – zusätzlich mit geometrischen Formen versehen, die zudem auf den Karten und auf dem Spielplan auftauchen. Das hilft in den Partien sehr zur Orientierung. Im ersten Moment erschlägt es mich, weil auch die Farben in der Gestaltung teilweise untertauchen. Aber gerade was die Ressourcen in Kombination mit den Karten abfackeln, ist erste Sahne. Bevor wir das aber auflösen, kommen wir kurz zu den Karten.
Kartenzauber
Mithilfe der drei unterschiedlichen Kartenarten baut ihr euch eine fette Engine auf. Wer das nicht versteht, wird in Amsterdam Schiffbruch erleiden. Bezirke ermöglichen es mir, andere Dinge im Spiel zu forcieren, als Handwerker oder Gebäude. Beispiel gefällig? Ich habe in einer Runde sehr früh die Karte Glasblazer gebaut. Immer, wenn ich einen Dockarbeiter erfolgreich abliefere, bekomme ich zweifache Punkte. Das ist mächtig, also fokussiere ich mich darauf, sammle Arbeiter ein, liefere sie am passenden Pier ab und setzte meine Ressourcen überwiegend dafür ein. Denn auch die Bewegung im Hafen kostet. So bekomme ich satte Punkte. Marco, der es zu spät blickt und mir nicht dazwischen funkt, verliert diese Partie. In einer anderen Partie hat wiederum Marco mit der Zentraal Station eine mächtige Synergie mit dem lila Bezirk Niewmarkt und zieht jede Runde Vorteile daraus. Die Karten sind hier der Schlüssel zum Erfolg oder Misserfolg. Ja, richtig. Misserfolg.
Misserfolg
Am Anfang jeder Runde bekommt ihr eine Karte dazu. Ihr müsst eine nehmen. Allerdings habt ihr nur Slots für fünf Karten. Wenn ihr die Kosten für eine Karte bezahlen könnt, dann rutscht diese Karte nach oben, wird aktiv, beschert euch Vorteile und der Slot wird frei. Müsst ihr jedoch eine Karte nehmen und die Slots sind besetzt, hagelt es Minuspunkte. Ebenso für alle Karten, die am Spielende noch im passiven Bereich liegen. Ihr müsst also die Karten mit den begrenzten Ressourcen bauen.
Hinzu kommt die schwierige Auswahl, welche Karten zu meiner Engine überhaupt passen, denn wer auf der Amstel vorne schippert, hat den First-Pick. Eine Tatsache, die Uwe in seiner Erstpartie zum Verhängnis wurde. Er suchte sich aufgrund der Zugreihenfolge seine Karte immer als Letzter aus. So bekam er immer Karten, die nicht zusammen harmonierten und er hatte vier Spots zum Spielende belegt. Minuspunkte? Unfassbar viele und die Laune von Uwe war im Keller.
Auftritt: das Rad
Diese Kartenmechanik und die vielfältigen taktischen Möglichkeiten in Amsterdam zu Punkten zu kommen, reichen schon für ein gutes Spiel aus. Aber nun schiebt sich das Ressourcenrad noch in den Vordergrund und macht Amsterdam zu einem wahren Tulpenmeer an Spielspaß, sofern man diesen Hirnschmalz mag. Am Anfang jeder Runde wird gewürfelt. Der Würfel entspricht der Farbe der Ressourcen. Ich mache das am Beispiel der orangenen Ressource deutlich. Es wird eine Fünf gewürfelt. Ich kann mir jetzt entsprechend fünf orangefarbene Ressourcen nehmen. Sie kommen in mein Ressourcenrad auf die Fünf. Nun wird das Rad eine Position weiter auf die Vier gedreht. Was habe ich jetzt von den orangenen Ressourcen? In dieser Runde nichts, denn ich muss noch vier verdammte Runden warten. Hinzu kommt, dass ich keine Ressourcen aufsparen kann. Alles muss weg, nur eine Ressource kann aufgespart werden. Hier ist einiges an planerischem Geschick und Weitsicht gefordert, denn nur wenn alle Ressourcen passend aus dem Rad rauspurzeln, kann eine Karte gebaut werden. Die richtig guten und mächtigen Karten kosten viele verschiedene Rohstoffe oder viele Rohstoffe einer Farbe. Da dreht sich sowohl das Rad am Spieltisch als auch im Kopf.
Bedingte Interaktion
Als klassisches Eurogame ist Amsterdam jetzt kein Interaktionsmonster, aber gerade mit vier Spielern kommt jede Menge Zündstoff rein. Welche Waren kaufe ich in Amsterdam ein und wie weite ich meinen Einfluss aus? Marco war hier in einer Partie wieder so saustark, ich habe es nicht geblickt und dann war es zu spät, denn Einfluss gleich mächtige Siegpunkte. Das passiert mir beim nächsten Mal nicht mehr. Genauso wie Marco der Fehler mit den Dockarbeitern nicht mehr unterläuft. Damit man jedoch in die Tiefe des Spiels blicken kann, muss man ein paar Partien gespielt haben. Dann erkennt man auch die Interaktion bei den Waren, der Auslieferung dieser und den Karten. Das Drafting wird dann manchmal auch zu einem Hate-Pick. Dazu kommen noch einige kleine Module, die man zum Basisspiel packen kann. Gerade die geheimen Zusatzaufträge bringen eine brutale Dynamik rein und man muss den Gegner hier gut beobachten und belauern. Amsterdam wurde so mit jeder Runde besser.
Downtime
Ganz kurz: Wir sprechen von Stefan Feld und wir sprechen von einem Eurogame. Wer glaubt, er hat hier ein Frameworks vor sich liegen, der täuscht. Entsprechend geht die Downtime bei vier Spielern in die Höhe. Gerade die letzten Züge können dauern, weil man zum Ende hin häufig einige Ressourcen zum Verteilen hat. Die Downtime ist bei vier Spielern schon groß aber sie wird noch größer, wenn man in der Zugreihenfolge auf der Amstel vorne schippert und man innerhalb des Zuges nach hinten durchgereicht wird. Dann hat man schonmal zehn Minuten Zeit, sich nur Amsterdam anzuschauen. Wenn ich dann noch eine Bremse als Mitspieler habe, kann es zäh werden. Dafür ist bei vier Spielern auch einiges in Amsterdam los und das Gerangel um Siegpunkte im vollen Gange. Mit zwei oder drei Spielern ist Amsterdam trotzdem deutlich fluffiger. Auch wenn der Wettkampf auf dem Brett nicht so eng geführt wird, entwickelt sich die Synergie der eigenen Engine zum echten Highlight.
Fazit
Amsterdam ist ein typisches Eurogame von Stefan Feld, welches an der Grenze zum Expertenspiel siedelt. Und das ist gut und spitze. Die Mechaniken um Kartendrafting, Ressourcenbeschaffung, aktiven und passiven Karten, Pickup & Delivery, Gebäuden, Handwerken und Bezirken ist einfach nur stark, liebevoll und unfassbar gut gemacht. Dabei ist Amsterdam und der Handel thematisch treffend und schön eingebunden. Hat man die Überfrachtung an Symbolen und Farben erst mal überstanden und die einzelnen Karten im Glossar nachgeschlagen, eröffnet sich gerade für zwei bis drei Spieler ein Handel der Extraklasse, der durch Zusatzaufträge immer neue Facetten erhält. Amsterdam entwickelt sich so in jeder Partie anders und es macht unfassbar viel Spaß seine Engine immer wieder ins Laufen zu bringen. Die eigene Verbesserung ist genauso groß wie die Lust auf die nächste Partie. Wer Amsterdam nur einmal spielt, wird nie die Tiefe des Spiels erblicken. Bei vier Spielern geht die Downtime allerdings in die Höhe, daher sollte man sich genau überlegen, wer am Tisch sitzt und wer Lust auf dieses gehobenen Kennerspiel hat.
Information: Es wurde die normale Version ohne Deluxe-Upgrade rezensiert.
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