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Roter Teppich ins Verderben. Ein Krimidinner. Wie schreibt man eine Rezension zu einem Whodunit ohne zu spoilern? Wie schreibt man eine Rezension, wenn man an diesem Krimidiner verhindert ist? Man installiert einen Ghostwriter. Hollywoodlike. Ich stelle vor: Michael, bekannt aus diversen Berichten und Spielerunden. Warum ein Krimidinner, wenn sonst nur harte Euros oder brutales Area Control auf dem Tisch kommt? Grund war das Spielewochende in Cochem, zu dem 7 Personen zugesagt haben. Was eignet sich besser als ein Krimidinner? Licht aus, Vorhang auf und Bühne frei…

Kurzcheck: Darum geht es in: Roter Teppich ins Verderben

Roter Teppich ins Verderben spielt 1959 auf dem Filmset von „Der Legionär der mich liebte“. Kennt ihr nicht? Ein Blockbuster! Der Hauptdarsteller wurde ermordet und in bester Agatha Christie Manier versuchen alle, den Fall selbst zu lösen, um der Polizei den Schuldigen präsentieren zu können. Bei den Charakteren – vier Frauen, vier Männer – handelt es sich um die junge Hauptdarstellerin, eine alternde Diva in einer Nebenrolle, eine Kostümbildnerin und eine Praktikantin sowie das Körperdouble des Hauptdarstellers, den Bodyguard des Hauptdarstellers, den Regisseur und einen Statisten.

Der Mordfall ist serviert. Jeder übernimmt die Rolle eines Verdächtigen und wir versuchen gemeinsam, den Schuldigen unter den Teilnehmern zu ermitteln. Außer dem Täter, der will natürlich ungeschoren davonkommen. Für jeden Mitspieler gibt es ein eigenes Booklet: Wer bist du? Wie stehst du zu den anderen? Was ist dein persönliches Ziel? Hilfe für alle, damit Gespräche und Immersion in Gang kommt.

Der Vorhang geht auf. Welcome to…. Deko hilft ein gewisses Flair zu zaubern.

Storytelling

Die Informationen sind dabei in Kapitel aufgeteilt. Ereignisse in der Zeit vor, während und nach dem Verbrechen aus der Sicht des jeweiligen Charakters. Könnt ihr so den Fall lösen? Die Pausen zwischen den Kapiteln dienen geschickt zur Auflockerung und lassen Zeit zum Dinnerteil des Krimidinners. Niemand verhört gerne kauende Verdächtige. Der Spaß beginnt dabei schon am Nachmittag. Sieben Jungs, die ein Dinner vorbereiten. Das kauft man mit ein. Die Pausen kreieren zudem einen Spannungsbogen, da die neuen Informationen häppchenweise (Wortspiel Deluxe) serviert werden. Das Material in der Box ist spitze und atmet den Hauch des Schwarz-Weiß-Films der 50er/60er. Der Spielleiter kann auch teilnehmen, das ist organisatorisch sauber gelöst. Alles Infos sind sauber in Umschlägen verpackt und können stilecht als Einladungskarten in Form von Premierentickets versendet werden.

Gutes Material & ein Hauch von Hollywood.

Die Uraufführung

Der Cast ist männlich. Wir haben es knallhart durchgezogen und die Rollen wie vorgesehen gespielt. Wie sich später herausstellte, hätte die eine oder andere Umdichtung ein ziemliches Loch in die Story gerissen. Alle haben bereits Rollenspielerfahrung und sind damit bestens geeignet und der Abend kam recht zügig in Gang. Kostümierung ist empfohlen, war vorhanden und hebt die Stimmung. Das muss man wissen. Je mehr im Vorfeld in Atmosphäre und Accessoires investiert wird, desto höher das Eintauchen. Nach der klassischen Eröffnungszene, bei der sich alle Charaktere versammeln und die aktuelle Situation kurz zusammengefasst wurde, verteilten sich die Mitspieler relativ zügig im Raum, um Vier-Augen-Gespräche zu führen.

Marlene Berger & Frank Farmer

Heimlich & Co.

Mit Engelszungen versuche ich Informationen von den anderen zu bekommen. Gleichzeitig versuche ich zu verschleiern und meine Informationen geschickt wie warme Semmeln an den Mann zu bringen. Wer da keine Lust drauf hat, ist hier falsch. Die Infos aus den Umschlägen schüren das Misstrauen und erzeugen neue Verdachtsmomente. Wer war es? Steht in Runde eins noch Marco alias Bob Millmann im Fokus, liegt der Brennpunkt mit einer geleakten Info wenige Sekunden später auf mir. Aber ich bin doch unschuldig? Oder nicht? Dabei entstehen so geile Momente. WTF? Was will Anti Stanley Hawks von mir? Ist das Info oder ist der gerade nur seltsam?

Warum habe ich Spartakus im Kopf?

Herausfordern oder schwierig?

Schwierig und unsauber ist teilweise die Weitergabe der Informationen gestaltet. Diese sind im Booklet jeweils einer Uhrzeit zugeordnet und mit einem Header versehen. Eben Regieanweisung für die entsprechende Situation. In den jeweiligen Abschnitten passiert aber recht viel. Charaktere kommen und gehen, man hört und sieht dies. Ein reges Treiben am Set. Da jedes Kapitel ca. eineinhalb Stunden der Ereignisse umfasst, ist es schwierig, sich alles zu merken. Wie löst man das? Vorbereitungszeit zum Beginn einer Szene? Notizen? Auswendiglernen? Das geht zulasten der Atmosphäre, kann aber nicht vorbereitet werden. Wir haben es laufen lassen, was dazu führte, dass wir häufiger in Gesprächen beieinanderstanden, die Köpfe in unsere Charakterbooklets versenkt.  „Mit wem hast du dich um 15:30 unterhalten?“ „Wen hast du um 12:45 auf dem Flur gesehen?“ Nicht so elegant.

Nur ein Teil des Buffets! Und das an einem Filmset!

Selbst gestellte Hürde und Fallstricke

Wie sich später herausgestellt hat, war unsere größte Hürde zudem selbst gemacht:  Der Anspruch des stringenten Rollenspiels. Warum sollte ich eine Information preisgeben, die meinen Charakter belastet? Richtig, sollte ich nicht. Als mein Alter Ego. Allerdings können nur Informationen, die ich über meinen Charakter preisgegeben habe, auch später durch Indizien widerlegt werden. Daher ist es im Sinne der Auflösung des Kriminalfalles notwendig, auch Dinge zu verraten, die meinen Charakter in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Das Skript erhellt dann die Gesamtsituation. Schwächen waren auch im Storytelling vorhanden und mindern das Erlebnis. Weil es ihr nicht gut geht, die junge Hauptdarstellerin Lissi Taylor aufgefordert, in ihren Trailer zu gehen und Achtsamkeitsübungen zu machen. In den 50er? Never Ever! Die hätte da bei Stress eher gesoffen, geraucht oder gekokst.

Was von uns zudem zu wenig genutzt wurde, war der Spielplan. Er ist unerlässlich, um zumindest einige Verdächtige ausschließen zu können. Was noch zu erwähnen ist: Der/Die Schuldige oder waren es gar mehrere (?), konnte/n entkommen. Dank unserer oskarreifen Darstellung sind wir dann doch eher an der Selbstdarstellung interessiert, als an der Welt, die uns umgeben hat.

Die Filmwertung

Rotten Tomatoes sagt: Die Rezeption in unserer Runde war durchwachsen. Warum? Wir alle spielen eher Heavy Euros, Area Controll, wenig Deduktion und wenig Kooperation. Wir lieben Regeln, Engines, Taktieren, Ressorcen und Grenzen. Wer kennt sie nicht? Die Diskussionen „In der Spielregel steht aber kann, nicht muss!“ Da kann das Spiel nichts für.
Roter Teppich ins Verderben ist dann doch eher ein freies Rollenspiel/Improvisationstheater. Der Nachteil, dass man keinen Spielleiter hat, der die Ereignisse ein wenig lenkt und gelegentlich unterstützend eingreift, wird durch den Vorteil aufgewogen, dass jeder, selbst der Veranstalter des Krimidinners, Teilnehmer sein kann. Die Charakterbooklets und Einladungen können entweder per Post oder als PDF verschickt werden, ohne dass der Veranstalter sie kennt und ermöglichen so, dass ALLE Beteiligten Teil der Handlung sein können. Das ist stark und genau das, was man von einem Krimidinner erwartet.
Ein Krimidinner muss Gespräche in jeder Gruppe sofort in Gang bekommen. Die Charaktere von Roter Teppich ins Verderben sind hier so herrlich überzeichnet, dass man schnell Kontakt zueinanderfindet. Ich hatte bei den geilen Beschreibungen streckenweise sofort einen Prominenten vor Augen. Die persönlichen Ziele fördern die Interaktion zudem sehr stark. Ein absolutes Plus.

Cherchez la femme? War sie es? Oder warum zeigt der Finger so deutlich?

Fazit

Es ist unser erstes Krimidinner. Die Intention des Spiels ist eher als Gruppe am Tisch zu spielen, die Dinnerpausen inbegriffen. Für die Lösung des Falles ist das durchaus förderlich, der Spielspaß entsteht aber durch das Rumgelaufe, das Getuschel und natürlich die äußerst unterhaltsame Selbstdarstellung jedes Einzelnen. Über Täter:in und Motiv kann man streiten und das haben wir, zumindest teilweise. Das Erlebnis dieses Krimidinners steht und fällt mit der Bereitschaft der Beteiligten zur Immersion. Je mehr die Mitspieler ihre Rollen ausspielen, desto lebendiger wird das Spielerlebnis für alle. Stichwort „Methode Acting“; und ich bin soooo dankbar, dass Roter Teppich ins Verderben einen Hollywoodhintergrund hat.

Es gab in unserer Runde durchaus den ein oder anderen Kritikpunkt an Roter Teppich ins Verderben. Was man allerdings nicht vergessen darf. Die Ausweisung auf der Spielschachtel ist nicht „Kenner“ oder „Experte“. Sie ist „Fun“. Und auf der Basis kann ich nur sagen, dass ich viel Spaß hatte. Roter Teppich ins Verderben kündigt auf der Spielschachtel 3-4 Stunden Spaß an. Wenn man die nachfolgenden Diskussionen mit einrechnet, hat uns der Krimi allerdings auch am Folgetag noch beschäftigt. Hier ist Preis/ Leistung top. Man muss kein Vielspieler sein, keine Rollenspielerfahrung haben oder großartig Regeln lernen. Einfach ein paar Freunde, die sich auf die Story einlassen, über Schwächen hinwegsehen, gutes Essen, Kostüme und schon kann der Abend glamourös werden. Abspann.

Credits:

Danke an Michael für seine Schilderung von Roter Teppich ins Verderben. Wir danken zudem Marco, Michael, Uwe, Anti, Lars, Till & Markus für das Experiment Krimi Diner. Ein Dank geht auch an alle Freunde und Bekannten und zuletzt unseren Familien. Ein großes Dankeschön auch an die Academy.

Roter Teppich ins Verderben
Spielinformationen
Genre: Krimidinner | Personen: 6 - 8 | Alter: 16+ | Dauer: 180 - 240 min | Autor: Lukas Setzke, Martin Student, Verena Wiechens | Illustration: Jens Bringmann Valentin Kopetzki | Rezenssionsexemplar erhalten
MATERIAL
8.5
SPIELIDEE
7.5
SPIELSPASS
8
Positive Aspekte
Gutes Material
Schneller Einstieg
Story mit Twist und kleinen Schwächen
Spielleiter kann Mitspielen
Viele Infos für die Spieler
Lebt von den Spielern
Negative Aspekte
Storytelling könnte etwas runder sein
Viele Infos für die Spieler - kann überfrachten
8
Redakteur bei Brett & Pad | + Letzte Artikel

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