Kurzcheck: Darum geht es in Phraya
Auf den Flussarmen des Chao Phraya wimmelt es von Händlern, die auf ihren Booten von Stand zu Stand ziehen. Phraya ist dabei klassisches Pick & Deliver mit ein paar schicken Elementen garniert. So entscheidet ihr über Handkarten, welche Aktion ihr ausführt. Ausgehend von einer Starthand, dürft ihr natürlich vom Marktstand verbesserte oder zusätzliche Karten kaufen. Ausgespielte Karten stehen erstmal nicht zur Verfügung und kommen erst über eine bestimmte gespielte Handkarte zurück auf die Hand. Auf dem Spielbrett schippert ihr thematisch mit eurem Boot verschiedene Marktstände an, um Gemüse- und Obstsorten einzukaufen, diese an Restaurants zu beliefern, Marktstände zu bauen, euer Boot aufzuleveln oder im Tempel aufzusteigen. Mit euch auf den Flussarmen befindet sich die Königliche Barke, die Wege blockiert, aber gleichzeitig auch Boni ausschüttet. Auch die Barke wird von den Spielern kontrolliert, also sind dadurch auch Elemente des Area Control vorhanden. Der Kauf und Verkauf von Waren wird dynamisch geregelt. Die Preise hierfür werden nämlich von den Spielern beeinflusst. Sind zwei von drei Siegbedingungen erfüllt, endet das Spiel.
Auf dem Tisch
Sonntag Abend: Prime Time. Leckeres rotes Thai-Curry animierte mich, Phraya auf den Tisch zu bringen. Ach herrlich, ich bin so leicht zu beeinflussen. Bin ich wirklich. Bei Aldi oder Edeka muss nur ein neues Produkt oder Werbung geschickt platziert sein und schwupp landet es bei mir im Einkaufswagen. Da machen die Verkaufspsychologen alles richtig. Aber ich schweife ab. Zurück zur Phraya und der Prime Time. Ich baue das Spiel auf, Kati kennt die Regeln. Lissy möchte mitspielen. Hannah verkrümelt sich lieber auf ihr Zimmer und möchte telefonieren. Ich denke mit ihrem Freund. Whatever, Teenager halt. Phraya sieht auf dem Tisch schön aus. Farbenfroh. Die Schiffe und die königliche Barke haben zudem eine tolle Haptik mit einem starken Aufforderungscharakter. Das sieht man daran, dass Lissy sofort bei der Erklärung entsprechend die Boote bewegt und die Regeln plakativ darstellt.
„Und was bedeuten die ganzen Symbole?“,
fragt Lissy, nachdem ich das Spiel und die einfachen Regeln erklärt habe. Hier wird eines deutlich. Phraya erschlägt mit der Vielzahl an Symbolen im ersten Moment. Im Spiel selber merkt man nach zwei bis drei Spielrunden wenig davon. So kommen wir zu dritt schnell in ein schönes Spiel. Es wird gehandelt, Preise hochgesetzt, die königliche Barke bewegt, Opfer im Tempel dargeboten und und und. Lissy spielt munter mit und fängt irgendwann an zu gähnen. Ich schaue auf die Uhr und bin erschrocken. Wir spielen schon 75 Minuten plus die Erklärung. Das überrascht mich, denn erstens spielt sich Phraya fluffig und zweitens habe ich nicht das Gefühl, irgendetwas Weltbewegendes an Engine aufzubauen. Eigentlich fühlt sich jeder Zug gleich an. Ich schaue, was ich machen kann, wo meine Position ist, was ich vielleicht günstig einkaufen oder teuer verkaufen kann. Wo welche Optionen und Möglichkeiten sind und was ich vielleicht im nächsten Zug mit welcher Handkarte ausführen möchte. Und da sich auf dem Spielbrett immer viel tut, warte ich damit, bis ich dran bin.
Zwischenfazit
Nachdem wir nach zwei Stunden zum Ende gekommen sind und einen netten Abend mit Phraya hatten, frage ich Lissy was sie vom Spiel hält. Der Vorteil von Kindern, die in einem Brettspielhaushalt groß werden, ist unbezahlbar. Kritisches Feedback und ehrliche Meinung. „Es hat Spaß gemacht, besonders mit den Schiffen zu fahren und die königliche Barke zu bewegen. Und ich fand cool, dass man Waren kaufen und verkaufen konnten und immer schauen musste, wie viel Geld man hat. Aber das mit den Tempeln und dann noch die Blumen und die Joker, das war mir etwas zu viel.” Ein Resümee, was meinem ersten Gefühl bei dem zweiten Durchlauf von Phraya irgendwie entsprach. „Dann können wir es ja morgen noch mal testen“, schlug ich Lissy auf dem Weg ins Bett vor. „Ne Papa, lass mal. Spiel Phraya lieber mit Mama. Oder wir spielen Old London Bridge oder Terraforming Mars“.
Die kleine Runde
Für ein Urteil zu fällen musste Kati und die kleine Runden ran. Kati war semi begeistert. Marco, Uwe und Michael ebenfalls. „Hatten wir das nicht schon mal auf dem Tisch?“ Ich erklärte also die Genese von Phraya und warum wir es wieder spielen. Was soll ich sagen? Die Begeisterung hielt sich vor und nach dem Spielen in Grenzen. Aber eins war gleich zu der Partie mit Lissy. Wieder waren zwei Stunden um, wieder fühlte es sich irgendwie voller Möglichkeiten und doch irgendwie belanglos an. Und wieder stürmte nach dem Spiel keiner nach vorne und klatschte Beifall. Und wieder waren die Kommentare zu ähnlich: Warum noch die Blumen? Die Tempelaufstiege sind irgendwie beliebig. Die Verzahnung ist groß und trotzdem kann man nichts Richtiges aufbauen. Aufgeblähtes Pick & Deliver. Kommt es wieder auf den Tisch? Ich fürchte Nein.
Fazit
Phraya ist ein schönes Spiel, was auf dem Tisch gut aussieht. Es hat einen haptischen Charakter mit einem hohen Aufforderungswert. Top. Die Regeln sind einfach und das Spiel ist trotz der teilweise unübersichtlichen Symbole relativ schnell erklärt. Zudem sind in dem Spiel viele Elemente eingeflossen. Pick & Deliver, Area Control, Handkartenmanagement, Interaktion, variable Preise und Steuerung der Siegendbedingungen. Hört sich nach einem tollen Spiel an. Ja. Definitiv. Aber es spielt sich eher belanglos. Ich habe bestimmt schon sechs Partien gespielt und keine hat mich richtig gepackt oder gelangweilt. Man macht und tut, hat aber nie das Gefühl, dass man irgendwas von Wert macht oder plant. Und das finde ich bei all dem Positiven, was ich beschrieben habe, doch bemerkenswert.
Alle Elemente sind eigentlich sauber, gut und auch sinnvoll ins Spiel integriert. Und trotzdem kommt wenig Spielspaß auf. Man spielt es irgendwie runter. Es tut dabei nicht weh. Aber niemand will danach eine weitere Partie Phraya spielen. Vor allem, weil die Spielzeit dafür echt zu lang ist. Lissy entscheidet sich eher für Old London Bridge oder für Terraforming Mars. Das sagt alles. In der kleinen Runde kommt es nie wieder auf den Tisch. Es fühlt sich irgendwie wie ein Familienspiel an, ist aber für mich ein Kennerspiel. Seltsam.
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- 21. November 2024
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Moin Markus,
danke dir für die Rezension. Ich war auch angefüttert von der Aufmachung. Aber als ich mir das Spiel 22 angeschaut hatte, hab ich mich auch gefragt, ob es wirklich etwas kann. Dein Artikel passt also gut in meinen Ersteindruck und es fliegt nun von der Liste. 7,2 wirkt etwas großzügig für eigentlich kommt es bei keinem mehr auf den Tisch.
Hast du Wormholes schon gespielt (muss gleich mal auf eurer Seite suchen). Besser?
Hallo Horst,
es ist eigentlich genauso wie du geschrieben hast. Die Aufmachung ist toll. Der Spielspaß so semi, daher ist der auch etwas unter der 7 gelandet. Solche Spiele wie Phraya haben es brutal schwer. Die Spielzeit ist lang. 90 Minuten. Und dann wäge ich schon ab. Welches Spiel macht zu dritt in der Familie mehr Spaß in 90 Minuten? Marco Polo II! Oder ich spiele zwei Runden Old London Bridge. So geht es mir aktuell bei vielen Spielen. Man wägt ab, schaut in sein prall gefülltes Regal und möchte auch dem Leser eine gute Entscheidung geben. Das alles fließt mit ein und mündet in der 6.9 beim Spielspaß und dem dazugehörigen Text. Oder umgekehrt. Christian erwähnt es häufig, dass die „Note“ am Ende immer schwierig ist. Gutes Material verwässert und hebt in diesem Fall ein wenig die Gesamtnote. Aber auch das Material oder die Idee will bewertet werden. Deswegen versuchen ich auch immer im Text eine Einsschatzung zu geben, warum es bei mir rausfliegt oder warum ich gehyped bin. Ich hoffe, dass macht alles verständlicher.
Wormholes sagt mir persönlich nichts, ich weiß auch nicht, ob Christian davon schonmal was erzählt hat.
Liebe Grüße