How I met
Dass Christian Tsukuyumi liebt, ist nichts Neues. Meine Spielgruppe feiert es auch ultrahart. Aber bevor Tsukuyumi meine Area-Control Träume beflügelte, lud mich Christian für eine Testspielpartie EOS – Islands of Angels ein. Irgendein Autor, der auch Tsukuyumi gemacht hat, möchte ein Feedback zu seinem neuen Kickstarter. Nun ja, ich bin nicht wählerisch. Ich nehme, was kommt. Und so habe ich eine Partie EOS mit Lizandros und Christian gezockt. So weit, so gut. Aber wo war Felix? Das Spiel war toll, Lizandros, ein Mitarbeiter von King Racoon Games mit Begeisterung und Impressionen zu EOS am Start. Er erzählte viel über das Spiel, die Idee von Felix dahinter und den unzähligen Testpartien. First Contakt, aber noch in abgespeckter Form. Es war ein lustiger Abend und die Begeisterung fürs Spiel schwappte auf mich über, aber auch das Bewusstsein, wie viel Arbeit und Liebe dahinter steckt.
Als mir der Prototyp zu EOS zugeschickt wurde, war ich mir dieser Verantwortung durchaus bewusst. Das Spiel gefiel mir, jetzt musste ich nur meine Spielgruppe begeistern. Oder war das Spiel doch nicht der Burner? In Kurzform: Meine Gruppe liebte das Spiel sofort, hatte jedoch ein paar kritische Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge. Und Felix Mertikat? Der tauchte nun auf der Bildfläche persönlich auf. Erfolgsautor und Entwickler, der über 100 Partien EOS gespielt hatte und kurz vorm Kickstarter war, nahm unsere Vorschläge ernst, ging in Revision und fügte sie ein. Hammer. Wer ist also dieser Felix Mertikat?
Vita Felix Mertikat
Googelt man Felix, dann hat der erste Treffer keinen Bezug zu Brettspielen, sondern man findet Zeichnungen und Bücher. Felix wurde 1983 in Esslingen bei Stuttgart geboren und hat nach dem Abitur Biologie studiert. Wie er da aber ein einjähriges Praktikum in einer Werbeagentur ergattert hat, muss er mir erklären. Er versuchte sich an der Filmakademie und hat während des Studiums als Illustrator für verschiedene Projekte und Verlage gezeichnet (Call of Cthulhu, Shadowrun, DSA, Snickers, etc.).
2008 erschien sein eigenes Rollenspiel: Opus Anima. Für sein Comic-Debüt Jakob wurde er, zusammen mit Co-Autor Benjamin Schreuder, mit dem Sondermann-Preis der Frankfurter Buchmesse in der Kategorie „Bester Newcomer 2010“ prämiert. Fun Fact: Benjamin Schreuder hat in Trier studiert. Wie klein doch die Welt ist. Seit Oktober 2011 erscheint seine zweite große Arbeit, die ungleich fulminanter und epischer ausfällt als der gefeierte Erstling: die Steampunk-Saga Steam Noir – Das Kupferherz. Nur: wo finde ich denn was über die Spiele?
Ich höre mir also Interviews und Podcasts über Felix an. Seine sympathische Art und die Interaktion fällt direkt auf. In fast allen Interviews stellt Felix Fragen, er ist am Gegenüber und deren Interpretation seiner Werke interessiert. Logisch, dass es ihm also trotz der Vielzahl an Stunden an EOS gelingt, Rückmeldungen der Spielers – sofern sinnvoll und für das Spiel relevant – einzubauen.
Felix Mertikat hat als Kind Die Siedler von Catan gespielt. Man kann diesem Spiel und Klaus Teuber gar nicht genug danken, was er alles für die Spielkultur geleistet hat. Ausgehend davon waren es Rollenspiele und nach seinen sehr erfolgreichen Comics verknüpfte Felix Einflüsse der japanischen Popkultur mit seinen Vorstellungen und dem Wunsch der Asymmetrie. Die Asymmetrie als Handlungsrahmen für den Spieler. Anhand des Werdegangs nur passend, dass dabei auch der Begleitcomic Tsukuyumi – Full Moon Down entsteht, bei dem unterschiedliche Autoren ihre Sichtweise auf den Handlungsrahmen präsentieren und Felix diese interpretiert und zeichnet.
On the Road
Soweit ein paar Infos im Vorfeld. Und jetzt sitzen wir hier im Auto von Trier nach Ludwigsburg, kurz vor Stuttgart. Drei Brettspielfreunde mit unterschiedlichen Interessen. Uwe, dem Tsukuyumi gehört, hatte ich sofort mit „die stellen neue Fraktionen vor“. Klar, beim Kickstarter hat Felix schon die Pandas beigesteuert. Aber auch damals waren ganze 18 Fraktionen geplant. Wie viele er jetzt wohl in der Hinterhand hat? Ich freue mich auf den Menschen, das Gespräch und auf EOS, zu dem ich auch ein paar Fragen habe. Und Marco? Der fährt einfach mit, weil er einen coolen Tag mit seinen Besties haben will. Ich bin sehr gespannt, wie er den Trip empfindet.
KingRaCon Days
Was es auf der KingRaCon zu sehen gab, davon mehr in einem späteren Artikel. Die Atmosphäre war urgemütlich und es war ein tolles Event mit klasse Gastgebern. So war auch mein erster Kontakt mit Felix. Er saß an einem Tisch und erklärte interessierten Zuhörern eines seiner neuesten Projekte. Resonanz. Ohne wirklich viel von dem Spiel zu kennen, spürt man die Begeisterung seiner Worte. Gestik, Mimik und Interaktion, er versprüht vor den Spielern Spaß. Als er unsere Gruppe wahrnimmt, schenkt er uns kurz seine Aufmerksamkeit, moderiert, begrüßt und wirkt damit sehr einladend, ohne seine Gruppe am Tisch zu vernachlässigen. Dieses Kompliment kann man übrigens an alle anwesenden Racoons weitergeben. Sie sind Gastgeber, sie bringen Leute zusammen, erklären Spiele, während man sie spielt, um so dem Spieler am Tisch einen eleganten Zugang und ein tolles Erlebnis zu ermöglichen.
Felix Mertikat in Echt
Tsukuyumi mit seinen neuen Fraktionen ist ein echtes Highlight, zumal Felix die thematische Einleitung am Tisch gibt. Wieder erzählt er mit leuchtenden Augen, was die Intention der Sister of Seven ist, wie ihre Hintergrundgeschichte ist und wie sie mit anderen Fraktionen am Tisch interagieren oder eben nicht. Wir verabreden uns nach dem Spiel zum Gespräch auf der Couch. Geplant war ein Zeitfenster von 20 Minuten. Wir sitzen fast eine Stunde zusammen. Es ist kein Interview, es ist ein Gespräch. Was ist die Quintessenz?
Aussagen wie: „Die Idee ist in meinem Kopf und sie will raus“ oder „Das nächste Projekt wird episch“ beeindrucken und machen unglaublich Lust auf mehr. Auch, weil wir anschließend eine Viertelstunde über den Begriff „episch“ in Spielen fachsimpeln und man so von einem Thema zum Nächsten schwingt. Felix sucht, lebt und findet die Zusammenarbeit mit ausgewählten und wertschätzenden Menschen, ist getrieben von seinen Ideen. Verzettelt er sich dabei in seinen Projekten? Werden die Ideen, wie im Fall Tsukuyumi zu groß? Vielleicht. Die Gefahr ist da. Aber die Racoons scheinen ein Team zu sein, das zusammenhält und auch Ideen kanalisiert. Wir reden über Kickstarter, EOS, meine Spielvorlieben, Zufall in Spielen, über Geld und seine Frau. Privat ist Felix Konsument. „Jeder Kreative benötigt zu Hause Halt, Zerstreuung und Unterstützung“. Bekommt er. „Geht auch nicht anders“ und auch dabei strahlt er.
Ausklang
Felix Mertikat, Racoon Games und Tsukuyumi gehören zusammen. Felix ist ein Spieledesigner und King Racoon Games ein Verlag. Tsukuyumi ein tolles internationales Spiel. Wer alles auf diesen Nenner runter bricht, macht es sich zu einfach. Dieser kleine Verlag beeindruckt mich als Blogger durch seine Herangehensweise an das Kulturgut Brettspiele. Felix überzeugt in seiner ganzheitlichen Kreativität als Künstler, da ist nicht nur eine Ader, es ist eher multi-perspektivisch. Und dabei ist er freundlich, lustig, begeisternd. Und keinen Zentimeter abgehoben. Warum auch? Er will ja mit den Spielen die Spieler begeistern und nicht sich selbst huldigen. Hoffentlich bleibt die Branche lange für solche Menschen interessant und rentabel.
„Es war total geil, dass ihr aus Trier den weiten Weg genommen habt!“, lautet die Verabschiedung, als wir uns um 20 Uhr nach einem langen Tag verabschieden. Bierchen in der Hand, draußen in der Sonne. „Wenn ihr in Essen seid, kommt unbedingt bei uns vorbei!“ Sagt er. Und meint es auch. Ich komme. Jeder, der in Essen ist, sollte das tun und schauen, ob ihr meinen Eindruck teilt. „Wir hätten auch zwei Stunden im Café sitzen können und über andere Dinge sprechen können!“ Ja, auch das ist richtig, aber Spiele sind das beste Thema. Ein schöner Tag. Meine Jungs sind im Auto glücklich. Was will man mehr?
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