Kurzcheck: Darum geht es in Bitoku
Jedes Ende ist auch ein Neuanfang. So ist der Große Geist kurz vor seinem letzten Schritt und welcher neue Geist wird sich der vielfältigen Aufgaben im Wald am würdigsten erweisen, um seine Nachfolge zu übernehmen? Das ist das Grundgerüst von Bitoku. Normalerweise schreibe ich hier immer etwas über die Mechanik. Ok. Ihr nutzt Handkarten Yōkais, um Aktionen auszulösen und Würfel zu aktivieren. Die Würfel setzt ihr mit Zahlenwerten an unterschiedlichen Orten ein, um diese Aktion zu auszuführen. Die Orte sind dabei in Spalten angeordnet. Aktiviert ihr mit dem Würfel einem Ort, könnt ihr diesen noch schieben, um eine erweiterte Ortsaktion auszuführen. Vier Runden, dann Spielende. Das ist euch zu wenig Information? Ok, ich gebe mir weiter Mühe.
Aufbau
Kommen wir zurück zu Stefan Feld^3. Der Aufbau zeigt, was in Bitoku steckt. Viele unterschiedliche Plättchen und Marker sind zu verteilen. Marc erklärt uns das Spiel und wartet mit allerlei Fachsprache auf. Die Bitoku Karten links, die Yōkai Karten rechts. Die Gebäude verteilen, Iwakura auf ihren Platz, die Visionskarten verteilen. Dazu Mitama– und Libellenplättchen, Kristallplättchen, Torplättchen, Pilgermarker, Jade, Saké, Holz, Stein, Amulette puhh….Ich bin überfordert und überfrachtet. Dazu alles in einem stimmigen grün gehalten. Der Kopf raucht, bevor es losgeht.
Mechanisches Meisterstück
Vom ersten Moment hat mich bei Bitoku die Spielmechanik gepackt. Ihr habt einen Standardsatz von Yōkai-Karten, die unterschiedliche Fähigkeiten haben und ausgespielt werden können. Logisch, dass ihr im Spiel auch noch bessere Karten erwerben könnt. Ach ja, und ihr könnt die Karten abwerfen, um mächtige Punkte bei einer Zwischenwertung zu generieren. Und es gibt noch unterschiedliche Yōkai Geister, die ihr auch für Siegpunkte sammeln könnt. Aber das nur am Rande. Wichtig ist, dass eine ausgespielte Karte auf eurem Playerboard einen Würfel freischaltet. Den Würfel könnt ihr dann an einem Ort einsetzen. Hier zeigt Bitoku ein wahres Timing-Fest. Spiele ich erst meine drei Karten aus und aktiviere so alle drei verfügbaren Würfel? Oder spiele ich zuerst eine Karte und setzte in meinem nächsten Zug direkt den Würfel ein?
Interaktion
Die Einsatzorte für die Würfel und deren Timing ist essenziell. Ich sehe den Glanz in Marcs Augen. Ich kenne seine Strategie, aber ich bin vor ihm dran. Ich erhöhe meinen Würfel auf fünf und setze ihn ein. Noch ist nichts passiert, aber ich sehe das kurze Flackern in Marcs Augen. Möchte er ebenfalls einen Würfel einsetzten, benötigt er auch eine Fünf. Das ist teuer. Mit dem nächsten Move hat er nicht gerechnet. Ich wiederhole die Aktion mit meinem zweiten Würfel. Jetzt weicht alles Leben aus seinen Augen. Der Große Geist verlässt ihn. Meine Taktik geht voll auf, ich nutze an diesem Ort die erweiterten Aktionen und sichere mir wichtige Karten. Nachher wird Marc lange von diesem Moment berichten, als ich seinen Plan in dieser einen Runde zerstört habe.
Timing & Gefühl
Das Einsetzten der Würfel fühlt sich wie bei Marco Polo an, das Hochschieben der Würfel erinnert ein wenig an Wildes Weltall, weil man sich vorher überlegen muss, welchen Ort man auswählt. Das Spiel mit den Ziffern der Würfel ist unfassbar elegant und motivierend, das Timing und die Strategie bei Bitoku fantastisch. Mein Spiel in der beschriebenen Sequenz war nur möglich, weil ich eine Runde vorher auf eine erweiterte Aktion verzichtet habe und mir einen vorderen Platz in der Zugreihenfolge gesichert habe. Auch ein sehr feines Element. Die Auslagen der Plättchen in einer Runde werden nicht aufgefüllt. Was in einer Runde weg ist, bleibt weg. Ein weiterer Beleg für die Wichtigkeit des richtigen Zeitpunkts von Aktionen. Und es gibt günstige Plättchen, mächtige Plättchen, Plättchen mit Symbolen, die ich benötige und vieles mehr. Ja, leider ist das so.
Zu viel
Vielleicht gibt es Menschen, die sich ob der Vielfalt an Möglichkeiten in Bitoku erfreuen. Ich finde es einen entscheidenden Hauch zu viel. Es gibt den Pilgerweg, es gibt Zwischenwertung, es gibt End of Game Wertung, dazu Yōkai-Karten,und Visionskarten. Auf eurem Playertableau könnt ihr Gebäude freischalten, diese Platzieren und Siegpunkte freischalten. Oder ihr könnt zusätzliche Pilger freischalten. Diese könnt ihr entweder auf eurem Playerboard einsetzen und Plättchen für Set-Kollektion sammeln oder ihr lasst sie auf dem Hauptspielbrett für Siegpunkte wandern. Jeder Ort auf dem Spielbrett hat eine eigene Wertung für den, der am weitesten vorne ist. Dazu jongliert ihr mit vier unterschiedliche Ressourcen. Ach ja, pilgern könnt ihr nur, wenn ihr Bitoku-Karten habt, die euch ermöglichen Brücken, zu überqueren. Für wertvolle Aktionen müsst ihr Mitama– und Libellenplättchen verbinden und dabei noch euer Timing und das der Mitspieler beachten.
Wer ist der Sieger?
Uwe peitscht nach vorne. Ihr wisst es, ich weiß es, jeder am Tisch weiß es. Diese Art der Spiele ist die Kernkompetenz von Uwe. Er marschiert auf dem Pilgerweg nach vorne und sahnt eine Belohnung und einen Sack voll Siegpunkte ein. Marco spielt völlig anders. Der Pilgerweg ist nicht sein Ziel, er setzt seine Pilger lieber auf seinem Tableau ein. Er betreibt Set-Kollektion und versucht durch Multiplikatoren seine Siegpunkte zum Spielende zu mehren. Uwe sieht Marcos Plan und durchkreuzt ihn, indem er sich in der Zugreihenfolge in Runde zwei nach vorne setzt und Marco in Runde drei die entscheidenden Plättchen wegschnappt. „Zufall!“, sagt Uwe in der Nachbetrachtung der Partie. „Ich wusste garnicht, was du machst. Da hat einfach zu viel rumgelegen.“ Wer gewonnen hat, ist nicht genau vorhersehbar und oft am Ende eine Riesenüberraschung.
Fazit
Die Einstiegshürde bei Bitoku ist hart, es wird in der zweiten und dritten Partie geringfügig besser. Die japanische Mythologie und Begrifflichkeiten machen mir das Spiel schwer zugänglich. Hervorragend gelöst ist das Spielen der Handkarten und das Einsetzen der Würfel. Das habe ich kaum in Spielen eleganter und schöner gesehen. Dazu habe ich pro Zug eine Aktion. In der Summe ergibt dies eine geringe Downtime und eine notwendige Interaktion, weil die Orte auf dem Spielbrett begrenzt und begehrt sind. Bitoku glänzt mit einer Vielzahl an Plättchen und Möglichkeiten, überfordert damit aber gewaltig. Ich spiele gerne Heavy Euros, aber hier sind mit tatsächlich zwei-drei Sachen zu viel auf dem Brett. Man verliert einfach das Gefühl für die Wertung und die Taktik. Dazu dieses furchtbar unruhige Spielbrett, das mit den unterschiedlichen Symbolen und Namen bestimmt hochthematisch ist, aber mir eben keinen Spielspaß herbeizaubert.
Die Diskussion über Bitoku in der Gruppe war lang und ausführlich. Argumente Pro oder Kontra findet ihr im Test zuhauf. Mein Zwiespalt ist nicht aufgelöst, aber ich weiß, das Bitoku keinen Platz in meinem Spielregal behält. Die Partien waren gut, aber…Ich werde andere Spiele immer Bitoku vorziehen. Mehr Möglichkeiten ist nicht immer = mehr Qualität. Daher bin ich ganz dankbar für diesen Zwiespalt. Den er führt zu einer klaren Entscheidung. Der Große Geist in Bitoku muss seinen Weg ohne mich gehen.
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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Cooler Test, hab schon länger mit dem Spiel geliebäugelt und bin froh über so eine Einschätzung. Mich reizt es trotzdem mal das Spiel auszuprobieren, optisch für mich zwar auch überladen aber trotzdem wunderschön. Punktesalat und verschiedene Möglichkeiten zu spielen für mich eher ansprechend als abschrecken, dazu noch ein ansprechendes Thema und wenig Downtime das könnte was für meine Sammlung werden 😀 Einzig 180 Minuten Spielzeit finde ich für ein Eurogame doch etwas viel, daher die Frage variert diese bei Spieleranzahl bzw. skaliert das Spiel auch gut für 2 Personen?
Danke Jannis,
das Spiel ist auch nicht schlecht, ich hoffe das kommt rüber. Ich bin da ganz bei dir. Normalerweise schrecken mich Punktesalat und viele Möglichkeiten auch nicht zwingend ab. Aber hier war es einfach zu viel und überladen. Ich würde es an deiner Stelle auch einfach mal anspielen. Wenn du das gemacht hast, schick mir einfach mal deine Einschätzung. Die 180min Spielzeit hatten wir auch definitiv nicht, vielleicht mit der Ersterklärung. Ansonsten spielt es sich für mich sehr schnell und fluffig. 2h würde ich sagen. Die Spielerzahl skaliert ganz ordentlich, bei zwei Spielern gibt es weniger Felder. Zu dritt finde ich es am Besten. Aber auch zu zweit ist es gut spielbar.
LG Markus
Wir spielen es vornehmlich zu zweit und da funktioniert es nach unserem Dafürhalten ganz hervorragend. Zeitlich brauchen wir in der Regel zwischen 70 und 80 Minuten, tendieren aber auch beide nicht zu AP. Wenn man sich vom Ersteindruck (und ja, der ist wirklich sehr überladen und die Anleitung ist nicht immer ganz optimal…) nicht abschrecken lässt, stößt man hier (unserer Meinung nach) auf eines der besten Euros der vergangenen Jahre.