Kurzcheck: Darum geht es in Marco Polo II: Im Auftrag des Khan
Marco Polo ist in Bejing angekommen und macht nun auf verschiedenen Routen Asien im Auftrag des Khans unsicher. Vieles wird dem Kenner des Grundspiels auf den ersten Blick bekannt vorkommen. Man reist von Stadt zu Stadt, handelt mit Waren, erfüllt Aufträge und schaltet auf seiner Reise einmalige Boni, neue Aktionen und dauerhafte Rundenboni in Städten frei. All das wird durch das geschickte Einsetzen von Würfeln gesteuert. Dabei ist die Würfelanzahl ebenso wie die gewürfelte Augenzahl wichtig, wobei hohe Augenzahlen nicht per se gut sind. Eher geht es darum je nach Spielsituation die richtigen Würfel zur richtigen Zeit einzusetzen, auch im Hinblick auf die Mitspieler. Jeder Spieler besitzt auch diesmal einen besonderen Charakter, der die Strategie des eigenen Spiels beeinflusst.
Marco Polo II ist etwas schwieriger zu lernen, weil es mehr Möglichkeiten gibt und das ganze Spielbrett etwas wuseliger wirkt. Die einfache Eleganz des Erstlings schwindet, dafür erhält man mehr Tiefgang und eine etwas längere Spielzeit. Das gefällt sicher nicht jedem Fan des Vorgängers. Wir befinden uns am Ende auf dem gehobenen Kennerspielniveau.
Der Khan der Modularität
Der Vorgänger war schon sehr modular, aber Marco Polo II toppt dies noch einmal. Die zufällig verteilten Aktionskarten auf Städten sind zwar etwas weniger geworden, aber dafür gibt es zwei Aktionen pro Runde, die allgemein zugänglich sind. Zufällig auf Städte verteilten Rundenbonusplättchen, ausliegende Auftragsplättchen, die nun an Städte gekoppelt sind, die verschiedenen Charaktere, die geheimen Aufträge für das Spielende und ein wechselndes Händlerangebot in jeder Runde zeigen, das in Marco Polo II ein Großteil der Spielelemente modular sind. Für mich ist dies auch der Grund, warum das Spiel solch Sog ausübt. Was in einer Partie funktioniert, ist in der nächsten gar nicht möglich. Das immer wieder neue Ausloten der richtigen Strategie ist ein echter Eurogame-Traum und ein Garant für Langzeitspielspaß.
Die verzwickte Reise
In Marco Polo II ist die Reise noch präsenter. Klar, auch im Vorgänger musste man von Stadt zu Stadt ziehen und seinen Weg geschickt planen. Wer hier die falsche Route wählt und schlecht mit seinen Kamelen wie Münzen plant, der wird nicht weit kommen. Vor allem entgehen einem interessante Aktionen der Städte. Das ist nahezu unverändert! Bleibe ich nach einem Zug mit meiner Figur in einer Stadt stehen, darf ich dort ein Handelskontor errichten und fortan die in der Stadt ausliegende Besonderheit nutzen. Das sind manchmal neue Würfelaktionen, passive Boni am Rundenende oder Handelsaufträge, die durch Abgabe von Ressourcen viele Siegpunkte ausschütten. Letzteres ist neu, denn ohne Handelskontor in einer Stadt mit Aufträgen, darf ich mir keine über eine Würfelaktion nehmen. Klingt logisch, war in Marco Polo I aber anders, weil hier die Aufträge einfach nur auf dem Spielbrett lagen und mit Würfeln gekauft wurden.
Drastisch erhöht wurde die Punkteausbeute für besuchte Städte am Spielende! Dabei zählen nicht die besuchten Städte, sondern die unterschiedlichen Regionen. Wer also in einer Region mit zwei Städten aufgrund lukrativer Boni beide mit einem Handelskontor schmückt, verliert am Ende Siegpunkte. Je nach geheimen Zielauftrag zählen manche Regionen allerdings doppelt. Das Reisen ist dabei nicht einfach, denn neben Kamelen, Jade und Münzen, braucht man für lukrative Abkürzungen nun den Segen der Gilden. Das macht das Planen der richtigen Route komplexer, gerade durch Querverbindungen, aber das fette Spielspaßgrinsen ist dir sicher!
Neue Gilden
Die Gilden sind auf den ersten Blick nur eine kleine Neuerung. Für zwei Würfel und entsprechender Augenzahl erhält man eines der vier Gildenplättchen. Damit darf ich nun die Routen der jeweiligen Gilde bereisen, was nichts weiter als mächtige Abkürzungen sind. Im Tausch gegen Ressourcen entwickelt man das Gildenplättchen für dauerhafte Rundenboni. Auf den ersten Blick ein No-Brainer! Täuscht aber, denn Abkürzungen erleichtern zwar das Reisen ungemein, nur sind die Kosten von 2 Würfeln bei nur 5 im Vorrat hoch. Bei vier verschiedenen Gilden und nur fünf Runden sollte man dann schon nachdenken, was man sich gönnt.
Spielgefühl von Marco Polo II
Das alles sorgt dafür, das man von der ersten Runde an interessante Entscheidungen zu fällen hat und die Planung der Reise durch Gilden, mächtiger Endwertung und den bekannten Boni bei Städten sehr präsent ist. Selbst das zweite große Standbein der Handelsverträge in Marco Polo ist nun Teil der Reise und nicht mehr davon losgelöst. Wer eine große Auswahl an Aufträgen durch die entsprechende Würfelaktion haben möchte, muss eben bestimmte Städte mit Handelskontoren bebauen. Ansonsten bleibt ihm diese Aktion verwehrt oder die Auswahl bleibt klein. Eine überschaubare Auswahl kann man sogar in Kauf nehmen, ist dann aber Teil der Strategie! Insgesamt ist durch den neuen Markt und der Ressource Jade die Ressourcenausschüttung in Marco Polo II flexibler, was vielleicht suggeriert, das die Handhabung damit leichter wäre. Ich würde eher sagen, dass man einfach mehr Freiheit in der Ausübung seiner Aktionen besitzt.
Das alles gebärt einfach ein anderes Spielgefühl, auch wenn Marco Polo I in Sachen Planung, Jonglieren mit Ressourcen und dem Kampf um Würfelaktionsfelder den gleichen Tanz beherrscht. Wer Vorgänger nicht kennt, wird sich hier das erste Mal ärgern können, wenn er besetzte Felder mit Würfeln zwar benutzen darf, aber sie in der Höhe der eingesetzten Augenzahl auszahlen muss. Plötzlich reichen die Münzen dann doch nicht für den nächsten Reisepunkt und dann trifft Schadenfreude auf temporären und gesunden Ärger. Weitere Interaktion ist durch Kontorbonusplättchen gegeben, die den ersten Besucher einer Stadt belohnen. Also steckt hier auch ein Stück weit Wettrennen drin! Weniger gut gefällt, das Wurf am Rundenanfang, der aus vielen hohen Augen besteht, keinen Ausgleich erhält, so wie bei einem niedrigen Wurf. Denn hohe Zahlen sind hier nicht immer von Vorteil. Unverständlich ist ebenfalls das Fehlen einer Info auf dem Spielmaterial, das Jade jederzeit in Münzen oder Kamele getauscht werden kann. Hier vergessen gerade Einsteiger in das Spiel zu oft diese Möglichkeit.
Fazit
Seit vier Jahren nun suche ich nach einer Alternative zum grandiosen Würfeleinsetzspiel Auf den Spuren von Marco Polo. Ich suchte bei Kickstarter und fand Rise to Nobillity, welches mich nicht komplett überzeugte. Dieses Jahr setzte ich meine Hoffnungen erst in Euphoria, dann in Black Angel und auch wenn ich Spaß hatte, fehlte das letzte Rädchen zum grandiosen Würfeleinsetzspiel. Irgendwie war klar, das das geniale Spielprinzip nur durch sich selbst kopiert, das auf den Tisch bringen konnte, was ich gesucht hatte.
Marco Polo II: Im Auftrag des Khan ist für mich dabei noch einen kleinen Tick besser als sein Vorgänger. Die Konkurrenz bei Würfelplätzen, wie auch der Wettlauf um Kontorhausboni, setzen dabei zwar keine neuen Impulse bei der Interaktion, verharren aber auf dem bekannten ansprechenden Niveau. Dabei besitzt das Spiel mindestens die gleiche hohe Modularität, die über viele Partien immer wieder neue Strategien einfordert. Das motiviert ungemein! Die clevere Reisemechanik mit all seinen Boni ist nun noch mehr ins Zentrum gerückt und wurde durch ein stärker belohnendes Punktesystem und Gilden aufgewertet. Das Ressourcenmanagement ist freier und die Auftragsvergabe an Städte gebunden, was das Spiel kniffliger macht. Das alles erkauft sich Marco Polo II mit einer erhöhten Spielzeit und einem weniger straffen Spielablauf. Den Preis bezahle ich liebend gerne. In einem starken Jahrgang gehört Marco Polo II: Im Auftrag des Khan somit zur Spitze der Karawane!
Marco Polo II: Im Auftrag des Khans
54,99 €Kurzfakten
- In seiner Basis dem Vorgänger nah
- Das Reisen ist mehr im Fokus
- Extreme Modularität
- Mehr Freiheit und Tiefgang
- Auch zu zweit gut spielbar
Spielinformationen
- Genre: Würfeleinsetzspiel
- Spieler: 2 - 4
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: 60 - 120 Minuten
- Rezensionsexemplar erhalten
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