Kurzcheck: Darum geht es in Scythe: Aufstieg der Fenris
Nicola Tesla suchte am Wendepunkt des 19. Jahrhunderts eine Audienz beim sächsischen Kaiser. In der aufkeimenden industriellen Revolution präsentierte Tesla die Erfindung, die den Nährboden für den großen Krieg ist. Am Ende dieses großen Krieges sind alle Verlierer. Tesla missverstanden und ob der Opfer gebrochen flieht er mit seiner Tochter Vesna in die Fabrik. Doch die Anziehungskraft der Fabrik und die Macht der Maschinen bleibt erhalten. Der Frieden ist zu diesem Zeitraum ein fragiles, zartes Pflänzchen. Aber die Fabrik und ihre Geheimnisse wecken Begehrlichkeiten. Die Nationen erwachen, Europa ist am Scheideweg und das Schicksal noch nicht geschrieben. Hier beginnt der Aufstieg der Fenris.
Ein bekannter Einstieg
Das zarte Pflänzchen sieht verdammt bekannt aus. Bis auf den Kampagnenbogen und die ersten zusätzlichen Marker auf den Zielfeldern der Missionen sieht der erste Spielaufbau wie immer aus. Ich lese die Hintergrundgeschichte zu Scythe als audiophiles Hors d’œuvre vor. Wer hier ungeduldig hin- und her zappelt, wer jetzt schon den Text skippen möchte, sollte die Kampagne zu Scythe sofort wieder in den Spieleladen zurückbringen oder garnicht erst kaufen. Die erste Mission wird mit einer offenen Zielkarte gespielt und jeder, der in einer Kategorie einen Stern platziert, nimmt sich einen Einflussmarker. Marc, Alexandre und ich sind Scytheprofis, unsere zufälligen Nationen und Playerboards werden also analysiert. Episode 1: Eine neue Ära gibt jedem Spieler einen kostenlosen Sofortbonus. Ich wähle mir zwei Rohstoffe, weil der erste Mech schon mit den stählernen Füßen scharrt.
Das Ende von Episode 1
Scythe ist ein Spiel des Timings. Mit meinem Anführer löste ich zu einem günstigen Zeitpunkt eine Begegnung aus, die es mir ermöglichte, die Zuganzeiger meiner Mitspieler zu versetzten. Ein geübter Blick auf die Tableaus von Marc und Alexandre und Zack war ihr nächster geplanter Zug obsolet. Ich sammelte Stern um Stern, war häufig in vielen Kategorien erster und beendete das Spiel nach 55 Minuten. Marc hatte 3 Sterne, Alex nur vier, aber deutlich bessere Positionen auf dem Spielbrett. Entsprechend knapp war das Ende. Alexandre hatte nur drei Vermögen weniger als ich. Und dieses Vermögen und die erspielten Sterne werden auf dem Kampagnenbogen festgehalten. Schafft ihr es hier Spalten und Zeilen mit euren Erfolgen zu füllen, winken Bonuszahlungen. Das Ende der neuen Ära gipfelt in der Abstimmung, wie es in Europa weitergeht. Ich habe fünf Marker und daher ein gewichtiges Wort mitzureden. Wofür entscheiden sich die beiden anderen? Krieg oder Frieden?
Non Spoiler
Die Entscheidung zwischen Krieg und Frieden ist in der ersten Runde elementar für die zweite Runde. Eine Auswirkung wie bei Undaunted: Stalingrad auf die Partie hat sie leider nicht. Schade. Egal was ihr in der zweiten Partie spielt, ob ihr den kriegerischen Ansatz über Kämpfe und Restriktionen spielt oder den friedlichen Ansatz über Bündnisse präferiert. Ihr kommt in Episode 3 gleich raus. Das ist auf der einen Seite sehr schade, auf der anderen Seite schafft es Scythe: Der Aufstieg der Fenris mit den Prologen und Epilogen zu den einzelnen Episoden dieses Manko erzählerisch und logisch zu lösen. Lässt man sich auf diese Geschichten ein, taucht man tief in die Welt und das Setting von Scythe ein. Nein, falsch. Man muss sich einlassen, damit die Kampagne funktioniert.
Innovation
Gefühlt 80% der Erweiterung fühlt sich auch wie Scythe an. Es kommen keine Veränderungen der Mechanik oder sonstige absurde Ideen. Und das ist gut. Es geht nach wie vor um Vermögen, Kontrolle und das Spiel mit Bedrohung. Es geht um die eigene Engine und das in Schacht halten der Gegner. Scythe: Aufstieg der Fenris glänzt dabei mit einer unfassbaren Qualität. Neue Fraktionen, neue Miniaturen und die Veränderung einiger Ausgangssituationen haben bei mir zu einem unfassbaren Erlebnis geführt. Die Protagonisten der Geschichte werden dabei immer geschickt in Szene gesetzt. Vesna, Tesla, Fenris und die Fabrik sind die zentralen Punkte dieser Kampagne. Mit dem Geld könnt ihr euch Upgraden und deine Tableauentwicklung betreiben. Die Auswirkungen bzw. Individualisierung ist dabei relativ gering. Ihr könnt nach Episode 3 nicht so mächtig sein, dass ihr eure Mitspieler abhängt.
Kritik
Und exakt hier kann man eine mögliche Kritik anbringen. Die Kampagne hat kaum Faktoren, die einen massiven Impact auf das Spiel haben. Die Kampagne ist gelinde gesagt gestreamlined. Auch die Tatsache, dass sich vieles wie ein normales Scythe-Spiel mit kleinen Änderungen anfühlt und spielt, stößt vielleicht den Kritikern und Kennern epischer Kampagnenspiele sauer auf. Wer dann dazu mit seiner Gruppe die liebevollen und erzählerisch edelen Epiloge und Prologe nicht liest, klopft das Spiel in die Tonne und fragt sich WTF. Ich nicht. Ich liebe die Kampagne genau deswegen. Und Schwupps leite ich zum Fazit über.
Fazit
Scythe: Aufstieg der Fenris bietet Ansatzpunkte für Kritik, wenn die entsprechende Perspektive und eine korrespondierende falsche Erwartung eingenommen werden. Meine Perspektive auf die dritte Scythe Erweiterung sieht wie folgt aus: Scythe: Aufstieg der Fenris nimmt euch in ein erzählerisches Erlebnis mit. Ihr spielt ein Spiel in einer Geschichte. Über Prologe zu den einzelnen Episoden und die entsprechenden Epiloge taucht ihr tief in die Welt von Scythe ein. Dabei bietet das Spiel kleine Anpassung, mächtige neue Fraktionen und neues Spielmaterial. Zudem sind einige Missionen sehr besonders und speziell. Allerdings fühlt sich alles wie Scythe an. Die Auswirkungen einer Episode sind leider nicht so direkt spürbar, auch die Individualisierung eurer Fraktion ist eher mäßig, dafür wird aber kein Spieler abgehängt und verliert die Lust an der Kampagne. Der Umfang ist mit 8 Episoden eher überschaubar, zumal bei geübten Scythe-Spielern eine Partie in unter 60 Minuten über die Bühne geht. Die Kampagne kann jederzeit zurückgesetzt und ein weiteres Mal gespielt werden. Wer allerdings die Kampagne ohne die Geschichten und Texte spielt, wird ein wesentliches Element der Kampagne nicht erleben. Aufstieg der Fenris ist eine klare Empfehlung an alle, die Scythe gerne spielen.
Brettspieler | Carromspieler | Viel-Spieler | Ran NFL süchtig | Weinliebhaber | Leseratte | | Brettspielsammler | MTB Fahrer | Sportler | Hobby-Koch | Kooperativ-muss häufiger-sein | Terraformer | Musikgenuss | Spotifyer | Familie | Fußballer |
- 28. November 2024
- 21. November 2024
- 14. November 2024
- 7. November 2024
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Martina Lehmann bei Nemesis
- Daniel bei Scythe: Aufstieg der Fenris
- Sebi bei Sleeves
- Markus bei Nemesis
- Markus bei Scythe: Aufstieg der Fenris
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
schöner Test. und auch wieder ein Test, der meine Erfahrungen sehr gut entspricht. mich stört es ebenfalls nicht, das der Entwicklungsprogress der einzelnen Spieler überschaubar bleibt. aber das ist mit zufälligen Boards uä auch kaum zu balancen….
die Stärke des Spiels ist eine kleine schöne Geschichte, die den tollen Artworks und der weiterhin eleganten Spielmechanik etwas Fluff einflößt… für mich hat der Designer mit der Entscheidung bei der Entwicklung alles richtig gemacht
Hallo Denny,
danke für deine Einschätzung. Ich bin immer froh, wenn ich nicht so ganz alleine mit meiner Wahrnehmung stehe. Ich fand die Entscheidung, ein Fanprojekt und eine Kampagne bei einem so starken Spiel umzusetzen und der Seele von Scythe treu zu bleiben. Das Artwork und das Setting schreit nach einer Kampagne, die starke Spielmechnanik muss allerdings vorsichtig integriert werden. Das ist meines Erachtens auch sehr gut gelungen. Auch die Tatsache, dass Scythe mit dieser Erweiterung abgeschlossen ist und nicht weiter gemolken wird, finde ich echt gut.
Schön, dass ihr auch Reviews zu modem classics macht, auch wenn diese schon ein paar Jahre alt sind. Das hilft solche Spiele am Leben zu halten. Zur Erweiterung kann ich nur sagen, dass ich die Kampagne zwar gespielt habe, sie aber nicht als Kaufgrund anführen würde sondern eher die Module. Ich habe Scythe immer zu diversen öffentlichen Treffs in Berlin mitgeschleppt und meine Erfahrung zeigt, dass viele das Kerngameplay mögen, aber es individuelle immer Punkte gibt, die die Leute nerven. mit dieser Erweiterung kann sich jeder das Spiel machen weiddewiddewit es einem gefällt. In Kombinationen mit den alternativen Enbedingungen aus der Luftschifferweiterung ( für die man die Erweiterung nicht wirklich besitzen muss) gibt es eigentlich keine Ausrede mehr das Spiel nicht auf den Tisch zu packen. Außer natürlich die 100 anderen Spiele, die man sich zwar zugelegt, aber noch nicht gespielt hat.