Kurzcheck: Darum geht es in Northgard – Uncharted Lands
In Northgard – Uncharted Lands übernimmst einen von verschiedenen Tierclans, wobei deren Asymmetrie zwar spürbar, aber nicht extrem groß ausfällt. Mit deinem Clan versuchst du nun über maximal sieben Runden dein Reich durch Erkundung und kriegerischen Auseinandersetzungen so zu vergrößern, dass dein Nahrungsspeicher prall gefüllt ist und die Holzproduktion so geschmiert läuft, dass du all die schicken Gebäude bauen kannst. Das stellt sich durch oft kurze Wege und der so stetigen Bedrohung als gar nicht so einfach heraus. Die Nachbarn, bei mir eine fiese Mischung aus streitsüchtiger Ehefrau, apfelklauenden Nachwuchs oder silberzungenartigen Freunden Stinkern, wollen all das, was du dir erarbeitet hast! Und mit der inkludierten Monster-Erweiterung kommt eine weitere gehässige Ebene dazu, weil deren Aggression dir deine Planungen verhageln. Der erste tänzelnde Schritt, der den Pranken der Konkurrenz ausweicht, ist die fluffige Spielzeit und die gelungene Reduzierung auf das Wesentliche. Northgard – Uncharted Lands positioniert sich so gekonnt zwischen anspruchsvollem Familienspiel und einem fast-Absacker für Expert:innen.
Bevor die Nordmänner und Nordfrauen, ja, die gibt es hier wirklich, den Text übernehmen, ein kleiner Ausflug zur Mechanik. Northgard – Uncharted Lands ist Area-Control. Punkt. Es will nichts anderes sein! Unterfüttert wird dies durch reduziertes Ressourcenmanagement (3 Ressourcen), aber trotzdem großen Auswirkungen in der Tiefe (hungernde Truppen, viele mögliche Gebäude, Kartenkauf). Gesteuert wird der Kampf um Gebiete über Karten. Dabei steht jede Handkarte für eine Aktion. Einfaches Konzept, welches durch Deckbuilding flankiert wird. Und das macht mehr Spaß als vermutet.
Erst der Kern …
Warum macht mir das reduzierte Deckbuilding hier so einen Spaß? Erinnern wir uns an Die verlorenen Ruinen von Arnak, bei dem das Deckbuilding ähnlich gelagert ist, mir aber weniger gefiel. Auch bei Northgard – Uncharted Lands erwirbt man nicht viele Karten, weil der Tanz mit nur einer neuen Karte pro Runde und zwei möglichen Clan-Karten schnell aus getanzt ist. Inkludiertes Problem: Manch spät erhaltene Karte tritt weniger ins Schlaglicht der Aufmerksamkeit. Gefällt mir eigentlich nicht. Allerdings habe ich in Northgard – Uncharted Lands viel mehr Einfluss auf das Ausdünnen des eigenen Decks, wenn ich genügend Steintafel erwirtschafte. Auch sind die Möglichkeiten größer, gezielt seine Kartenhand innerhalb eines Spielzugs zu erhöhen und damit einen höheren Durchsatz an Karten zu generieren. Beides stärkt die Dynamik und damit den Spielspaß.
Letzter enorm wichtiger Punkt: Neue Karten kauft man nicht! Stattdessen gibt es pro Runde eine Auslage, definiert über die Personenanzahl. Passt du, weil du keine Karten mehr auf der Hand hast, darfst du dir eine Karte nehmen und auf den Nachziehstapel legen. Geiler Clou! Frühes Passen, also das schnelle Durchspielen deiner Handkarten, bessere Auswahl, aber keinen Einfluss mehr in der Runde.
… dann der Kniff …
Ich liebe Area-Control und was habe ich nicht schon alles auf dem Tisch gehabt. Was mir in Northgard – Uncharted Lands passiert ist, war aber durchaus außergewöhnlich und hängt mit dem Deckbuildung und der Aktionsmechanik zusammen. Erste Runde, alles läuft super! Ich kralle mir nach dem Passen eine Karte, die es mir ermöglicht, massiv viele Einheiten zu produzieren. Zweite Runde, wie lecker ist bitte die Karte, wo ich mehr Bauen kann? Ihr wisst ja, jede Karte steht für eine bestimmte Aktionsmöglichkeit. Ich baute nachfolgend Gebäude, die meine Kartenhand vergrößerten. Ergo konnte ich in der dritten Runde mehr machen als alle anderen, bekam aber die letzte Karte aus der Auslage. Die war sogar ganz okay, weil ich damit noch mehr Karten nachziehen konnte. In der vierte Runde dünnte ich mein Deck durch meinen erspielten Vorrat an Runenplättchen aus. Wer braucht schon diese Einsteigerkarten mit Bewegung?! Tja … in der fünften Runde merkte ich, dass ich im Endgame stecke und keine einzige gute Bewegungs- und damit auch Kampfkarte hatte. Mehr noch, die schlechten Karten hatte ich aus dem Deck geworfen. Ich besaß das größte Heer an Äxten, die fettesten Gebäude und klebte in meinem kleinen Gebiet fest! Ja, Picard, tue es für mich.
Du bekommst halt nicht viele neue Karten und damit ist über die maximal sieben Runde jede Karte enorm einflussreich auf deine überhaupt stattfindenden Möglichkeiten. Deine Karten ermöglichen dir nicht einfach nur Sonderaktionen, Boni oder andere Spielereien, sie sind dein spielerisches Basisfundament! Die immer anders gelagerte Auslage und was du am Ende für Karten bekommst, beeinflusst also deine gesamte Strategie. Das ist nicht nur enorm spannend, sondern die immer wieder neu erlebte und selbst gebaute hohe Asymmetrie zwischen den Decks ist auch motivierend.
… dann die Axt!
Der zweite große Aspekt ist der Kampf. Der ist schnell ausgeführt, was absolut zur DNA des Spiels passt. Einheiten zählen, Nahrung für Kampfboni ausgeben, Würfel werfen und das Kampfergebnis vergleichen. Netter Nebeneffekt: Die Kampfstärke (Symbol: Axt) entscheidet, wer gewinnt und im Gebiet bleibt und tötet keine Einheiten. Dafür gibt es ein den Totenkopf. Der generiert keine Kampfstärke, sondern vernichtet Einheiten. Das dein mühsam ausgebautes Heer komplett ausradiert wird, geschieht daher selten. Das motiviert sich jede Runde auf den Kopf zu geben! Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, wer Kämpfen nicht mag, ist hier fehl am Platz. Northgard – Uncharted Lands ist bunt, schnell gespielt und eine Ode an den Konflikt.
Weitere Feinheiten
Nicht unerwähnt bleiben soll das inkludierte und optionale Modul der Kreaturen. Mit der Familie kann man das weglassen, ansonsten ist es die perfekte Schärfe Chili für die nordischen Krieger:innen. Bei der Erkundung, die ich überaus schätze in dem Spiel, weil sie einen das Spielfeld gestalten lässt, können Kreaturenhöhlen erscheinen. Die dort verschiedenen auftauchenden Kreaturen haben nicht nur alle unterschiedliche Fähigkeiten, sondern Sorgen dafür, dass selbst sicher geglaubte Regionen sich plötzlich wehren müssen. Dies sorgt für etwas mehr Chaos, noch mehr Kämpfe, aber eben auch wesentlich mehr Dynamik im Spiel.
Besonderer Spielsieg
Wie man gewinnt? Über Siegpunkte, aber nicht nur! Eroberte Gebiete, das vollständige Erkunden von Gebieten, manche Gebäude und gekaufte Karten lassen dein Siegpunktepolster fett anwachsen. Kennt man, darum spare ich weitere Ausführungen aus. Viel wichtiger ist die zweite Siegbedingung: Besitze mindestens drei große Gebäude in verschiedenen Gebieten und du gewinnst das Spiel am Ende der Runde sofort! Ihr könnt euch nun denken, was dieser kleine Umstand mit dem Spielerlebnis anstellt. Fratzengeballer für die Person, die dem Ziel nahe kommt. Am Ende wird auch hier die direkte Auseinandersetzung forciert. Wartest du nämlich zu lange und ist dein Deck mit zu wenig Bewegung gesegnet, kann es deine Niederlage sein!
Fazit
Ich sprach eingangs von tänzelnden Füßen und es bleibt für mich erstaunlich, wie Northgard – Uncharted Lands sich auf der Tanzfläche des Area-Controls schlägt. Es spielt sich so locker von der Hand, forciert dabei den Kampf, ohne groß zu frustrieren und schafft es mit übersichtlicher Breite trotzdem spielerischen Tiefgang zu erzeugen. An der Axtspitze steht dabei das Deckbuilding, welches motivierend mit der Mechanik des Passens verknüpft ist und enorme Auswirkungen auf die eigene Strategie besitzt. Jede der Karten hat hier Punch wie Obelix. Die Erkundung und somit langsame Ausbreitung der Welt gefällt zudem ebenso wie die kunterbunte Optik. Und auch ohne Monster-Modul kann man gerade mit der Familie Northgard – Uncharted Lands hervorragend spielen. Ich würde es als natürlichen Entwicklungsschritt nach Titeln wie Small World ansehen. Für erfahrene Personen im Genre ist das Spiel hingegen eine spannende Zwischenmahlzeit und ein Fast-Absacker.
Fleischpöppel | Brettspieler | Videospieler | Rollenspieler | Miniaturenbemaler | Würfel-Lucker | Airbrush-Anfänger | Blogger | Schönspieler | Rum-Trinker | Brettspielsammler | Crowd-Funding-Süchtig | Trockner Grübler | Pöppel-Streichler | Magic-Verweigerer | 4X-Fanboy | Sickerflopp-Liebhaber
- 5. Dezember 2024
- 3. Dezember 2024
- 2. Dezember 2024
- 25. November 2024
Im Fokus
Neueste Kommentare
- Denny Crane bei Dune: Krieg um Arrakis
- Christian bei Dune: Krieg um Arrakis
- Achim bei Dune: Krieg um Arrakis
- Christian bei Dune: Krieg um Arrakis
- Christian bei Dune: Krieg um Arrakis
4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Schöner Test.
den kann ich original 1:1 so unterschreiben…
Das erste Mal spielen zieht sich noch etwas in die Länge, aber schon zum Ende hin geht es Schlag auf Schlag… manchmal wortwörtkich
Wenn man denn das richtige Deck hat. Wir hatten das öfters, dass das Deck an sich zwar geile Karten hatte, aber gewisse Aktionen dermaßen unterrepräsentiert waren. Das finde ich einfach ziemlich spannend.
Hallo, leider ist das Spiel zu Zweit fehlerbehaftet. Man kann von einander weg entdecken und alle Interaktion geht.
Es lohnt nicht zu kämpfen, lieber baut man. Wir haben jetzt die Hausregel gemacht, daß der Sieger eines Kamofes vier Siegpunkte bekommt.
Hallo Ralf,
wenn das euer Weg ist, ist das ja völlig okay. Ich kenne das von jedem Civ-Spiel. Meine Frau und ich sind eher friedliche Naturen in solchen Spielen, auch wenn wir uns gerne mal auf die Mütze hauen. Dann aber nur punktuell, wo sich ein Angriff sehr lohnt. Entsprechend verlaufen einige solcher Partie sehr friedlich.
Liebe Grüße
Christian