Lesezeit: 3 Minuten
Narrative BrettspieleEs ist wohl kein Geheimnis, dass ich narrative Brettspiele sehr in mein Herz geschlossen habe. Ich liebe es mit Freunden, oft auch mit meiner Frau zu zweit, in fantastische Welten abzutauchen und mich einer Story hinzugeben, Entscheidungen gemeinsam zu besprechen und die Atmosphäre mit beiden Händen zu greifen. Dabei darf der zu lesende Text auch gerne explodieren! Es ist für mich oftmals die perfekte Mischung aus kooperativen Elementen und haptischen Erleben. Ich habe mich mit Begeisterung in TIME Stories, Tainted Grail, Forgotten Waters oder Detective verloren. Auch seichtere Vertreter wie die Adventure Games von KOSMOS oder zuletzt Robin Hood haben bei mir einen Meeple im Brett. So weit, so gut.

Das Problem der narrativen Brettspiel

Durch die Überschrift leckt sich der Kritiker dieser Gattung jetzt wohl die Lippen. Ist er schon formuliert, dieser typische Satz? Komm, ich bin in Geberlaune und haue ihn raus. Narrative Brettspiele, da kann ich lieber ein Buch lesen. Nein, verdammt, kann ich nicht! Diese abwertende und immer wieder gebrauchte Phrase, gern genommen von BrettspielerInnen, die einfach mehr Mechanik erwarten, ist haarsträubend falsch. Eine trockne Excel-Liste mit Formelhinterlegung ersetzt auch nicht das Expertenspiel, bei dem hinter den Aktionen Formeln zur Generierung von Siegpunkten stecken. Wie wäre es zu sagen, ein Expertenspiel wie Lisboa, wo einem der Kopf platzt, da kann man direkt Ulysses von James Joyce lesen. Humbug!

Ein Buch ist eben kein Brettspiel (und auch kein Videospiel). Es bietet andere Möglichkeiten, eine andere Atmosphäre und vernetzt die teilnehmenden Personen auf ganz andere Art, als es je ein Buch leisten könnte. Auch keine Abenteuerbücher! Mit der Kritik des Buches entzieht man dem narrativen Brettspiel seine Daseinsberechtigung, nur weil man selbst vielleicht nicht zur Zielgruppe gehört.

In anderen Genres wird dies aus meiner Sicht viel eher hingenommen. Man wendet sich anderen Brettspielen zu und packt es in die Schublade „nicht mein Ding“. Dem einem ist Azul zu abstrakt oder Cthulhu Wars zu kriegerisch. Geschenkt! Ein Story getriebenes Brettspiel muss nicht gefallen, es ist dann aber nicht gleichzeitig als Buch besser. Es fehlt auch nicht unbedingt eine Mechanik. Dir vielleicht, geschenkt! Ich bin auch ein Freund davon, wenn narrative Brettspiele etwas mehr Mechanik besitzen. Aber lasst den Buchvergleich! Mich erinnert das immer ein wenig an die peinliche Kritik in der Videospielwelt, als damals die Wii das Licht der Welt erblickte. Das wäre ja nur Casual-Gaming. Was Spaß macht ist erlaubt und es wird auch nicht das Hobby verwässert oder unterwandert. Ein Brettspiel mit Story bleibt auch ein Brettspiel, wenn es wenige Mechaniken besitzt. Und es darf sogar ein Gutes sein!

Fazit

Ein Buch lässt mich nicht aktiv in eine Handlung eingreifen, es besitzt keine spielerischen Elemente und lässt die Familie auch nicht zusammenkommen. Was kooperative Brettspiele mit Story am Tisch leisten können, ist extrem beachtlich. Wer gemeinsam gepackt wird, sich intensiv einleben kann, der erlebt Personen, die auf ihren Stühlen herumrutschen, beim Greifen in Beuteln, beim Werfen von Würfeln, beim Aufdecken von Geheimnissen zusammen Hoffnung und Spannung erleben. Was ein Robin Hood am Tisch leistet, vermag selbst ein Harry Potter so nicht zu erreichen. Und wir lesen in der Familie wirklich viel. Ein Tainted Grail hat seine ungeschliffenen Kanten und trotzdem waren das über 40 Stunden intensivste Unterhaltung für mich und meine Frau! Das erreicht kein Netflix-Marathon und schon gar kein Buch!

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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Danke, bin ich 110% bei dir, wir sitzen gerade zu 2 an Tainted Grail 🥰

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    • Super! Ich verstehe jeden dem solche Spiele keinen Spaß machen. Ich verstehe jeden der sagt, ihm fehlt da Mechanik. Noch mehr, wenn es um Titel wie den Adventures Games geht. Trotzdem ist es immer mehr als ein Buch und kann eben richtig Laune machen.

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  • Denny Crane
    21. April 2021 12:18

    Schon geschrieben. Ich habe Robin Hood vorbestellt um ganz gezielt Brettspiel mit Vorlesen zu verbinden. Beide Medien kommen sehr stark in unserer Familie zum Einsatz und narrative Spiele wären so eine super Fusion von diesen Hobbies

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  • Ich habe den Beef auf unknowns auch mitgelesen und mir gedacht, reden wir noch immer über „nur“ ein Spiel?
    Wenn mir das Spiel Spaß macht, hat es seinen Job erfüllt und hat entsprechend seine Daseinsberechtigung, Punkt. Außerdem habe ich noch nie was von Coop Lesen gehört 😉

    Für mich persönlich steht zB das Thema an erster Stelle, da muss die Mechanik schon außerordentlich gut sein, damit ich mir was mit Trollen und Elfen kaufe. Bei ISS Vanguard dagegen, musste ich nicht lange überlegen, so unterschiedlich sind halt die Geschmäcker. Ich bin was das angeht, zu 100% bei Dir.

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  • Diese Spiele stehen und fallen mit der Spielrunde, Time Stories kann richtig Spass machen, in unserer „Nerd“-Runde würde es jedoch nie auf den Tisch kommen.

    Robin Hood konnte uns nicht überzeugen, wir empfanden es so langweilig, dass wir es nach der Flucht wieder ins Regal gestellt haben, da hab ich 1000mal lieber ein Renature auf dem Tisch.
    Bin jedoch überzeugt, dass es mit den richtigen Mitspielern toll sein könnte.

    Als Interaktion-Fan mag ich Food Chain Magnate – etc lieber!
    Zum Glück gibts ja für jeden etwas!

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