Kurzcheck: Darum geht es in Der Kartograph
Die nördlichen Reiche von Nalos sollen urbar gemacht werden und so schickt die Königin Gimnax euch aus, um die Landschaft zu kartografieren. Das weiß ich aber nur, weil ich für diese Rezension gerade den Fluff-Text auf der Rückseite der Schachtel gelesen habe. Die Story ist egal, Spaß steckt in der Mechanik. Insgesamt spielt man vier Jahreszeiten, wobei immer zwei ausliegende Wertungskarten pro Jahreszeit definieren, wofür man Punkte erhält. Da diese Karten für die gesamten Jahreszeiten offen ausliegen, kann man selbst für die letzte Wertung schon eine Strategie entwickeln. Pro Jahreszeit werden nun eine gewisse Anzahl an Erkundungskarten gezogen, die bestimmen, welche Kategorie man in welcher Form auf seine Landkarte einzeichnet. Wer am Ende die meisten Siegpunkte aus den Wertungskarten gequetscht hat, gewinnt das Spiel und wird königlicher… verdammt, hier hört der Fluff der Anleitung auf. Einfach nur ein gewöhnlicher Sieger! Ob das der Königin Gimnax gefällt?
Der steinige Weg…
Die Bilder zeigen es schon, es wird wirklich wild gemalt und dabei hart geplant! Da von Anfang an alle Wertungen offen ausliegen, fängt das Grübeln schon mit der ersten Landschaftskarte an. Nicht nur wo ich etwas einzeichne ist relevant, sondern oft bieten die Karten auch selbst Wahlmöglichkeiten. Nehme ich die L-Form oder nur die kleine Ecke, dafür aber zusätzlich eine Goldmünze. Die bringt mir direkt Siegpunkte oder lässt sich für Sonderaktionen auslösen. Mehr noch, ich habe oft die Wahl, ob ich zum Beispiel Wald einzeichne oder Dörfer. Der Einstieg in das Spiel ist vom Grad des Anspruchs nicht gering! Das Der Kartograph als Kennerspiel nominiert war, wird spätestens jetzt klar. Wir sind aber noch nicht am Ende! Einige Karten haben zusätzliche Bedingungen, weil die eingezeichnete Form eine Ruine besetzen muss. Davon hat jeder nur 6 auf seiner Landkarte. Die Stellen um diese Ruinen sind also empfindliche Gebiete. Wer keine Ruine oder genügend Platz für die Form hat, wird bestraft und darf nur ein Kästchen einzeichnen.
…über die Monster…
Weiter geht es mit den Monstern! Diese erhöhen die Interaktion, denn wird eine Monsterkarte gezogen, gibt man seine Landkarte an eine andere Person weiter, welche nun auf der Landkarte mit dem Bleistift berserken darf. Eingezeichnete Monster vernichten dabei nicht nur Platz, sondern freie Flächen drumherum geben jede Runde Minuspunkte. Glaubt mir, diese Monster schmerzen mehr als ein Angriff von Hastur bei Cthulhu Wars und stehen einer langfristigen und sorgfältigen Planung komplett im Weg!
Letzter Stein zum perfekten Kopfsteinpflaster der Grübelei sind dann die Wertungskarten! Da dürfen Äcker und das Wasser nicht am Rand gemalt werden, gleichzeitig braucht man mittig den Wald, um Gebirge zu verbinden, aber die Dörfer müssen irgendwie auch noch zentral eingezeichnet werden. Was verdammt setze ich nun an den Rand? Zwischendurch tanzen die Monster, zerstören deine Planung und das dringend benötigte T-Stück zum Freischalten des Gebirgsbonus, muss plötzlich auf eine Ruine gebaut werden. Für Perfektionisten ist Der Kartograph ein Tetris-Albtraum! Außerdem schmerzt der Finger, denn man muss hier wirklich viel zeichnen. Jedes Kästchen seine eigene kleine Grafik. Puhhh.
…zum Spielspaß!
Also begraben wir den Perfektionisten und werden zum Opportunist! Denn all die Zwickmühlen sorgen dafür, dass Der Kartograph einen langfristig fordert. Alle Elemente, sei es die Reihenfolge der Erkundung- und Wertungskarteskarten oder die Anzahl der Monster, sind in jeder Partie anders, weil völlig modular aufgebaut. Gerade die vielen gegensätzlichen Anforderungen unter den Hut der langfristigen Strategie zu bekommen, macht unheimlich Laune. Ärgern wird man sich in jeder Partie, denn den perfekten Durchgang gibt es selten. Dafür hat man durch die Monster mehr Interaktion, als in vielen anderen Roll/Flip & Write Spielen. Durch diesen erhöhten Anspruch kann sich die Spielzeit aufblähen. Je nach Spielertyp versenkt man beim Kartografieren schon seine 45 Minuten und versierte Spieler gewinnen in der Regel. Kinder können mitspielen, aber als Familienspiel ist Trails of Tucana dann doch geeigneter. Weitere kleine Delle im strahlenden Spielspaß-Lack sind manch Wertungskarten, bei denen der Aufwand nicht im Einklang zu erzielenden Punkten steht. Und leider ist die Kartenqualität verbesserungswürdig, weil die Kanten leicht ausfransen.
Fazit
Die leicht blutende Fingerkuppen durch das Zeichnen wurden irgendwann ignoriert und die Sucht nach dem Highscore übernahm die Oberhand. Natürlich ist kein Blut geflossen, aber ich musste mich erst an dieses Spiel gewöhnen. Heißt, den Perfektionisten in den Keller sperren und der Ehefrau und ihren eingezeichneten Monstern ein verkniffenes Lächeln schenken. Der Kartograph mag unscheinbar wirken, ist aber ein Kennerspiel durch und durch! Viele taktische Entscheidungen müssen durch die Erkundungskarten getroffen und mit einer langfristige Strategie bei den Wertungskarten verbunden werden. Diese Mischung ist zudem höchst modular angelegt, sodass sich immer wieder neue spielerische Wege ergeben. Der Wiederspielreiz ist entsprechend hoch! Weniger gut kann sich die Spielzeit bei Grüblern entwickeln und manch Wertungskarte fällt in der Punkteausschüttung zu sehr ab. Die Karten sind zudem nicht von der höchsten Qualität. Insgesamt ist Der Kartograph aber trotzdem eines der besten Spiele seiner Art und ich kann es nur jedem empfehlen, der gerne mit einem Bleistift Landkarten vollkritzelt.
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Ein unglaublich interessantes Spiel, dass in kleiner Packung wirklich sehr viel zu bieten hat. Der Wiederspielreiz ist enorm und die Punktewertung jedesmal ein Karneval der Emotionen