Kurzcheck: Darum geht es in Pampero
Uruguays Transformation der Energiepolitik wie auch Energieerzeugung beeindruckt. Nach der Energiekrise 2008, bei dem Ölimporte sich verteuerten und Uruguay vor der Problematik stand, selbst keine Ressourcen für fossile Energiegewinnung zu besitzen, startete die Regierung eine umfangreiche Energiewende. Maßnahmen zum Ausbau Erneuerbarer Energien, vor allem Windenergie, starteten zunächst in der Peripherie des Landes und erreichte später auch das wirtschaftliche Zentrum. Heute decken erneuerbare Energien bis zu 98 % des jährlichen Strombedarfs und Uruguay wurde vom Im- zum Exporteur von Energie. Diese Story ist der thematische Kern des Spiels.
Du startest mit wenig Kapitel und versuchst über ein kniffliges, verzahntes und frisches Kartenmanagement und einer umfangreichen Tableauentwicklung zunächst in der Peripherie und später in ganz Uruguay Windanlagen und Strommasten zu bauen. Dadurch kannst du in den verschiedenen Regionen Energieaufträge der unterschiedlichen Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise Wohnungsmarkt, Tourismus oder Industrie erfüllen. Diese Aufträge in Form von Plättchen, die auf dem Spielbrett ausliegen, werden in dein eigenes Tableau in eine Art Entwicklungsbaum gepuzzelt. Das sorgt für mehr Einnahmen und Sofortboni. Welche Aufträge du erfüllen darfst, welche Regionen du überhaupt bespielen darfst und wo du Auftragsplättchen in dein Tableau einsetzen darfst, ist insgesamt vom Ausbau deines Tableaus über das Bauen von Strommasten abhängig. Bauplätze für Strommasten und Windparks sind dabei genauso begrenzt wie ausliegende Energieaufträge. Es gibt hier also durchaus ein Wettrennen. Verstärkt wird dieses Spielgefühl durch drei Wertungsphasen, die je nach ausliegenden Zielen weiteres Geld ausschütten. Elementar, denn die Person am Spielende mit dem meisten Geld gewinnt. Was alleine deswegen spannend ist, weil du gleichzeitig eben dein verdientes Geld für dein Wachstum immer wieder ausgeben musst. Pampero ist damit weniger ein Energiespiel, sondern ein knallhartes Wirtschaftsspiel.
Klären wir eine Sache!
Pamperos Anleitung ist heftig. Zweimal setzte ich an wie an einem schalen Bier. Habe ich selten. Irgendwie ist die Anleitung verklausuliert. Tropft da Hirn auf den Tisch? Ich dachte bei der Einarbeitung, Pampero wäre das heftigste Spiel seit langer Zeit. In der Praxis läuft es nach umfangreicher Erklärung von ca. 45 Minuten dann aber durchaus fluffig. Es rutscht nach einer Partie dann auch eher in den Bereich Kennerspiel+. Durch die Andersartigkeit des Kartenmangements und der ungeheuren Verzahnung von Spielebenen, bleibt es ohne Praxiserfahrung aber ein schwer zu verstehendes Spiel. Darum folgen nun kein 10 Absätze über jede verschränkte Mechanik. Das will niemand! Die Grundmechanik findet ihr im Kurzcheck im Einklang mit den zur Verfügung gestellten Bildern. Ich konzentriere mich jetzt ganz auf die Spielreize durch spezielle „mechanische“ Bereiche.
Wirklich genial
Einfach nur ein weiteres komplexes, womöglich kompliziertes Brettspiel brauche ich nicht. Hallo, Lacerda, deine letzten Werke sind gemeint. Zum Glück rauscht Pampero an dieser Kritik vorbei. Ich liebe alleine die Art, wie Aktionen ausgeführt werden. Nur drei Aktionen pro Runde sind nicht viel. Pro Aktion spielst du immer eine Handkarte auf dein Kartentableau aus. Die Karte bestimmt die Aktionsart. Der Slot auf dem Tableau in welcher Region du die Aktion ausführen darfst und wie teuer die Aktion ist. Das Problem: Du musst die Karten von links nach rechts ausspielen und hast so Vorgaben zu Preis und Region. Aber immerhin hast du zwei Reihen. Zweites Problem: Die Kosten werden immer geringer, je weiter du nach rechts kommst und die Regionen wandeln sich ebenso. In den ersten beiden Slots der oberen Reihe kannst du z. B. nur in der Peripherie (A) eine Aktion ausführen.
Wieso ist das alles nun problembehaftet? Nun, du nimmst am Ende einer Runde, nachdem alle ihre drei Aktionen ausgeführt haben, nur eine Karte zurück auf die Hand und dabei nur die letzte aus einer der zwei Reihen. Absolut genial! Du hast nämlich zum einen nicht viele Aktionskarten und vor allem kaum eine Aktion doppelt. Du musst hier langfristig planen und trotzdem taktisch flexibel bleiben, weil du durchaus auf das reagieren musst, was andere machen. Ein Spielspaß-Planungs-Explosions-Motivations-Gewitter im Kopf. Welche Aktion spiele ich zuerst? Kann ich mir die Aktion leisten? Passt die Aktion überhaupt zur Region? Brauche ich diese Aktion vielleicht doch wieder nächste Runde? Dann darf ich sie nicht als erstes Spielen, sondern zwingend als letzte Aktion. Sackgasse Incoming! Ausweg: Du kannst eine Aktion opfern und dich entscheiden, alle Karten zurück auf die Hand zu nehmen. Klingt geil, ist aber wie aussetzen und jetzt kommen wir zum angesprochenen Problem: Alle Slots sind wieder frei! Heißt: Die hohen Kosten begrüßen dich wieder vom Tableau und auch die Regionsvorgabe kann wieder unpassend sein. Ich ziehe wirklich enorm viel Spielreiz aus dieser Aktionsplanung, die dadurch verstärkt wird, weil im Laufe der Partie sich weitere Aktionskarten erspielen lassen.
Tableaukuscheln & Co.
Des weiteren lockt die Tableauentwicklung. Wer das Spielfeld gut liest, seine Windparks und vor allem seine Strommasten geschickt platziert und dann bei den Auftragsplättchen zuschlägt, kann sich in der Tableau-Entwicklung verlieren. Nicht ganz wie in Revive, aber es geht in die Richtung. Nur wer hier gekonnt agiert, die Wertungsphasen im Blick hat, verdient richtig viel Geld. Und kann sich damit dann noch besser ausbreiten! Wer zudem Strommasten baut, darf sich über ein Belohnungsraster Entwicklungsplättchen nehmen. Dauerhafte Spezialregeln wie allgemeine Kostenersparnis oder die Aufnahme von zwei Karten am Rundenende locken ebenso wie mächtige Einmalboni oder Plättchen fürs Spielende. Die Entwicklungsplättchen sind dabei gekoppelt an die Region, wo der Strommast gebaut wurde. Selbsterklärend, dass die mächtigen Plättchen nur durch teure Gebiete erreichbar sind.
Hatte ich die Energiegewinnung schon erwähnt? Nur durch den Bau von Windparks erzeugst du Energie. Die brauchst du zur Erfüllung der elementaren, schon genannten Auftragsplättchen. Äh, Stopp, so einfach ist das nicht! Hast du am Rundenende viel Energie übrig, sie also nicht für Auftragsplättchen ausgegeben, produzierst du Batterien. Diese kannst du exportieren! Bringt richtig viel Geld ein und du verstärkst dich in speziellen Wirtschaftsbereichen. Du kannst Batterien aber oft auch nutzen, um Aktionskarten zu bezahlen. Sparst dir also das Ausgeben von Geld, ergo Siegpunkten. Entscheidungen, Entscheidungen, Entscheidungen! Und das in einem gelungenen Verzahnungsmassaker. Noch besser wird es, weil so ungemein viel zufällig beim Spielaufbau platziert wird. Entsprechend ist die Variabilität enorm und damit steigt der Widerspielreiz! Die Erweiterungen erhöhen dies noch einmal und sind bei mir in jeder Partie dabei.
Interaktion
Interaktion ist auch vorhanden. Ich gehe noch einen Schritt weiter, nur wer die möglichen Interaktionspunkte meistert, gewinnt das Spiel. Klassische Bereiche sind Mehrheitswertungen am Spielende und in Zwischenwertungen. Wie gesagt, die Ziele liegen zufällig aus und können wirklich alle Spielbereiche treffen. Aber auch Bauslots, Entwicklungs- und Auftragsplättchen sind endlich und heiß begehrt. Du stehst überall in Konkurrenz. Bauen kannst du auch nur dort, wo an den Bauslots Bagger stehen. Hast du viele Bagger erspielt, gehören dir auch viele Bauslots. Der Kniff von Pampero: Bagger und auch teilweise je nach Aktion andere Elemente wie Strommasten, können von fremden Mitspielenden für eigene Aktionen genutzt werden. Die Aktionskosten gehen dann nur nicht in die Bank, sondern in die Kasse der Person, dem das Material gehört. Die freuen sich über die Siegpunkte. Wer geschickt spielt, kann andere zwingen, in diesen Kackapfel zu beißen.
Die Kuh im Wind
Es sollte klar geworden sein, dass ich Pampero wirklich schätze. Ich spiele es sogar gerne zu zweit auf dem gut angepassten Spielbrett. Da wird es ein kürzerer, komprimierter, aber nicht minder spannender Ritt. Trotzdem drängelt sich spätestens in der Spielerklärung eine „Kuh“ in den Vordergrund, die eigentlich nicht zur Sprache kommen will. Die Kuh heißt thematische Einbindung. Das Material ist genial, ich sehe Windparks, Bagger, Strommasten, weiß um den thematischen Background des Spiels … nur leider erscheinen Brüche bei der spielerischen Verknüpfung.
Anders als in einem Wasserkraft oder Funkenschlag stehen viele Spielelemente nicht im Dienst von gefühlter Energiegewinnung und Engineaufbau. Strommasten sind nichts anderes als Area-Control-Marker für Aktionen. Platzierte Transformatoren, Strommasten oder Windparks stehen nie im Zusammenhang einer Energiekette, eines Energieaufbaus oder Netzes. Auf abstrakte Weise sind alle erlebten Elemente spielmechanisch verknüpft, aber das Material lebt nicht seinen thematischen vermuteten Kern aus. Pampero bleibt ein komplexes und abstrahiertes Wirtschaftsspiel und ist kein Energie-Engine-Builder. Ich hätte gerne beides gehabt. Ohne Letzteres patzt das Brettspiel leider unnötig und lässt eine kleine Flaute entstehen.
Fazit
Bei Pampero herrscht stellenweise eine steife Brise, gefolgt von beschriebener Flaute. Die Anleitung ist für mich ungewohnter Weise ein echter Endboss gewesen. Das war Starkwind bei 5° an der Nordsee ohne Pudelmütze. Die thematischen Einzelteile sind zudem nur auf einer abstrakten Ebene miteinander verknüpft. Erwarte hier zu keiner Zeit fühlbare Energiegewinnung, bei der du Strommasten, Windparks und Transformatoren baust, damit du Energie gewinnbringend durch Uruguay leiten kannst. Hier erfüllt Pampero also durchaus die Bedingung eines Scheinriesen und es herrscht thematische Flaute.
Trotzdem ist Pampero kein Reinfall! Das Hantieren mit dem üppigen Material, die klare Symbolsprache und das Thema als Anstrich lassen mich trotzdem eintauchen. Spielerisch zeigt es dann seine Stärken. Das Kartenmangement, welches genial motivierend über verschiedene Ebenen verzahnt ist, pustet spielerischen Zauber über den Tisch. Die Tableauentwicklung hält Freiheiten offen, bietet Anspruch und bildet mit der Spielbrettentwicklung, bei der sich Interaktion um diverse relevante Elemente entfaltet, einen gelungenen Zweiklang. Durch die hohe Variabilität beim Spielaufbau erhält sich Pampero zudem seine Frische. Wirtschaftsspiele besitze ich nicht viele, Pampero wird aber sicher bleiben, vor allem, weil es viel weniger komplex ist, als es in der Theorie aussieht!
Pampero
ca. 125 €Kurzfakten
- Sehr wertiges Gesamtpaket
- Extrem reizvolles Kartenmanagement
- Angenehme Interaktion
- Weniger komplex als vermutet
- Hohe Variabilität
- Kein Energei-Engine-Builder
Spielinformationen
- Genre: Wirtschaftsspiel
- Personen: 1-4
- Alter: 14+
- Dauer: 60 - 150 Minuten
- Autor: Julián Pombo
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
MATERIAL
8.5
SPIELIDEE
8.5
SPIELSPASS
9.5
Hallo Christian,
Pampero ist derzeit eines meiner Lieblingsspiel im Kenner/Expertenbereich. Wir sind darin keine Neulinge aber wir haben gefühlt in den ersten 4 Partien immer eine Regel vergessen oder falsch interpretiert. Gerade die üppige Anzahl von Icons und auch manche Wertungsziele haben uns den Kopf rauchen lassen. Lobend zu erwähnen ist das im BGG Forum der Autor sehr schnell auf Regelfragen reagiert und dadurch bereits eine FAQ existiert und die meisten Fragen sich in dem Regelforum klären lassen. Wir spielen das Spiel auch gerne zu zweit was bei diesem Spiel gut funktioniert, wobei zu viert dies durch das nutzen der gegnerischen Infrastruktur eine ganz andere Dynamik erhält. Ich gebe zu das das Thema zum Teil recht abstrakt umgesetzt wurde, aber alles in allem durchaus stimmig ist.
Viele Grüße
Christian
PS: Von mir aus kann Ian O’Toole so gut wie jedes Spiel designen…
Hallo Christian,
das ist ganz schön weird … gleiches Spielgefühl, gleicher Name, gleicher Geschmack … als würde ich Kommentare mit mir selbst schreiben. 😀 😀 😀
Liebe Grüße
Christian