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Media AetasMedia Aetas machte mich auf den ersten Blick verdammt neugierig! Kurze Spielzeit, enorm schickes Material und nicht gleich wieder ein Klopper, der mich an einen Umzug denken lässt. Vielleicht ein richtiges Wohlfühlspiel? Es erinnert zudem an Majesty und irgendwie auch an Kingdomino. Das muss doch was für die Familie sein! Als ich voller Vorfreude den Deckel lüftete und mit überdrehter Stimme die Familie für eine Partie an den Tisch bat, sah ich wenig begeisterte Gesichter. Eines dieser Saure-Gurken-Gesichter in Form des jüngsten Sohnes fragte mich, ob wir das wirklich spielen müssen. Äh … das nennt man wohl einen klassischen Fehlstart!

Kurzcheck: Darum geht es in Media Aetas

Der Hintergrund des Spiels war irgendwas mit Lehen ausbreiten und Geld verdienen. Gutsherr oder Baronin? Ich habe doch keine Ahnung. Ist mir aber auch egal. Ich bin eh schon durch das Material verzaubert, welches direkt aus der Welt von Oltréé entsprungen sein könnte. Dicke Pappe, tolle Tableaus, wunderschöne Holzfiguren und individuelle Gestaltung der Plättchen, Media Aetas lädt zum Spielen im feinsten Gewand ein.

Spielerisch ist es am Ende wie vermutet eine Mischung aus einem aufgebohrten Majesty und Kingdomino. Wie es sich für ein Familienspiel gehört, ist das Spiel sehr schnell erklärt und auch die Züge haben kaum Downtime. Im Prinzip wählst du jede Runde aus einer Auslage ein Plättchen aus, welches du passend zu einem deiner 8 Gebiete legst. Nun aktivierst du je nach bepuzzeltem Gebiet einen Sondereffekt und erhältst noch Münzen. Hierbei sind die Plättchen kumulativ, wer mehr von einer Sorte hat, der bekommt mehr. Gespielt werden so vier Durchgänge á 4 Runden, wobei am Ende jedes Durchgangs eine Zwischenwertung stattfindet. Wer am Spielende das meiste Geld besitzt, gewinnt. Mein gurkengesichtiger Sohn würde nach diesem Absatz immer noch schreiend den Spieltisch verlassen. Ich hoffe, du bleibst noch sitzen!

Media Aetas
Ich finde es schon ziemlich schick.

Kingreizdomino

Der erste Spielreiz gerade auch in Abgrenzung zu Majesty entsteht durch eine bekannte Implementierung von Kingdomino, gepaart mit einer veränderte Auslage. Pro Durchgang wird viermal ein Plättchen gewählt. So weit, so klar. Der Clou: Alle Plättchen liegen schon aus! Du weißt also, was du in der zweiten, dritten und vierten Runde wählen könntest – zumindest theoretisch, es sitzen ja auch andere Plättchengeier am Tisch. Wählst du ein Plättchen, legst du es in deine Auslage und stellst danach deine Spielfigur in die nächste untere Reihe auf ein neues Plättchen deiner Wahl. Nächster Kingdomino-Kniff: Die Reihen mit euren Spielfiguren werden von links nach rechts aktiviert. Wer also das erste Plättchen einer Reihe nimmt, darf seine Spielfigur als erstes in die nächste Reihe verschieben und hat damit die beste Auswahl für die folgende Runde! Dabei besitzt das Spiel wie Kingdomino allerdings eine Mechanik, die beim Auslegen der Plättchen dafür sorgt, dass die eher schlechten links liegen und die besten rechts. Da dreht die Zwickmühle einen durch den Entscheidungsmalstein. Herrlich!

So hangelt ihr euch pro Durchgang von der ersten bis zur letzten Reihe durch und es ist einfach wahnsinnig spannend. Was nehmen die anderen? Wie positioniere ich mich für die beste Auswahl von Runde zu Runde? Und es kommt noch besser, wurde eine Reihe abgefrühstückt, wird diese direkt aufgefüllt. Ich kenne also im aktuellen Durchgang schon die Auslage für den nächsten Durchgang. Das macht Media Aetas weniger glückslastig, strategischer und aus meiner Sicht auch spaßiger.

Media Aetas
Die letzte Runde eines Durchgangs (Figuren stehen in der letzten Reihe). Trotzdem sehen wir schon für den nächsten Durchgang die ersten drei Reihen.

Klimper, Klimper, Klimper

Das ist aber noch nicht alles! Verdammt, der Satz hört sich nach schlechtem Teleshopping an. Es macht brutal viel Spaß, sein Tableau mit den Plättchen zu erweitern. Erst einmal optisch. Ich mag es, wie sich die Landschaft vor einem ausbreitet. Vor allem ist es spielerisch aber ein echter Spaß! Jede Gebietsart ist dabei auf seine Art interessant und zwischen ihnen gibt es auch Synergien. Geben die Getreidefelder z.B. als Sondereffekt pro Bauern Geld ein, ist jedes Plättchen, ganz egal, welches Gebiet mit abgebildeten Bauer lukrativ. Du kannst Kasernen errichten und wer weniger Türme als du Kasernen hast, muss Plättchen abreißen. Hier steckt also echte Interaktion drin! Bei der Mühle ebenso, hier löst man nach Mehrheit aus. Jeder beäugt somit ständig die Auslage der anderen. Dazu gibt es Gebiete wie die Kirche oder den Palast, die von sich aus schon viel Geld ausschütten, aber andere Gebiete dauerhaft verbessern können! Heftig stark, nur liegen diese Plättchen in der Auslage fast immer ganz weit rechts. Stell dich darauf ein, dass du also dann in der folgenden Runde nur noch den Mist bekommst. Optisch wie spielerisch übt Media Aetas hier wirklich einen Sog aus!

Anfänglich klingelt die Kasse noch nicht.

Weitere Spieltiefe

Es ist vielleicht auf den ersten Blick nur eine kleine Neuerung, aber die Zwischenwertungen, die zufällig beim Spielstart ausgelegt werden, bringen auch noch frischen Wind ins Spielgefüge. Du gewinnst eben über den fettesten Geldbeutel. Das Ziel ist also, in jeder Zwischenwertung ordentlich Münzen abzustauben. Entsprechend ist man hier gezwungen, von Wertung zu Wertung und Partie zu Partie anders vorzugehen. Abwechslung steckt also auch drin! Ebenso schön: Wer ein Gebiet gar nicht ausbaut, wird mit Minuspunkten am Spielende beschenkt. Feinheiten, aber richtig gute!

Media Aetas
In jeder Partie winken andere Zwischenwertungen.

Mein neues Lieblingsspiel

Kommen wir doch zum Gurkengesicht zurück. Die Situation hat sich geändert. Aus „muss ich das wirklich spielen“ ist ein „das ist mein neues Lieblingsspiel geworden“. Kein Witz, das ist die originale Aussage meines Sohnes! So weit würde ich selbst nicht gehen, aber ich verstehe seine Kehrtwende. Media Aetas besitzt eine grandiose Mischung aus kurzweiliger Spielzeit, eine spannende wie interaktive Plättchenauswahl und einen motivierenden Tableauausbau. Wir fluchten ständig, weil einem was weggeschnappt wird. Alle hatten ihre Power-Synergie-Aktionen, wo jeder Applaus erwartete und den anderen verbal erklären musste, wie geil das jetzt war. Dazu profane Belohnungsgefühle, wenn gerade am Spielende die Kasse so richtig klingelt. Aus Münzen werden Rubine werden Diamanten. Und auch die destruktiven Elemente, wie das Klauen von Geld durch Mühlenmehrheiten oder das Abreißen von Plättchen ist eine spannende Sache. Ich sage spannend. Meine Kinder sagen, es ist save ehrenlos und ich wäre ein fieser Bro! Nur um selbst in der nächsten Partie mit fettestem Lächeln zu Ehrenlos 2.0 zu mutieren.

Media Aetas
Am Spielende schaue ich gerne auf meine gebauten Lehen.

Fazit

Media Aetas hat abgeliefert! Es gab eine Zeit, da haben wir gerne Kingdomino gespielt. Es war so ein richtiges Wohlfühlspiel. Und ja, auch Majesty ist nett. Media Aetas vereint nun die Stärken beider und wurde dann im Kessel der Schönheit gebadet. Der Begriff Familienspiel wurde für genau die angebotene Mischung von Media Aetas erfunden. Zugängliche Spielregeln, kaum Downtime, mit viel Interaktion gesegnet und einer kurzweiligen und spannenden Entwicklung. Die starke Auswahlmechanik, die genau die richtige Portion Strategie ermöglicht, ohne zu überfordern, ist wirklich gut abgestimmt. Entsprechend ist für mich Media Aetas eine echte Überraschung und bisher eines der besten Familienspiele 2024.

Media Aetas
Spielinformationen
Genre: Legespiel | Personen: 2 - 5 | Alter: 10 Jahre | Dauer: 30 Minuten | Autor: Marc André | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
8
MATERIAL
9
SPIELIDEE
7
Positive Aspekte
Tolles Artwork und Material
Sehr schnell zu lernen
Interaktion vorhanden
Motiverendes Enginebuilding
Abwechslung durch Zwischenwertungen
Negative Aspekte
Teilweise destruktive Aktionen möglich
8
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12 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Hallo Christian,
    das klingt interessant – Kingdomino war das einzige Spiel, das ich mir in meiner jahrelangen weitgehenden Spieleabstinenz zugelegt und immer wieder mal gespielt hatte. Hatte sich dann aber irgendwann etwas totgelaufen. Media Aetas schau ich mir auf jeden Fall an…

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    • Ich bin verwundert bis begeistert, KK. Du findest ein Spiel gut 😀 😉 Im Ernst, schau es dir echt mal an. Ich war wirklich positiv überrascht. Gerade wenn Familienspiele schick und gut gemacht sind, so einen speziellen Sog entwickeln, dass alle Am Tisch eine gute Partie hatten und es gerne noch einmal spielen, dann erfüllen sie absolut ihren Zweck. Es gibt auch Brettspiele dieser Art, die bleiben dann eher innerhalb der Familie. Hier war dies nicht so. Ich zeige und Spiele das Spiel gerne, auch mit Menschen, die anspruchsvolleres spielen.

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      • Ich finde eigentlich recht viele Spiele gut – nur sind die selten Mainstream, in der von mir besuchten öffentlichen Spielerunde oft als „zu seicht“ empfunden und allenfalls als abschliessende „Absacker“ akzeptiert (oder alternativ von vielen dort „zu verkopft“ wie Cryptid, Ricochet Robots und ähnliches), als dass ich dort regelmässig Mitspieler fände – bin dort schon des öfteren unverrichteter Dinge wieder nach Hause gefahren, weil ich einfach keine Lust auf Terraforming Mars, Arche Nova und solche Sachen habe.
        Und da ich selbst auch nur sehr schlecht Spiele erklären kann, die ich nicht selbst schon am besten mehrfach gespielt habe, liegt hier noch einiges komplexere ungespielt herum, was ich nicht zuletzt auch wegen des hier in Eurem Blog gewonnenen positiven Eindrucks angeschafft hatte (The THING, Mind MGMT oder Abgrundtief zB).

        Hatte hier aber auch schon des öfteren kundgetan, wenn mir was gefällt (Targi zB, obwohl letzteres Punktesammelei). Ich mag auch The LOOP sehr gern, oder Wortspielchen wie Codenames oder Krazy Wordz. Letzte Anschaffungen, die es oft auf meinen Tisch schaffen, sind Cat In The Box und Poject L.

        Vielleicht macht Ihr mal einen Bereich, wo Eure Leser ihre (aktuelle) Top 10 als Kommentar posten können – dann wird sich das mit dem Missverhältnis von „Mainstream“ und meinen Vorlieben wohl bestätigen 😉

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        • Das war ja auch eher ein Scherz meinerseits. Ich kenne das übrigens sehr gut, was du da beschreibst. Ein Cryptid finde ich z.B. mega! Und es gibt zig Brettspiele, die ich liebe, damit aber eher auf wenig Begeisterung treffe. Als Beispiel wäre da ein Weimar: Kampf um die Demokratie oder Wir sind das Volk zu nennen. Ich mag sehr gerne historisch angehauchte Brettspiele, die geschlichtlich und politikwissenschaftlich etwas erzählen wollen. Jetzt aktuell ist gerade „Friedrich Ebert“ eingetroffen. Ich habe also auch einen Hang zu weniger mainstreamigen Brettspielen. Ich schreibe nur eben nicht über Brettspiele, die ich nur ein oder zweimal gespielt habe, weil ich das unseriös finde. Eine Rubrik „angespielt“ könnte das ändern. Machen ja einige. Ich finde das aber eigentlich nicht gut. Ich kenne zu viele Brettspiele, die in der ersten Partie noch richtig strahlen und in der dritten dann abrutschen.

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          • „Ich kenne zu viele Brettspiele, die in der ersten Partie noch richtig strahlen und in der dritten dann abrutschen.“

            Siehst Du – wenn mir ein Spiel nicht schon in der ersten Partie offenbart, dass es meinen Nerv trifft, spiel ich es kein zweites Mal. Ich bin auch nicht erst einmal schon bei der Erklärung eines Spiels ausgestiegen – meisst dann, wenn ich dachte, „das sind die Regeln, lasst uns endlich anfangen“ – aber dann der zweite Teil des Vortrags mit den ganzen Ausnahmen von diesen Regeln noch folgen soll.

            Aber ich will oder muss ja auch nicht regelmässig drüber schreiben 😉

          • Es gibt das definitiv auch umgekehrt. Darum mag ich generell direkte Beurteilungen nach einer Partie nicht. Selektive Wahrnehmung, Verhalten der Mitspielenden, evtl. Regelfehler, Überinterpretation von Elementen aufgrund zu wenig strategischer/taktischer Erfahrung innerhalb des Spiels. Die Liste lässt sich weiterführen. Ich mag es Brettspiele genau deshalb mehrmals zu spielen. Seichte Spiele glänzen plötzlich mit Tiefgang, komplexe Brettspiele werden wesentlich zugänglicher, der ganze Horizont wird erweitert. Ich lese und höre oft, dass man mit allgemeiner Brettspielerfahrung nach einer Partie Brettspiele schon einschätzen könne. Ja, da stimme ich z.T. zu. Nur leider habe ich so viele Ausnahmen erlebt, dass ich diesen Aussagen eben nicht komplett zustimme. Extremes Beispiel war bei uns Boonlake. Es wurde mit jeder Partie so viel besser und die Ersterfahrung war gar nichts wert. Man vergleiche einmal bei Cooper Island die Erstpartie mit der zehnten. Ein irrer Unterschied.

  • Danke für den Test… Ich habe mir das Spiel schon auf meine nicht stattfindende Spiel`24 Liste gesetzt gehabt. Trotz des sehr nüchternen Covers 😉
    Aber dieses Plättchenlegespiel-Konzept fand ich spannend. Und da fehlt mir etwas in der Art in meiner Sammlung (es gibt nur Caracassone und Kingdomino).
    Dein Test hat damit den letzten Ausschlag gegeben und ich habe es vorbestellt…Danke für den schön zu lesenden Test

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    • Ich mag solcherart Legespiele auch sehr gern.

      Ich hatte neulich Gelegenheit, mal Mini-Golf-Designer zu spielen, das fand ich auch recht gut in dem Bereich. Meine Einschätzung beruht allerdings bislang auf nur einer Zweier-Partie. Mal sehen, ob es sein Besitzer demnächst mal wieder auf den Tisch bringt, gerne auch in etwas grösserer Besetzung…

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      • Hallo ihr 2,

        eine wichtige Sache, auch gerade an dich Denny Crane. Es wird um Plättchen gespielt und diese werden auch ausgelegt, aber Media Aetas ist nicht mit Carcassone oder Kingdomino zu vergleichen, weil dort das Puzzeln im Vordergrund steht. Media Aetas hat ja feste Reihen, wo die Plättchen hinkommen. Es ist also eher ein Plättchenauswahlspiel und Enginebuilder.

        Liebe Grüße

        Christian

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        • ok, danke für den Hinweis…damit kann ich auch weiterhin gut leben und bleib bei der Vorbestellung. Ich schreibe dir dann ob/wie es angekommen ist

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  • Das Spiel ist angekommen. boah sieht das schön aus…wird aber vermutlich erst morgen gespielt

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    • Ich hoffe, es gefällt dir/euch ebenso. Schönheit und Wertigkeit trifft hier einfach auf ein motivierendes und schnell zu spielendes Familienspiel. Wir spielen es immer noch ab und an, was ein wirklich gutes Zeichen ist.

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