Euphoria hat trotz seiner bunten Optik ein rabenschwarzes Thema! Der Untertitel Build a better Dystopia sagt alles. Als kleines Rädchen erwachen wir aus unserem Unwissen, wie einst Winston Smith in George Orwells Roman 1984. Die blühende Stadt Euphoria ist erbaut durch die Unterdrückung der einfachen Arbeiter, die laut der Spielbrettinterpretation nur systemtreue Klonmenschen sind. Die Elite hat Freiheit und Wissen unterbunden! Für die wenige Glückseligkeit ziehen am Himmel Zeppeline der Icarites. Andere schuften im Untergrund oder in den staubigen Wastelands für das System. Doch du weißt nun Bescheid! Du hast einen Plan: das System unterwandern, Experten und Arbeiter anheuern und das System stürzen.
Kurzcheck: Darum geht es in Euphoria
Euphoria ist ein Würfeleinsetzspiel für zwei bis sechs Spieler, bei dem jeder Würfel einen Arbeiter repräsentiert. Durch geschicktes Einsetzen der Arbeiter auf diversen Aktionsfeldern erhält der Spieler Rohstoffe, Handelswaren und wertvolle Artefakt-Karten. Zusätzlich fördert man den Einfluss der vier Fraktionen um Boni freizuschalten. Durch geschicktes Tauschen der Einnahmen erhält man weitere Arbeiter, schaltet Märkte frei, die zusätzliche Aktionen ermöglichen und fiese Sonderregeln ins Spiel bringen, und vor allem platziert man seine Einflussmarker (Sterne). Anders als in vielen anderen Vertretern dieses Genres wird der Sieger nicht über Siegpunkte ermittelt, sondern es gewinnt derjenige, der zuerst seine zehn Einflussmarker platziert hat. Euphoria ist somit ein Wettrennen und erinnert entfernt an Scythe oder Charterstone. Wie nicht anders von Stonemaier Games zu erwarten, greifen die Mechanismen gekonnt ineinander, trotzdem saß ich nicht immer euphorisch nach einer Partie Euphoria am Tisch! Was ist da passiert?
Ein Schmeichler
Erstmal sieht Euphoria fantastisch aus und ist nicht weniger großartig produziert! Es übertrifft kein Scythe, aber von den wertigen Würfeln über das dicke Spielbrett, perfekten Inlays und den vielen grandiosen Holzmarkern, weiß dieses Spiel jeden Spieler zu überzeugen. Die Spielanleitung – auch auf Deutsch downloadbar – ist gut geschrieben. Man will sich in dieser Dystopie sofort vergraben! Die Symbolik ist ebenfalls schnell verinnerlicht und auch wenn das Spielbrett und die Fülle an Aktionen vielleicht erst einmal abschrecken, ist das Spiel in seiner Gesamtheit doch relativ zügig verstanden.
Der Spielspaßmotor
Würfel oder Arbeiter einzusetzen um Ressourcen zu erhalten, die man dann in was auch immer umtauscht, lockt keinem mehr hervor. Was also macht Euphoria hier besser? Das erste Element kennt man aus Charterstone und heißt Verdrängung. Auf vielen Aktionsfeldern kann ich auch Arbeiter einsetzen, wenn das Feld besetzt ist. Ich tausche die Arbeiter einfach aus und der verdrängte Arbeiter kommt zu seinem Spieler zurück. Habe ich zu einem Zeitpunkt keine Arbeiter, muss ich aussetzen und darf dann eine beliebige Anzahl von Arbeitern aktiv zurücknehmen. Durch geschicktes Platzieren der Arbeiter und dem Verdrängungsmechanismus kann ich dieses Aussetzen verhindern. Ich muss das Spiel der Gegner lesen oder mir selbst Einsetzketten überlegen, wo ich mich immer wieder selbst verdränge.
Genauso viel Spaß machen die Märkte! Zufällig verdeckt verteilt, können die Spieler durch die Abgabe von wertvollen Ressourcen Markte bei den Fraktionen errichten, die einmal im Spiel eine neue Sonderregel ins Spiel bringen. Jeder Spieler, der beim Errichten des Marktes mitgeholfen hat, darf einen Einflussmarker platzieren und ist von der Sonderregel nicht betroffen. Die Sonderregeln sind immer negativ und je nach Spielsituation schon schmerzhaft. Man sollte also versuchen, sobald Spieler einen Markt errichten, schnell mitzuhelfen. Die Frage ist, ob du die passende Rohstoffe noch auftreiben kannst? Hier entwickelt Euphoria eine angenehm fiese Interaktion. Auch Absprachen mit Mitspielern sind möglich, um gezielt so Märkte zu erschaffen, dass bestimmte Spieler ausgebremst werden.
Dritter Streich für den Spielspaß am Tisch sind die Fraktionen. Davon gibt es insgesamt vier, die jeweils einem Rohstoff und Handelsware zugeordnet sind. Man kann allerdings bei drei Fraktionen einen Tunnel graben, um so an fraktionsfremde Handelswaren zu gelangen. Löst man spezielle Aktionen aus, erhöht sich die Loyalität einer Fraktion und man schaltet dauerhafte Boni frei. Das wären Extra-Handelwaren für die Abbaufelder, verbesserte Tunnelaktionen für den Erhalt von Artefakten und Ressourcen, das Aufdecken von Spezialisten und zum Schluss gar das Platzieren von Einflussmarkern auf diesen Experten. Gerade die letzten beiden Veränderungen sind das versteckte Herzstück von Euphoria.
Die Experten
Vor Spielbeginn erhält jeder Spieler zwei Experten-Karten, von dem er eine offen auslegt, die andere bleibt geheim. Diese Experten gehören einer Fraktion an und glänzen durch eine meist interessante Sonderregel. Diese sind völlig unterschiedlich und können auch stark in das Spiel anderer Spieler eingreifen. Den zweiten Experten kann ich erst aufdecken, wenn die Fraktion genug Loyalität gesammelt hat. Am Ende sollte man zudem versuchen die Fraktion(en) seiner Experten auf das Maximum zu bringen, denn so kann ich wie erwähnt die Einflussmarker platzieren und bin dem Spielsieg näher. Im Spiel versucht man also die Fraktionen zu pushen, von denen man Experten besitzt. So ergeben sich zwangsläufig Allianzen zwischen Spielern gleicher Expertenfraktionen. Da Spieler oft alle Handelswaren und Ressourcen brauchen, kann es durchaus vorkommen, dass man die Fraktionen von Gegenspielern notgedrungen verbessert. Sollte man vermeiden! Da kommen dann die Tunnel ins Spiel, über die man sich Waren fremder Fraktionen ergaunert. Ohne weiter ins Detail zu gehen, ist es später möglich noch einen dritten Experten zu erhalten.
Aufwachen vermeiden!
Warum werden nun Würfel in Euphoria und keine Meeple benutzt? Die Würfelzahl spiegelt das Wissen der Arbeiter über das System wider. Immer wenn ich einen Arbeiter erhalte, sei es einen neu produzierten, durch eine Verdrängen-Aktion oder weil ich sie zurückhole, muss ich sie neu werfen. Danach werden alle Würfelzahlen mit dem Wissenswert auf dem Spielbrett addiert. Ist das Ergebnis 16 oder höher, muss ich einen Würfel wieder abgeben! Der Arbeiter hat das kranke System erkannt und die Beine in die Hand genommen. Diese Mechanik ist zwar etwas glückslastig, sorgt aber dafür, dass ich darauf achten muss, meine Arbeiter geschickt zurückholen und es tunlichst vermeiden sollte zu viele freie Arbeiter zu haben. Das spielt sich frisch, denn in vielen Arbeitereinsetzspielen ist es meist von Vorteil eine Masse an freien Arbeitern zu besitzen.
Keine Empfehlung? Doch! Oder?
Ja, was denn nun? Ihr kennt nun die Mechaniken die in Euphoria stecken und nach ein paar Partien sollte man ein Fazit fällen können. Bei Euphoria fällt mir das schwer, weil das Spielgefühl so extrem schwankt. Ich habe es zu zweit ausprobiert und ehrlicherweise muss man da ganz klar sagen, das ist nichts! Die Tunnel sind zu lang für zwei Spieler, es gibt zu viele Fraktionen, als das sie alle unterstützt werden könnten, die Verdrängung fällt stärker unter den Tisch und das Fraktions- und Allianzsystem ist weniger spannend. Kein Wunder, dass die Erweiterung Euphoria: Ignorance Is Bliss hier ansetzt und das Spiel für zwei Spieler durch AI-Spieler verbessert.
Je mehr Mitspieler, desto besser wird Euphoria! Normalerweise finde ich Eurogames bei fünf Spieler oft zu langwierig und anstrengend, bei Euphoria wird die Dystopie so erst zum Spielspaßtempel. Das beeindruckende ist auch die Spielzeit! Wer die Regeln kennt und zügiger spielt, der kann Euphoria mit mehr als vier Spielern trotzdem in 60 Minuten spielen. Das ist bei dem Umfang des Spiels ziemlich konkurrenzlos! Die Interaktion ist zudem schön hoch. Sei es im Streit um den Ausbau der Fraktionen, den Bereichen wo man Einflussteine platzieren kann, den Sonderregeln durch Experten und das Verdrängen wird so zum stetigen Begleiter.
Allerdings hatte ich auch Partien die in Sachen Spielspaß in die Hose gingen. Manchmal für die ganze Gruppe, manchmal nur für einen Spieler. Ein Spieldurchgang kann eine ganz eigene Dynamik entwickeln, sodass die Märkte nicht gebaut werden, was dem Spielspaß schadet. Alleine bindet man zu viele Würfel und es ist auch zu teuer. Steigt kein anderer mit ein, versauert die Baustelle. Auch kann das Gefüge der Experten dafür sorgen, das manche Fraktionen stark überrepräsentiert sind. Gehört man dann nicht dazu, wird es sehr schwer alleine seine Fraktion zu verbessern und der Spielspaß sinkt für denjenigen merklich. Würfelglück, wie beim Pasch, was eine Doppelaktion ermöglicht oder Pech, was die stetige Vernichtung von Würfeln bedeutet, können manchmal stark beeinflussend sein. Durch den Charakter des Wettrennens sieht manch einer so früh seine Felle davon schwimmen.
Fazit
Was steht nun unterm Strich? Schwierig! Bestes Beispiel war ein Spielabend, wo wir zu fünft zwei Partien gespielt haben. Die erste Partie war ein Durchgang zum Vergessen, der zweite Durchgang ein absolut spaßiges Unterfangen. Was an dieser Stelle für Euphoria spricht, ist der Umstand das überhaupt zwei Partien innerhalb kürzester Zeit mit fünf Spielern möglich waren. Ein solch komplexes Spiel, mit diesem wunderschönen Material in 60 Minuten, auch bei fünf Spielern, ist es wert im Schrank zu haben! Denn wenn alles ineinander greift, die Märkte funktionieren, man sich gegenseitig die Worker verdrängt, auf Wissen und Moral achten muss, die Experten witzige Regeln ins Spiel bringen und man sich um die Loyalität der Fraktionen ausgeglichen bekämpft, dann wird das Spaß-Potential voll ausgeschöpft. Wer also öfters in größeren Gruppen Brettspiele auf den Tisch bringt und Würfeleinsetzspiele favorisiert, der sollte sich Euphoria anschauen.
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