Lesezeit: 5 Minuten
Agent Avenue ist wie ein Rendezvous zwischen Frischverliebten: Die Atmosphäre ist geschwängert vor Spannung, intensive Blickkontakte streicheln sich und schwitzige Hände verfangen sich am Tischtuch. Ein Rendezvous bei Agent Avenue hat aber noch zwei Elemente zum Date mitgebracht. Da wäre ein scharfes Messer hinter dem Rücken und eine falsche Zunge, die schmeichelt, aber nur dein Verderben will. Oder etwa nicht? Schau in mein Gesicht, ich teile immer fair. Und damit wären wir direkt beim Spielreiz.

Kurzcheck: Darum geht es in Agent Avenue

Katzenagentin und Hundeagent laufen auf einem Rondell. Wer dem anderen zuerst am Popo schnuppert, hat gewonnen. Anders ausgedrückt, du musst eine Spielfigur einholen. Spielziel abgehakt. Die Grundmechanik ist dabei nach dem Motto „ich teile, du wählst“. Kennt man von jedem Pausenhof, wenn es um Schokolade geht. Oder vielleicht vom Scheidungskrieg. Ich kenne und liebe es in Brettspielen seit Geschickt Gesteckt.

Agent Avenue ist in 2 Minuten erklärt, vielleicht sogar schneller. Du hast zwei Handkarten. Bist zu am Zug, ziehst du zwei weitere. Jetzt hast du vier Handkarten. Davon wählst du zwei aus. Die eine Karte legst du offen aus, die andere verdeckt. Wer sitzt vor dir? Egal, die Person suchst sich jetzt die offene oder verdeckt ausliegende Karte aus, du bekommst die andere. Jede Karte ist dabei nicht nur fabelhaft gestaltet, sondern bildet auch einen Charakter ab. Dieser Charakter schenkt euch beiden gleichzeitig einen Bewegungswert. Je nach Charakter variiert dieser. Der Clou: Es gibt drei Stufen. Erhältst du den Charakter ein zweites oder drittes Mal, verändern sich die Werte. Das Spiel besteht also auch aus Set-Collection. Aufgrund der offenen Karten aus den vorliegenden Runden ist euch beiden klar, wer von euch welche Karten möchte oder nicht. Spannend, der Tiefgang geht aber weiter!

Agent Avenue
Richtig schick, oder?

Drei sollt ihr sein

Es wäre zu langweilig, wenn mit zunehmender Menge von gesammelten Charakteren, diese nur dafür sorgen, dass die Agenten einfach immer nur schneller laufen. Der Spielspaßturbo ist die Andersartigkeit der Charaktere und den darin schlummernden Taktiken beim Teilen und Wählen. Die Codeknackerin lässt mich als Hundeagent beim ersten und zweiten Mal gar nicht vorwärtslaufen. Das ist gefährlich, weil ich so wesentlich schneller den heißen Fischatem meiner Frau, äh der Katzenagentin im Nacken spüre. Bekomme ich allerdings die Codeknackerin ein drittes Mal, gewinne ich sofort! Der Draufgänger hingegen lässt einem beim dritten seiner Art sofort das Spiel verlieren. Beim Saboteur muss der Agent hingegen Rückwärtslaufen. Das ist zumindest im normalen Spielmodus eher ein Supergau. Wer den offen hinlegt … was mag da erst verdeckt liegen? Die Taube als Aufpasser hingegen skaliert heftig von 0 über 2 bis hin zu 6 Feldern. Weitere Charaktere spare ich mir, ihr habt den Clou sicher verstanden. Da jeder Charakter nur sechsmal im Spiel ist, wird strategischen Spielen und der Blick auf die bisher gespielten Charaktere und deren Anzahl belohnt, auch wenn der Hauptfokus natürlich taktischer Natur ist.

Agent Avenue
Gleicher Charakter, aber immer anders gestaltet.

Mehrwert

Der normale Spielmodus ist aber schnell Geschichte. Richtig Spannung kommt durch den erweiterten Modus auf. Gelangt hier ein Agent am Ende einer Bewegung auf die Eckfelder des Rondells, darf eine von drei ausliegende Spezialkarten aktiviert bzw. genommen werden. Manchmal Soforteffekte, andere sind dauerhaft, aber immer sind sie auf spielerische Art verdammt lecker. Jetzt ist der Saboteur plötzlich praktisch, weil ich mit ihm auch auf ein Eckfeld zurücklaufen kann. Das eher zielgerichtete Vorwärtshetzen wird so aufgebrochen, weil das punktgenaue Landen auf den Ecken langfristig eher dafür sorgt, dass ich das Spiel gewinne. Glaubt mir, die Effekte sind richtig cool und durch 15 verschiedene Karten ist auch etwas Abwechslung dabei. Was allerdings passieren kann: Durch geschicktes Taktieren, falscher Wahl und ausliegenden Karten, kann eine Partie verdammt schnell vorbei sein. Finde ich nicht weiter schlimm. Die Partien sind eh kurz und dann spielt man einfach noch eine Runde.

Agent Avenue
Der erweiterte Modus ist ein echter Mehrwert.

Neeeeeeeeeeeeeein!

Wirklich Leute, ich liebe diese Situationen, die mir Agent Avenue schenkt. Natürlich ist das Spiel ein Absacker oder Reisespiel, aber es kreiert trotzdem epische Spannung zum Ablachen und Fingernägelkauen. Diese Momente, wo vor mir zwei Karten ausliegen, ich immer wieder in das Gesicht meiner Frau schaue und mir denke, was verdammt willst du mir da unterjubeln. Wenn die Pest schon ausliegt, ist die Cholera wirklich verdeckt? Ist das ein billiger Bluff? Und auch wenn ich selbst viele gleiche Karten eines Charakters auf der Hand habe, wie bekomme ich die alle zu dir? Oder zu mir, je nach Situation. Was packe ich verdeckt auf den Tisch? Natürlich immer mit dem besten Autoverkäufergrinsen. Ich will doch immer dein bestes, Schatz! Nimm die Karte. Komm! Kleine Katze, greife zu. Natürlich greift sie nicht zu. Meine Frau nimmt die offene Karte und ich lache mir den Arsch ab, weil natürlich die bessere Karte verdeckt auslag. Dreimal gemacht, bis die Arschkarte wirklich verdeckt ausliegt. Wir führen uns gemeinsam am Ring durch die Nase um den Spieltisch. Oder so. Alleine diese Drucksituation, wenn ich schon zwei Draufgänger habe und weiß, jeder weitere besiegelt meine Niederlage! Hat man da genug Gurke im Schritt, um wirklich eine verdeckt ausliegende Karte zu wählen?

Agent Avenue
Welche Karte wählst du?

Fazit

Agent Avenue hatte ich vor der SPIEL ’24 überhaupt nicht auf dem Schirm. Während der Messe bin ich eher zufällig darüber gestolpert und einfach nur happy, diese kleine Perle nun zu besitzen. Die Gestaltung von Fanny Pastor Berlie ist absolut charmant, erinnert an die besten Zeiten von Disney. Durch und durch liebevoll. Gibt dieser Frau mehr Brettspiele zur Illustration in der Hand. Das Spielprinzip von Agent Avenue gibt sich simpel, ist absolut schnell verstanden und dazu passt der Karton in jede Reisetasche. Gute Voraussetzungen, aber der wirkliche Bringer ist die kurzweilige, mit Spannung getränkte Auseinandersetzung zwischen zwei Personen, die sich gerne in die Augen schauen, ihre Zunge mit netten Worten benetzen, um mit schallenden Lachen den eigenen Bluff zu feiern. Oder sich so richtig zu ärgern, wenn der Plan nicht aufgeht. Das Gute: Eine Person lacht am Ende immer. Im erweiterten Modus legt das Spiel zum Glück noch eine Schippe Taktik drauf, weil es sonst dann doch zu einfach für meinen Geschmack gewesen wäre. So aber mausert sich die Agentenhatz zu einem herrlichen taktischen und kommunikativen Absacker mit allerhand kleinen Winkelzügen und Bluffs!

Agent Avenue
Spielinformationen
Genre: Bluff-Spiel | Personen: 2 (- 4) | Alter: ab 8 Jahren | Dauer: 10 - 20 Minuten | Autor-/in: Christian Kudahl, Laura Kudahl | Illustration: Fanny Pastor Berlie | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
8
MATERIAL
8
SPIELIDEE
7.5
Positive Aspekte
Einfache Spielregeln ...
... trotzdem viel Spannung!
Erweiterter Modus Pflicht!
Kurze Spielzeit
Wunderschöne Optik
Klein, aber wertig
Negative Aspekte
Normaler Modus nur zum Einstieg oder mit Kindern interessant
Manche Partien sind sehr kurz
8
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • schöner Test. den Basismodus haben wir tatsächlich auch nur 1x gespielt, danach ist der Schwarzmarkt nicht mehr wegzudenken. und dann kann ich endlich auch mit 3 Draufgängern gewinnen.( ist einfach das coolste Artwork).
    ein schönes kleines Spiel, stylish von der Optik UND den Regeln

    Antworten

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