Kurzcheck: Darum geht es bei Alle unter einem Dach
Man kennt das ja, da stirbt jemand im Erdgeschoss und von der schrulligen alten Dame, über den zu lockerem Studenten bis hin zum Oberspießer und Unsympath könnten es alle fünf Nachbarn gewesen sein. Wie nun vorgehen? In welche Wohnung geht man zuerst? Wen fragt man nach Motiven und welche Wohnung bietet wohl die interessantesten Hinweise? Wie es sich für Hidden Games gehört, ist die Fülle und Kreativität innerhalb des zur Verfügung stehenden Material zur Lösung des Falls absolute Oberklasse. Es warten wieder diverse Fotos, Berichte, Sprachnachrichten, Anrufe und Webseiten darauf, erkundet zu werden. Dass diese immersive Art des Spielmaterials, diese hohe Qualität ausnahmslos aller Komponenten nach so vielen Fällen kaum noch überrascht und es punktuell trotzdem noch gelingt, ist eigentlich ein beeindruckendes Merkmal der Serie. Alle unter einem Dach spielt sich daher letztendlich grandios immersiv und spannend, aber eben vom grundsätzlichen Ablauf auch bekannt, wenn man andere Krimifälle von Hidden Games kennt. Beweise sammeln, kleine logische Rätsel lösen, Vermutungen durch Beweismaterial bestätigen lassen oder neue Theorien aufstellen, bis man in der Lage ist, den Fall auf logische Art zu lösen. Eine Sache macht dieser Fall allerdings anders und dieser Kniff gefällt mir außerordentlich!
Das Dilemma
Krimi-Spiele besitzen oft ein Dilemma, welches gerade für Einsteiger:innen Probleme bereiten kann. Meist öffnen wir eine Schachtel und darin finden wir eine Einführung in den Fall und gleichzeitig unzähliges Material. Wir bekommen die volle Ladung von Akten, Briefen, Bildern, Karten, Zeitungsartikeln und darauf Hinweise für diverse Webseiten, Social Media Profilen, Telefonnummern oder was auch immer. Die Aufgabe ist nun, diesen Overkill an Informationen zu sortieren. Das kann Spaß machen, aber auch überfordern und es erhöht die Gefahr etwas zu übersehen.
Der Kniff mit den Wohnungen
Alle unter einem Dach funktioniert komplett anders. Der Start ist über eine etwas umfangreiche, aber sehr immersive Einführung von langsamer Natur. Danach obliegt es der Spielgruppe, welche Wohnung bzw. Nachbar:in sie befragen/untersuchen wollen. Durch die Wohnungen, schick über einen Spielplan zum Aufklappen auch visuell umgesetzt, und den Gesprächen mit dessen Bewohner:innen, erhält die Spielgruppe immer nur einen Teil von Informationen. Jede Wohnung steht für einen Umschlag. Jede Wohnung besitzt eine eigene Story, eigenes Material und einen ganz speziellen Blick auf den getöteten Herrn Uffman. Nach dem Besuch jeder Wohnung wird die große Hintergrundstory klarer oder aber sie wird durch völlig neue Erkenntnisse infrage gestellt oder eingerissen. Wendungen natürlich inklusive! Die Reihenfolge der Wohnungen und das damit erlebte Kopfkino ist dabei frei. Damit verschränkt Alle unter einem Dach gekonnt zwei eigentlich konträre Elemente: Freiheit und Führung. Ich halte daher diesen Fall als Einstieg in die Krimi-Reihe für besonders gut geeignet, aber nicht aufgrund seiner Schwierigkeit, sondern aufgrund seines strukturellen Aufbaus.
Der Rest ist Hidden Games
Das klingt jetzt nach Werbetext, aber was soll ich auch anderes bei der Qualität schreiben? Ja, der Fall ist mit Erfahrung in Sachen Krimi-Spiele nicht schwer. Er ist aber trotzdem wendungsreich, spannend und frustriert mich nicht. Ich habe keine Lust, nach Feierabend vier Stunden in einem Fall herumzuwühlen, weil ich die Masse an Informationen entweder nicht greifen kann oder weil unlogische, konstruierte Rätsel einem am Weiterkommen hindern. Alle unter einem Dach fordert hier und da etwas mehr, überfordert aber nie. Es überrascht trotzdem immer wieder und es macht einfach Spaß der Route seiner eigenen Ideen zu folgen, im wirklich famosen Material zu stöbern und den tollen Sprecher:innen der Audioaufnahmen zu lauschen. Das ist großes Kino! Wir waren allerdings nie in einer Sackgasse. Wer es also schwerer mag, könnte enttäuscht werden, ich allerdings favorisiere das belohnende Gefühl einen Fall zu lösen, ohne mich in Hilfsmittel seitens der Verlage zu verzetteln. Ich will Super-Detektiv sein und nicht meine eigene Beschränkung im logischen Denken erfahren.
Fazit
Auch wenn ihr euch diese Frage vielleicht nicht stellt, ich stelle sie immer: Ist der neue Fall besser als Grünes Gift. Hier verneine ich. Allerdings war der Erstkontakt mit der Reihe eben auch geprägt von der eigenen Jungfräulichkeit und ein Vergleich scheint nicht ganz fair. Trotzdem ist Alle unter einem Dach ein echtes Highlight und ein gutes Stück besser als der Schnitt der Fälle. Die andere Fallstruktur bietet etwas mehr Führung, ohne die Freiheit im Vorgehen zu beschränken. Zudem ist durch die gesteuerte Öffnung von Umschlägen, ergo dem Besuchen der Wohnungen, der Blickwinkel auf den Fall stets unter Veränderung. Das hat mir sehr gefallen! Vielleicht trübt mich meine Erinnerung, aber so wendungsreich habe ich selten Krimi-Fälle erlebt. Brillant wie immer ist das Material, die Vertonung und die Logik innerhalb des Falls, wobei dieses Champions-League-Niveau mittlerweile erarbeiteter Standard bei Hidden Games ist. Von daher bekommt Alle unter einem Dach meine absolute Empfehlung für alle Krimi-Fans, die es nicht bockschwer mögen.
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