Das Brettspiel Blood Rage von Cool Mini or Not hat mich als Tabletop-Spieler mit Sammelleidenschaft für hochwertige Miniaturen natürlich sofort angefixt. Das Setting um Wikinger-Clans, ihren Göttern und Walhall ebenso. Gleichzeitig schrillten aber die Alarmglocken! Vielleicht sind diese wunderbaren Figuren nur Eyecatcher-Material und ein billiger Trick für einen saftigen Preisaufschlag bei einem ansonsten eher unkomplexes Brettspiel? Ich bin seit der Schwemme an Brettspielen auf Kickstarter vorsichtig geworden und befürchtete eine List von Loki. Odin steh mir bei und lass Blood Rage ein gutes Spiel sein!
Was für die Augen
Wer die Spielverpackung aufreißt, der kann seinen Blick gar nicht von den wunderbaren Figuren abwenden. Das hier ist großes Miniaturenkino! Jede Fraktion hat ihr eigenes prägnantes Äußeres und bei dem Anblick der Monster will man am liebsten sofort Pinsel und Farben aus seiner Hobbyecke holen und diese Prachtexemplare noch weiter aufwerten. Bei all der Begeisterung für die Figuren blickt das Spielfeld vielleicht etwas neidisch drein, aber auch du bist wunderbar gelungen. Atmosphärecheck bestanden! Ich persönlich war sofort heiß auf die erste Partie: Blut für den Blutgott, ach ne, falsches Universum.
Geld? Erfahrung? Nein, Ruhm ist der Antrieb!
Der Kampf um Ruhm umfasst drei Zeitalter, bei denen zwei bis vier Spieler, sich gegenseitig um Einfluss in neun Gebieten streiten. Erschwerend kommt Rangarök hinzu, wo die Götter einmal am Ende jedes Zeitalters ins Weltgeschehen eingreifen und eine Provinz für alle Zeiten dem Erdboden gleich machen. Du hast da deine wackeren Streiter platziert? Dann auf nach Walhall mit ihnen. Dort landen alle tapferen Streiter die das zeitliche Segnen, ob nun durch Ragnarök oder beim Krieg um Provinzen. Ein Nordmann kümmert dies nicht, denn er weiß, wer Ruhm erntet wird wiedergeboren und so hat jeder Spieler am Anfang eines neuen Zeitalters alle verstorbenen wieder zur Hand. Nach den drei Zeitaltern wird abgerechnet und wer am meisten Ruhm sein eigen nennt, hat Blood Rage gewonnen.
Einfach zu lernen…
Wer denkt, dass aufgrund von Figuren nun Tabletop Stimmung aufkommt, die womöglich ihren schweren Sack mit Regeln mitschleppt, und nach Aufmachung und Name, blutige Schnetzeleien erwartet, der dürfte je nach Spielertyp schwer enttäuscht sein. Blood Rage besitzt ein schlankes Regelwerk und spielt sich ohne große Downtime. Die vier verschiedenen Clans besitzen zunächst keine Sonderregeln, der Kampf ist denkbar einfach und eher ein Gerangel um Gebietskontrollen, so dass der Einstieg wirklich leicht zu meistern ist. Im Zentrum des Spieldesigns von Blood Rage steht ein Karten-Management mit Draftsystem und ein darauf folgendes Aktionssystem.
Erstmal Taktieren ganz ohne Rage
Jedes Zeitalter in Blood Rage beginnt damit das jeder Spieler acht Karten auf die Hand bekommt. Es gibt rote Kampfkarten, grüne Aufgabenkarten und schwarze Ausrüstungskarten. Die Karten skalieren innerhalb ihres Einsatzbereich und werden mit jeder Epoche stärker. Es gibt nur wenige Karten die kaum zu gebrauchen sind und man weiß schnell um die Leckerbissen. Sei es aufgrund ihrer allgemeinen Stärke oder weil eine Karte durch gewisse Sonderegeln gerade hervorragend zur eigenen Spielstrategie passt. Das dumme ist nur, jeder darf nur eine der acht Handkarten behalten, die anderen werden dem linken Sitznachbarn gegeben. Dieses „Drafting“ wird so lange wiederholt bis jeder sechs Karten hat, der Rest wird abgeworfen.
Der Mechanismus sollte aus anderen Spielen bekannt sein und sorgt auch hier für Grübelfreude. Schnell kenne ich alle Karten im Spiel, ich weiß auch welche Karten schon gezogen wurden. Welche Karten nimmt man selber und wie stelle ich Synergien her? Klaut man anderen Mitspielern Karten um deren Synergien zu zerstören? Auf was für Karten darf ich hoffen, die nach einer Runde wieder bei mir landen und welche werden wohl sofort von Mitspielern gezogen? Gerade wenn man zu Anfang viele gute Karten auf der Hand hat und nur eine davon nehmen darf, fällt die Enstcheidung ungemein schwer.
Wo bleibt die Wut?
Bevor wir richtig wütend werden, ein Blick auf das Spielertableau. Dieses dient als Übersicht zu den Stärken der jeweiligen Modelle und bildet die drei Ressourcen Wut, Axt und Hörner ab. Mit Wut bezahle ich meine Aktionen, die Äxte zeigen wie viel Ruhm (=Siegpunkte) ich pro gewonnen Kampf erhalte und Hörner definiert meine maximale Anzahl an Figuren. Weiter kann ich durch Karten Monster, die angesprochenen besonders schönen Modelle, anwerben und diese für mich kämpfen lassen.
Bin ich dran, darf ich genau eine Aktion ausführen. Diese sind immer gleich, wichtig ist, ohne Wut keine Aktion, selbst wenn die Aktion keine Wut kostet. Folgend seht ihr die verschiedenen Aktionen aufgelistet:
- Invasion – hierbei stelle ich eine Figur aus dem Vorrat auf ein freies Feld einer der Provinzen.
- Marsch – beliebig viele Figuren aus einem Gebiet auf freie Felder eines anderen stellen.
- Aufrüsten – damit kann ich eine Ausrüstungskarte auf mein Spielertableau legen und so meine Truppen verbessern
- Aufgabe – hierbei spielt man verdeckt eine Aufgabenkarte aus, die am Ende der Epoche Siegpunkte bringt, falls man die Bedingungen erfüllt.
- Plündern – man überfällt eine Provinz seiner Wahl um die wertvollen Plünderungsplättchen zu ergattern, dazu gleich mehr.
Aktionen werden reihum gespielt bis keiner der Spieler mehr Wut hat oder alle Gebiete geplündert wurden. Nun werden alle Handkarten bis auf eine abgeworfen, die ausgespielten Aufgaben geprüft und Ruhmpunkte ausgeschüttet. Das eingangs erwähnte Ragnarök-Event wird abgehandelt, heißt das vorher ausgewählte Gebiet wird vollständig für den Rest des Spiels zerstört, alle Truppen innerhalb sterben, generieren aber Extra-Ruhm! Zum Schluss kriegen alle Spieler ihre getöteten und in Walhall festsitzenden Truppen zurück und die nächste Epoche beginnt.
Blut? Wo bleibt das Blut!
Erstmal fließt der rote Lebenssaft nicht – sorry! Denn selbst beim Plündern eines Gebiets kommt es nur zum Kampf, wenn andere Clans im gleichen Gebiet stehen. Da der Platz pro Gebiet arg begrenzt ist, ist das Motto Klasse statt Masse. Und Obacht, falls ihr alleine in einem Gebiet steht, denn vor der Plünderung darf jeder Spieler aus angrenzenden Gebieten seine Krieger in das zu plündernde Gebiet abziehen. Wer schlau ist hat vorher alle Plätze eines Gebiets mit seinen Kriegern geblockt.
Klappt oft genug nicht und dann kommt es endlich zum Kampf. Wer gewinnt? Ganz einfach, der stärkste Truppenverband siegt – dieser ensteht aus der Anzahl der Modelle im Gebiet und ihrer Stärke durch das Spielertableau und einer ausgespielten Karte. Die Karte ist oft das Zünglein an der Waage und hier entsteht eine ungemeine Spannung. Denn jeder Spieler spielt diese Karte verdeckt aus. Es gibt Karten die erhöhen einfach nur die Truppenstärke, andere erlauben wunderbar fiese Manöver durch Sonderregeln. Auch wenn man wie der sichere Sieger aussieht, die Karten haben massiven Einfluss auf den Ausgang einer Schlacht!
Der Gewinner darf das Plünderungsplättchen aktivieren und erhöht dadurch einen seiner drei Werte des Clans (Wut, Axt, Hörner), erhält Ruhm und muss seine ausgepielte Karte ablegen. Die Verlierer dürfen ihre Karten wieder auf die Hand nehmen. Was einen enormen Vorteil bietet, weil nur der Gewinner in der Auswahl seiner Kartenhand geschwächt wird. Verlieren ist manchmal also eine kluge Option.
Taktisch Anspruchsvoll
Die simplen Mechaniken kreieren im Zusammenspiel mit den Sonderfähigkeiten der Karten und der begrenzten Anzahl an Truppen pro Gebiet ein wunderbares taktieren. Wie entwickel ich meinen Clan: Viele Aktionen und dafür in Kämpfen weniger Ruhm? Oder verzichte ich auf die Wut und erziele mit wenigen Aktionen möglichst maximale Punkte? Setze ich auf Monster, dafür braucht es Glück beim Drafting oder baue ich meine einfachen Clanleute aus.
Nicht zu verachten sind auch die Aufgabenkarten in Blood Rage. Wie erreiche ich, dass meine Mitspieler nicht merken wo ich mit meinen Truppen am Ende der Epoche Siegpunkte generiere, denn falls Sie Wind davon bekommen, wars das mit den Punkten. Die Clanfähigkeiten, oft nach den typisch nordischen Göttern angelehnt, können die Spielregeln zusätzlich auf den Kopf stellen. So bekommt man z.B. mit Fähigkeiten von Loki plötzlich Punkte, wenn man Kämpfe verliert weil man seine eigenen Truppen abschlachten lässt.
Unfair? Frustrierend? Jein.
Die eben angesprochenen taktischen Finessen durch die Karten können dafür sorgen, dass sich versierte Spieler im Draftingzyklus, über die drei Epochen hinweg, sehr mächtige Kombinationen kreieren, die für so viele Siegpunkte sorgen, dass manch anderer keine Chance hat hinterherzukommen. Zwar ist die erste Epoche, vielleicht auch noch die Zweite, für die Ruhmgewinnung weniger bedeutend als die Letzte, aber der Grundstein kann schon am Anfang gelegt werden. Daher muss man frühzeitig aufpassen, was die Mitspieler ziehen und auf ihrem Spielertableau ansammeln,um rechtzeitig gegenzulenken. Gemischte Runden aus Vielspielern und Gelgenheitsspieler können mit Blood Rage enorm viel Spaß haben, wenn die Profis etwas auf die Bremse drücken.
Fazit
Blood Rage ist viel weniger martialisch, weniger blutig und irgendwie ganz anders als es die Spielverpackung und die wunderbaren Figuren suggerieren. Man muss sagen: zum Glück! Denn Blood Rage ist ein richtig gutes kompetitives Brettspiel welches mit einem kniffligen Draftmechanismus und nachgeschalteten Aktionmangement punktet und weniger das reine Abschlachten zelebriert. Ja, es wird gekämpft und gestorben, aber vor allem geht es um taktische Gebietskontrolle. Das schlanke Regelwerk und der einfache Einstieg, der Gelegenheitsspielern sehr entgegenkommt, versteckt den „fiesen“ anspruchsvollen Tiefgang. Wie rüste ich meinen Clan effektiv auf, wo entstehen Synergien aus meinen gezogenen Karten, welche Aufgaben bürde ich mir für den meisten Ruhm auf ohne das Spieler meinen Plan mitbekommen. Dabei ist Blood Rage stetig im Wandel und keine starre Belagerungsschlacht, und somit ein Garant für durchgehende Spannung! Man sollte nur wissen, dass Blood Rage extrem konfrontativ ist und man mitunter untergehen kann – wen das nicht stört, auf den wartet unendlicher Ruhm, oder Walhall, da soll es ja auch ganz nett sein.
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