Bevor die kooperative Stich-Rakete Die Crew die Erde verlässt und in den Rezensionsorbit gelangt, eine kleine Anekdote. Ich kam von der SPIEL ’19 nach Hause und meine Frau wartete auf die Taschen voller bunter Brettspiele. Hoffte ich zumindest! Die folgende Vorstellung jedes Spiels meinerseits musste sie ebenso ertragen. Trotzdem war ich nach der Messe platt. Auspöppeln? Regeln lesen? Ne, erstmal ausruhen und morgen mit neuer Energie zurück an den Tisch. Vielleicht kurz noch in das kleine Die Crew schauen. Zeitsprung. Zack, war es mitten in der Nacht und wir hatten diverse Partien absolviert. Was war da denn passiert?
Kurzcheck: Darum geht es in Die Crew
Die Crew: Reist gemeinsam zum 9. Planeten hat all das in den Namen gepackt, was man nicht in der Schachtel findet: sperrig, langatmig und umständlich. Das kooperative Stichspiel, welches 50 Missionen aufbietet, glänzt mit anderen Attributen. Da wäre zum Beispiel der seichte Einstieg. Hier wird keiner Überfordert! Wir haben vier Farben, von eins bis neun und dazu vier Raketenkarten, von eins bis vier, die Trumpf sind. Wie immer muss man die ausgespielte Farbe bedienen. Vor einer Partie wählen die Spieler reihum und ohne Absprache ausliegende Auftragskarten, die bestimmen, welche Karten sie mit einem Stich gewinnen müssen. Richtig gelesen, die schiere Anzahl der Stiche ist irrelevant. Dabei ist nun zu erwähnen, dass kein Spieler über seine Hand sprechen darf. Somit fühlt sich Die Crew weniger wie ein klassisches Stichspiel, sondern wie ein Kartenrätsel an.
Kommunikation ist doch erlaubt!
Ein wenig Kommunikation ist doch erlaubt! Jeder Spieler erhält einen Kommunikationsmarker. Diesen darf man pro Partie einmal einsetzen. Im Detail legt man eine Karte offen vor sich aus und positioniert den Marker an den oberen Rand (höchste Karte der Farbe), in die Mitte (einzige Karte der Farbe) oder auf den unteren Rand (niedrigste Karte der Farbe). An diese Art der Kommunikation gewöhnt man sich schnell und es ist ein taktisch spannendes Element, das vor allem in höheren Schwierigkeitsgraden wohlüberlegt eingesetzt werden muss. Es ist die einzige sichere Information an denen die Spieler ihre Kartenauswahl anpassen können.
Die Sucht!
Mit fortschreitender Spieldauer wird Die Crew unheimlich spannend. Eine falsche Karte oder Einschätzung der Mitspieler und die Mission scheitert. Oft sitzt man grinsend vor seiner Kartenhand und bangt, das die anderen das offensichtliche sehen – während man wohl selbst mit beiden Beinen auf dem Schlauch steht. Die Missionen werden am Ende auch immer knackiger! Gewisse Aufgabenkarten müssen zuerst oder zuletzt erfüllt werden, Stiche in fester Reihenfolge ablaufen oder temporäre Regeln erschweren das Spiel. Wie wäre es mit eingeschränkter Kommunikation durch die Markern oder das gewisse Spieler gar keinen Stich erhalten dürfen? Keine Stiche mit einer 9er-Karte? Bei 50 Missionen könnt ihr einiges an Abwechslung erwarten! Kleine Geschichten vor jeder Partie runden das Suchtprogramm ab. Man will halt noch eine Partie wagen und danach natürlich eine weitere! Lief super? Los, eine machen wir noch. Uhrencheck: drei Stunden rum. Wahnsinn!
Spielgefühl
Du erhälst so wunderbar viele niedrige grüne Karten und sollst nun einen Stich mit einer grünen 9 abgreifen?! Argh. Nun könnte es sein, das der Spieler mit der grünen 9, den Stich mit deiner grünen 3 braucht. Na, da kommt jetzt mal zusammen, ohne das ihr wisst, wer welche Karten hat, denn da sitzen ja noch mehr Astronauten am Tisch, die euch ebenfalls in die Stiche pfuschen, wobei sie wohl denken, dass sie eine Hilfe wären. Herrlich! Ein Teil der Lösung ist bei einem Stichspiel natürlich das Ausspielen von Karten, wenn man Farben nicht mehr bedienen kann. Da kann dann selbst eine gelbe 3 eine grüne 9 stechen. Da die Kommunikation eingeschränkt ist, ist es allerdings gar nicht so einfach zu wissen, welcher Spieler nun welche Farbe nicht mehr bedienen kann.
Sehr erfahrene Stichspieler, die sich seit Jahrzehnten bei Skat, Doppelkopf oder ähnlichem die Karten um die Ohren kloppen, könnten trotzdem unterfordert werden. Allerdings werden Normalsterbliche gerade in größerer Runde keine Schwerelosigkeit des Nachdenkens erleben, wobei der Schwierigkeitsgrad auch immer etwas an der Verteilung der Karten hängt.
Auch für zwei Spieler
Das vielleicht beste an Die Crew ist die Möglichkeit auch zu zweit zum neunten Planeten aufzubrechen. Ich kenne zumindest kein anderes kooperatives Stichspiel für zwei Spieler. Der Trick den Die Crew anwendet, ist thematisch eine KI und spielmechanisch eine Auslage über zweimal sieben Karten. Dabei gilt zu beachten, dass die ersten sieben Karten verdeckt nebeneinander ausgelegt werden und darüber die zweite Reihe offen. Jeder Spieler kennt also seine Handkarten plus 7 offene. Er kennt nicht die sieben verdeckten und natürlich die Handkarten des Mitspielers. Dabei muss die KI genauso Farben bedienen oder Aufträge erfüllen wie die Mitspieler, allerdings wird die KI von dem Commander (Startspieler) in der Runde gesteuert. Ich bin ansonsten überhaupt kein Fan von Spielmodi für zwei Spieler, wo imaginäre neutrale Spieler mit am Tisch sitzen, aber hier funktioniert das ausgesprochen gut.
Fazit
Die Reise zum neunten Planeten begleitet uns nun seit der SPIEL ’19 fast jeden Tag und ein Ende der Reise ist nicht abzusehen. Die Crew spielt sich durch die Aufgaben und der eingeschränkten Kommunikation frisch wie spannend zugleich. Hier kommt es nicht darauf an möglichst gute oder zahlreiche Stiche zu erzielen, sondern die richtigen! So werden die Partien mehr zum Stichrätsel, bei dem man hofft und bangt, das durch eigene ausgespielte Karten Vertsändnis dafür entsteht, wie man vorhat das Rätsel zu lösen. Wer viel Erfahrung mit Stichspielen mitbringt, wird anfänglich kaum Probleme haben. Spätere Missionen sind dann aber fordernder. Auch steigt der Schwierigkeitsgrad mit der Anzahl der Spieler, aber auch die Spannung. Sehr vorbildlich ist die Spielvariante für zwei Spieler, die weit mehr als ein fauler Kompromiss ist. Wer etwas mit Stichspielen anfangen kann, muss sich Die Crew anschauen!
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