Das ich ein Faible für Krimi- und Rätselbrettspiele habe, sollte nach den letzten Wochen bekannt sein. Vor allem Detective hat sich dabei ganz weit nach vorne in meine Top 10 gespielt. Das ich als Spieler des Cthulhu Pen & Paper-Rollenspiel dann zu Mythos Tales greife, ist wohl wenig verwunderlich. Mysteriöse Krimi-Fälle in Arkham City mit dickem Abenteuerbuch und riesiger Stadtkarte? Ein Selbstläufer! Oder etwa nicht? Denn meine Erwartungen an ein gutes Krimi-Brettspiel sind nach solche Schwergewichten wie Detectice, Detective Stories und Chronicles of Crime extrem gestiegen!
Kurzcheck: Darum geht es in Mythos Tales
Um Kuchen backen und Plätzchen naschen. Natürlich nicht, wir sind als Ermittler von Dr. Henry Armitage im Einsatz und müssen kooperativ acht verschiedene übernatürliche Fälle aufklären. Dabei bedient sich das Spiel einer ganz klassischen Methode: einem Abenteuerbuch! Keine App, keine Karten, keine Würfel! Man liest einen Absatz und versucht ihn nach wichtigen Fakten zu filtern. Anders als in typischen Abenteuerbüchern steht nun allerdings nicht, wo es weitergeht. Hier ist die Spürnase der Spieler gefragt! So gibt es allerhand nützliche wie auch bekannte Charaktere Arkhams zu treffen, pro Fall ein Titelblatt des Arkham Advertisers, ein Telefonbuch mit zig Personen und Firmen und eben besagte Stadtkarte, in der jedes Gebäude eingezeichnet ist. All diese Informationen sind mit einem Code gekennzeichnet, den ich im Abenteuerbuch der entsprechenden Geschichte nachschlagen kann. So hangelt man sich von Ort zu Ort, trifft Personen und dringt tiefer in den Fall ein.
Die Zeit sitzt einem dabei im Nacken! Dr. Henry Armitage gibt einem die Zeit in Tagen vor, wobei jeder Tag drei Besuche in Arkham zulässt. Zusätzlich sollte man versuchen mindestens genauso schnell wie Dr. Henry Armitage zu ermitteln, ansonsten gibt es für jeden zu viel besuchten Ort Minuspunkte in der Endabrechnung. Der gute Doktor hat den Fall nämlich schon gelöst – ja, man ist hier eher eine Art Azubi. Tut dem Spielspaß keinem Abbruch. Meint man den Fall gelöst zu haben, geht man im Abenteuerbuch zu den 10 vorher unbekannten Fallfragen über. Hier zeigt sich, was man im Detail alles weiß. Je nach beantworteten Fragen und Vorgehen im Fall erhält man unterschiedlich viele Punkte und Minuspunkte. Hat man am Ende eine bestimmte Summe erreicht, hat man den Fall erfolgreich abgeschlossen.
Was macht Spaß?
Da wären zwei Dinge hervorzuheben: das Spielmaterial und der Aufbau der Fälle. Mythos Tales versprüht den Cthulhu-Mythos wie ein wahnsinniger König in Gelb-Prediger seine Liebe zu Carcosa. Die beigelegte Zeitung Arkham Advertisers, die Charaktere, der Schreibstil und die Themen der Fälle ertrinken förmlich im Charme. Dabei sind die Ermittlungen auch keine kleinen Geschichten, die den Mythos nur ankratzen. Nein, das Spiel geht so steil wie Cthulhu Tentakeln hat! Hier trifft man nicht erst zehnmal eine Reinigungskraft, hier klopft der Wahnsinn oft direkt an die Tür. Ich gebe zu, das ist nicht ganz so klassisch, weil der Mythos oft geheimnisvoller dargereicht wird. Nur wir sind hier in einem kurzweiligen Brettspiel und daher finde ich das so ganz fantastisch.
Was ebenso Spaß bereitet ist das eigene Grübeln beim Vorgehen. Manche Tipps sind in den Texten schon sehr präsent. Wenn eine Person davon erzählt, das die Taxifahrer vielleicht mehr wissen, dann ist der logische Schluss ein Besuch des Taxiunternehmens. Allerdings besitzt jeder Fall diverse Handlungsstränge und die Zeit im Spiel reicht nicht im Ansatz aus, all die möglichen Absätze zu lesen. Man hat also immer das Gefühl seine eigene Geschichte zu erleben und das Entscheidungen Auswirkungen haben. Diese spielerische Freiheit bedeutet gleichzeitig, das man nie alles erfährt – maximal am Ende in der Auflösung.
Die Probleme
Bevor nun Shub-Niggurath vor Freude zur Fruchtbarkeitsparty einlädt, muss ich ein paar Probleme ansprechen. Diese sind weniger spielmechanischer Natur, sondern ergeben sich aus dem Aufbau der Geschichten, den Lösungsfragen und dem daraus resultierenden diffusen Spielgefühl. Die 10 Fragen kann man nicht immer alle beantworten, geschweige denn, dass man sie vorher kennt. Wer schnell ist und keine Minuspunkte einheimsen will, dabei aber die richtigen Fragen beantwortet, kann nur mit einem Bruchteil der Antworten den Fall lösen. Das fühlt sich unbefriedigend an. Öfters denkt man, obwohl die Punktzahl eine andere Sprache spricht, das man den Fall nicht gut gelöst hat und einem einiges entgangen ist.
Und manchmal strauchelt man in Sackgassen hinein, die einen übermäßig brutal bestrafen! Ohne das man es vorher weiß, können das Minuspunkte oder Zeitverlust im Spiel sein – was indirekt ein doppelter Punktverlust ist. Auch manch optionale Regel ist vorher nicht klar definiert und beschenkt einem am Ende mit Minuspunkten, in einer Art, die man nicht erahnen konnte. Mythos Tales gelingt es dadurch nicht, die Begeisterung während eines Falles in die Endwertung und Auflösung zu übertragen.
Fazit
Mythos Tales glänzt mit einer enormen Dichte, vor allem für Fans des Genres. Hier wird nicht gekleckert, hier klotzt man! Schnell geht es zur Sache und die Hintergründe der Fälle, wie auch das liebevolle Material, sorgen für tolle Cthulhu-Mythos-Atmosphäre. Für nicht Kenner fällt die Stimmung wohl etwas ab, weil es einfach zu viele Bezugspunkte gibt, die dem Laien gar nicht auffallen. Da sollte man aber eine Tentakelbreite drüber hinwegsehen, denn das Abenteuerbuch und die Freiheit bei den Ermittlungen, inklusiver vieler Handlungsstränge, sorgen für grundsoliden Ermittlungsspaß. Einzig die Auflösung der Fälle und der dann folgenden Punktevergabe fühlt sich oft diffus und unbefriedigend an. Es ist einfach nicht elegant gelöst, weil Fragen auftauchen, die man nicht kommen sah und Minuspunkte ohne vorheriges Wissen verteilt werden. Wer seine Ausflüge hier zu ernst nimmt, reicht dem Frust die Hand! Trotzdem sollte sich jeder Cthulhu-Fan mit der Neigung zu kriminalistischen Geschichten Mythos Tales anschauen!
Info: Mythos Tales eignet sich hervorragend für Spielleiter des Cthulhu Pen & Papers, weil man ohne viel Mühe die Storys als Abenteuer verarbeiten kann.
Mythos Tales
39,95 €Kurzfakten
- Tolle Mythos-Atmosphäre
- Gut geschriebene Fälle
- Freiheit in der Ermittlung
- Endabrechnung z. T. frustrierend
- Eher für 2 als für 10 Spieler
Spielinformationen
- Genre: Deduktion
- Spieler: 1 - 10
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: 90 - 120 Minuten
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