Lesezeit: 7 Minuten
Schick sieht nicht nur der Karton aus.

Im Brettspiel Bronze, vom russischen Verlag Hobby World, habe ich in den letzten Wochen vor allem eins: mich spielerisch gezankt! Bronze mag sich mit seiner hübsch gestalteten Optik den friedlichen Eurogamer-Mantel übergezogen haben, aber es geht im Spiel um Mehrheiten und der richtigen Kartenauslage heiß her. Dabei sprang der Funke spielerisch nicht sofort über, was war passiert?

Kurzcheck: Darum geht es in Bronze

Wie der Name es vermuten lässt, geht es spielerisch in das Bronzezeitalter. Jeder Spieler übernimmt ein Volk und versucht sich in den ausliegenden Provinzen und ihren Landschaften auszubreiten. Dies geschieht über das geschickte Entwickeln von Technologien. Siegpunkte ergattert man durch Mehrheiten in Provinzen, über möglichst lange Handelsrouten und Stadtkarten, die bestimmte spielerische Vorgehensweisen belohnen. Wer am Ende die meisten Siegpunkte sein eigen nennt, gewinnt das Spiel. So simpel wie sich das liest, so schnell ist Bronze erklärt. Nur so seicht ist es nicht gespielt und mache jetzt nicht den Fehler und erwarte hier ein munteres Zivilisationsspiel. Bronze ist in seinem Kern ein Taktikspiel, das keine Fülle an Aktionen braucht, sondern durch sehr geschickte Verzahnung der wenigen Aktionen glänzt.

Ist natürlich immer Geschmackssache, aber ich mag die farbenfrohe Optik des Spiels.

Einfaches Grundprinzip

Bronze ist so leicht verständlich, weil das Grundprinzip sehr schnell durchschaut ist. Jede Provinz besteht aus sieben Landschaften. Vom Wasser geht es über Dschungel und Steppen bis ins Gebirge. In jeder dieser Zonen sind ein bis drei Hütten abgebildet, in drei verschiedenen Arten. Die Art der Hütte und die verschiedenen Landschaften findet man in unterschiedlicher Zusammenstellung auf den Technologiekarten wieder. Bin ich am Zug nehme ich mir eine von vier zufällig ausliegenden Technologiekarten und kann dann einen Siedler auf die entsprechende Kombination legen. Das versteht sogar mein vierjähriger Sohn. Der könnte aber nicht Bronze spielen und das liegt an den kleinen aber feinen Details die den Spielspaß, aber vor allem die Denkarbeit explodieren lassen.

Stetig nach vorn!

Einfaches Prinzip und schnell verstanden, wie Technologiekarten Siedlungsplätze bestimmen.

In Bronze liegen je nach Spieleranzahl sieben bis 11 Provinzen aus. Dabei sind die meisten Provinzplättchen verdeckt aufgebaut und werden erst umgedreht, wenn benachbart der erste Siedler platziert wird. Man weiß vor Spielbeginn also nicht um die Verteilung der verschiedenen Hütten auf den Provinzplättchen. Die interessanteste Regel in Bronze ist nun, dass man seine Siedler nur in der Provinz platzieren darf, wo der letzte eigene Siedler steht oder in die nächstmögliche, aber nicht auf ein früheres besiedeltes Provinzplättchen. Die Ausbreitung ist also niemals rückwärtsgewandt, alle Spieler entwickeln sich von der Startprovinz stetig nach vorne. Warum das so interessant ist, liegt an drei Spielelementen.

Ich will aber bleiben!

Zuerst einmal geht es in den Provinzen um Mehrheiten. Wer die meisten Siedler auf einem Provinzplättchen platzieren konnte, darf sich die wertvollen Siegpunkte der Provinz schnappen. Die Siegpunkte werden vor Spielbeginn übrigens zufällig verteilt! Es gibt also ertragreichere Provinzen. Dieses Element sorgt dafür, das man sich eigentlich gar nicht nach vorne ausbreiten möchte. Denn über die Provinzen lassen sich ordentlich Punkte machen.

Stadtkarten – doch noch vorne?

Die Überlegung, sich erstmal nicht nach vorne auszubreiten, steht dann konträr zu dem nächsten spielerischen Wunsch: Stadtkarten erhalten! Jeder Provinz sind verdeckt Stadtkarten zugeteilt, die wie eingangs besprochen, bestimmte Spielsituationen belohnen. Man erhält z.B. für gewisse Technologiekarten Bonuspunkte, für Mehrheiten in Landschaften oder mehr Siegpunkte für Provinzen. Die Belohnungen sind vielfältig und passen nicht zu jeder Spielstrategie.

Eine kleine Auswahl die aufzeigt wie unterschiedliche Siegpunkte durch Stadtkarten generiert werden.

Derjenige der zuerst ein Provinzplättchen besiedelt, darf sich auch als Erstes eines der zugehörigen Stadtkarten aussuchen. Wer also schneller nach vorne prescht, hat den Vorteil bessere Stadtkarten für seine Spielsituation und Strategie zu erhalten. Und glaubt mir, mit Stadtkarten lassen sich richtig viele Siegpunkte machen.

Nachteil, der erste Siedler deckt nach seiner Wahl alle anderen Stadtkarten sichtbar auf. Für die nachkommenden Spieler ist nun klar, ob sie es eilig haben oder nicht, vielleicht gar die Provinz auslassen. Erster zu sein, muss also nicht zwingend ein Vorteil sein.

Händlerrouten? Sei schnell!

Während es bei den Stadtkarten meistens, aber nicht immer von Vorteil ist Erster zu sein, muss man für die Händlerrouten wirklich schnell sein! Hierbei zählt in einer Landschaft, über alle Provinzplättchen hinweg, eine Kette aus Siedlersteinen der gleichen Farbe. Je nach Länge der Kette gibt es unterschiedlich viele Punkte. Geschickte Händler freuen sich über massig Siegpunkte! Nur muss man dafür am Besten immer vorne mitschwimmen, denn baut ein anderer Spieler auch nur einen Stein vor meine Reihe, war es das mit der Handelsroute. Hier entfaltet Bronze eine sehr direkte Spielerinteraktion! Händler belohnen also horizontale Mehrheiten, ganz im Gegensatz zu Provinzen mit ihrer vertikalen Ausrichtung. Beides gleichzeitig ist schwer, auch wenn man es gern möchte!

Spielgefühl: Wie Ebbe und Flut

Die Kunst in Bronze und die halbe Miete zum Spielsieg ist es, dass Spielbrett zu lesen, um dann die Geschwindigkeit der eigenen Ausbreitung immer wieder anzupassen. Sich in den richtigen Momenten in einer Provinz ausbreiten, um dann wieder nach vorne zu preschen. In den passenden Zonen Siedlungsketten starten, gleichzeitig den anderen Spielern ihre Handelrouten zerstören. Elementar ist die Beobachtung der anderen Spieler, um sich dann anzupassen. Immer wieder neu, für jeden Zug. Durch die Modularität bei Stadtkarten, ausliegenden Siegpunkten der Provinzen und deren eigenen Anordnung, greift diese Anpassung in jedem Spiel. Das macht ungeheuren Spaß, vor allem mit steigender Erfahrung, sorgt aber dafür, dass man jeden Zug erst richtig planen kann, wenn man aktiver Spieler ist. Das erhöht bei Grübelfreunden natürlich die Downtime!

Suboptimal für zwei Spieler

Die erste Provinz hat Grün gewonnen, die zweite Blau. Rot hätte theoretisch noch Bauplätze für die Mehrheit gehabt, darf aber nicht mehr siedeln, da Rot schon zwei Provinzen weiter ist. Dafür hat Rot schon eine 5er Handelroute im Gebirge.

Allerdings beraubt man sich der Stärke der hohen Interaktion und dem Spiel um Mehrheiten, wenn man Bronze nur mit zwei Mitspielern spielt. Der Funke sprang so am Anfang nicht wirklich über. Es ist kein Spiel, welches ich alleine mit meiner Frau unbedingt immer wieder spielen müsste. Bronze braucht den dritten oder vierten Spielpartner, damit es taktisch und interaktiv richtig knistert.

Die Krönung des Ganzen

Bisher ging es um die geschickte Ausbreitung durch Siedler, nur wie bekommt man die überhaupt? Freunde der analogen Unterhaltung, jetzt geht es dem Hirnschmalz noch einmal an den Kragen. Bin ich am Zug, nehme ich mir aus der Auslage eine der vier Technologiekarten und kann damit einen Siedler anhand der Symbolik auf der Karte platzieren. Entscheidend ist aber auch meine eigene Auslage der Technologiekarten auf dem Tisch. Rechts und links der platzierten neuen Karte, aktivieren die schon gespielten Karten ebenfalls. Einzige Einschränkung, mein Auslageraster darf nur vier Spalten enthalten. Aber nicht nur links und rechts darf aktiviert werden. Denn jede gleiche Technologiekarte in derselben Spalte, aktiviert ebenfalls.

Mit zunehmender Spieldauer und entsprechend geschickt geplanter Auslage, aktivieren gute Spieler nicht einen Siedler, sondern eher vier und mehr. Damit lässt sich dann natürlich ordentlich Druck machen, vorausgesetzt die Landschaften und abgebildeten Häuser der Provinzauslage passen. Mehr als knifflig! Denn hier kann es schon einmal sein, dass man dort, wo man es gerne hätte, gar keine Siedler platziert werden können. Schlimmer noch, ich kann gezwungen sein mich nach vorne weiter auszubreiten, obwohl ich das gar nicht möchte. Viele Siedler zur falschen Zeit, keine gute Sache. Auch hier ist das Timing wieder wichtig!

Ein typisches Raster aus Technologiekarten. Man kann durch eine geschickte Auslage mehr erreichen als man am Anfang vermuten würde.

Das Raster des Grübelns

Alle Mechaniken zusammen sorgen dafür, das man das Spielgeschehen immer im Blick haben muss – und dabei nicht nur das eigene Spiel. Wo will und kann ich Siedler bauen, welche Technologie liegt aus und wie lege ich meine Technologiekarte ins Raster, damit alles perfekt aufgeht? Was brauchen meine Mitspieler und wo wollen sie als nächstes bauen? Welche Kombos ermöglichen ihre ausliegenden Raster?

Bronze ist kein Zivilisationsspiel, sondern ein herausforderndes abstraktes Taktikspiel, das mit zunehmender Erfahrung in seiner Anforderung noch weiter wächst. Denn später weiß man, was durch bestimmte Stadtkarten an Siegpunkten möglich ist und wie man sein Raster aufbauen muss. Von Anfang an versucht man gewisse Kombinationen aus Technologien ins Raster einzubauen oder nimmt bewusst gewisse Technologie- wie Stadtkarten um den Mitspieler zu ärgern. Wie gesagt, die Interaktion ist hoch!

Fazit

Ich habe öfters gelesen das Bronze das beste Brettspiel eines russischen Autors sein soll. Das kann ich leider nicht beurteilen, dafür kenne ich mich in der russisches Brettspielszene zu wenig aus. Ich selber war nach den ersten Partien aber schwer beeindruckt. Konstantin Domashev erschafft aus wenigen Mechaniken und im Prinzip nur einer Aktion pro Zug, durch extreme Verzahnung, ein höchst interaktives Taktikspiel. Entspannt seine Zivilisation aufbauen? Falsch Abgebogen! Die Interaktion ist genauso hoch wie die erforderliche Denkarbeit. Denn die richtige Auslage der Technologiekarten und eine der Spielsituation angepasste Geschwindigkeit bei der Ausbreitung, müssen Zug um Zug neu geplant werden. Durch die verschiedenen Möglichkeiten Siegpunkte zu erhalten und dem Gegner aktiv eins auszuwischen, bleiben die Partien oft bis zum Ende hin spannend. Bronze braucht, trotz schnell verstandenen Regeln, allerdings ein paar Partien bis zur vollen taktischen Entfaltung! Das ist beleibe kein Nachteil, sondern nur ein Hinweis auf den tiefer sitzenden Anspruch.

Information: Die Spieleschmiede verhandelt gerade über eine deutsche Ausgabe. Wenn das Spiel unterstützt werden kann, werde ich euch hier informieren.

Bronze

29 €
8

AUSSTATTUNG

7.5/10

SPIELIDEE

8.0/10

SPIELSPASS

8.5/10

Kurzfakten

  • Einfach zu lernen
  • Sehr taktisch
  • Grandiose Verzahnung
  • Höchst Interaktiv
  • Zu zweit suboptimal

Spielinformationen

  • Genre: Taktikspiel
  • Spieler: 2 - 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 45 - 90 Minuten
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Die interessanteste Regel in Bronze ist nun, dass man seine Siedler nur in der Provinz platzieren darf, wo der letzte eigene Siedler steht oder in die nächstmögliche

    –> Kann ich nicht auch nach rechts überspringen … -> was ist nächstmögliche ?

    Antworten
    • Das wird in dem Satz davor erklärt.

      Grundsätzlich kann man Provinzen überspringen. Das „nächstmögliche“ heißt, rechts vom eigenen Siedler bis hin zur Grenze zur verdeckten Provinz. Die Provinzen liegen am Anfang nicht offen aus, entsprechend kann man nicht beliebig nach rechts springen. Sondern nur Stück für Stück.

      Wer sich natürlich lange Zeit sich in einer Provinz ausbreitet (also vertikal) und andere Personen nach rechts weitere Provinzen aufdecken, der kann in seinen späteren Zügen Provinzen überspringen. Das ist ja einer der möglichen Strategien. Wer zurückbleibt, kann einfacher Mehrheiten sammeln, weil andere Personen die weiter rechts stehen, nicht mehr Einfluss nehmen können. Dafür hat man dann andere Nachteile (Händlerrouten, Stadtkarten).

      Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

      Antworten

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