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Ich stehe mit einem Bein immer noch in der Tabletop-Ecke und besuche jedes Jahr die Tactica, eine Tabletop und Wargaming-Convention. Mich zieht es thematisch in keinster Weise in die Welt der großen Weltkriege, was man an meinem Blog unschwer erkennen kann. Trotzdem habe ich immer fasziniert dabei zugeschaut, wenn sich die Personen mit Miniaturen, Würfeln und unzähligen Tokens riesige Gefechte geliefert haben. Als Philipp Berger, der Autor hinter Trench Club, mich nun fragte, ob ich sein Prototyp anschauen würde, ergriff ich die Chance beim Schopf und begab mich in die für mich thematisch ungewohnte Zeit des Ersten Weltkriegs. Was ich vorfand, war Bestätigung, aber auch eine dicke Überraschung!

Kurzcheck: Darum geht es in Trench Club

Trench Club ist in erster Linie ein strategisches Kampfspiel für 4 Personen, die in 2er Teams gegeneinander antreten. Auf der einen Seite kämpfen die Deutschen mit den Österreichern, auf der Gegenseite stehen die Franzosen und Engländer. Die Gefechte werden auf einer Karte aus Hexfeldern mit Würfeln ausgetragen, wobei jede Fraktion ihre eigenen Besonderheiten mitbringt. Die Asynchronität bezieht sich dabei aber auf wenige Einheiten, was der Balance zugutekommt. Ziel des Spiels ist es als Team mindestens 9 Bunker einzunehmen, wobei die Spiele oft durch Aufgabe gewonnen werden. Was bringt es verzweifelt um den letzten Bunker zu kämpfen, wenn das Ende unausweichlich ist?! Die Bunker sind nicht nur für den Sieg wichtig, sondern schütten jede Runde Kriegsanleihen aus, mit denen Einheiten repariert oder neue gekauft werden können. Insgesamt hat Trench Club oberflächlich einen simplen Anstrich, was einen schnellen Einstieg ermöglicht, aber Hardcore-Simulations-Fans vielleicht abschreckt. Doch Obacht, denn unter den Panzerplatten verbergen sich einige innovative Überraschungen!

Der Beginn einer großen Schlacht!

Das Kampfsystem

Gekämpft wird über zwölfseitige Würfel, deren Pool und Erfolg von unterschiedlichen Dingen beeinflusst wird. Zum einen mindert erhaltener Schaden den Würfelpool. Pfeift die berittene Infanterie aus der letzten Pferdenüster, hat sie statt 12 Würfel nur noch 5. Autsch! Der Mindestwurf definiert sich über die Erfahrung der Einheit. Muss unser Flugzeug anfänglich gleich oder niedriger als eine 2 würfeln, schafft sie es als Kriegsheld schon bei einer 6. Wen ich angreife ist für den Erfolg irrelevant, aber nicht für den verursachten Schaden. Je nach Einheit und Position, wie Deckung im Wald, brauche ich mehr Treffer um Schaden zu verursachen.

Die Reichweiten der Waffen reden natürlich auch noch mit! Gerade die Geschütze können weiter schießen, sind aber je nach Typ wehrlos im Nahkampf, hingegen Einheiten mit Nahkampfreichweite auch im gegnerischen Zug immer zurückschießen. Anfänglich mögen die Tabellen für Treffer, Schaden und Reichweite noch etwas unübersichtlich erscheinen, aber nach einigen Zügen flutscht es regelrecht. Das ist besonders bemerkenswert, weil in Trench Club zu viert wirklich viele Einheiten auf dem Schlachfeld anzufinden sind.

Die Übersichtsbogen für den Kampf.

Bitte Adaptieren – ÜBERALL!

Kommen wir zu meinem persönlichen Highlight: Bügelperlen! Ja, richtig gelesen, Kriegsspiele und Bügelperlen könnten passender nicht sein und ich liebe Trench Club für diese Mechanik. Jede Miniatur besitzt seitlich zwei Stäbe auf die Bügelperlen geschoben werden, um Schaden und Erfahrung anzuzeigen. Beides ist, wie oben beschrieben, maßgeblich daran beteiligt, die wahre Kampfstärke aus Würfelpool und Mindestwurf abzulesen. Direkt am Modell und auf dem Spielfeld! Kein herumsuchen auf Spielertableaus, kein Nachfragen bei Mitspielern oder Hals verrenken, weil man irgendetwas bei der Gegenseite am Tisch beäugen möchte. Will ich meinen Veteranen-Panzer vier Felder weit ziehen, dann packe ich ihn zwischen meine zarten Finger, verschiebe ihn und fertig. Keine Marker umständlich mitnehmen oder umlegen, nichts wird vergessen, die Info wandert einfach mit! Für manch Finger-Problembär sind die Bügelperlen vielleicht etwas fiddelig, aber das nehme ich gerne für den restlichen Komfort in Kauf. Dungeon Crawler und all die Kampfspiele da draußen, nehmt euch ein Beispiel an Trench Club!

Vorsicht, ein Kriegsveteran (rote Bügelperle)!

Ungewohnter Start

Der Start ist ungewohnt! Es gibt keine Frontlinie oder Startecken für die Fraktionen, bei Trench Club herrscht schon Chaos auf dem Schlachfeld! Am Anfang werden jedem Spieler verdeckt drei Marker zugelost, zu denen er seine Einheiten stellt. Die Aufteilung der Truppen ist deine Sache und von taktischen Überlegungen geprägt. Welche Einheiten sollen zusammen stehen? Soll man einen Marker gar nicht bestücken? Die Marker sind am Ende nämlich nichts anderes als Startpositionen. Jede Partie schenkt einem durch diesen Zufall andere Startbedingungen. Mal ist eine Fraktion mehr eingekesselt, andere Truppenteile zentriert oder vielleicht völlig abgeschnitten. Damit klar zukommen ist Teil des Spiels! Fair wirkt es nicht immer, aber es liegt an dir das richtige daraus zu machen.

Eine ungünstige Startposition für die Deutschen (grau)?

Das Spielgefühl

Die Spielzüge sind geprägt von taktischen Truppenbewegungen! Wichtig ist eine gute Positionierung, der Begleitschutz von Geschützen und vor allem das richtige Spiel mit den schwächsten Einheiten: Infanterie, berittene Infanterie und schwere Infanterie. Nur diese Einheiten sind in der Lage Bunker einzunehmen und damit das Spiel zu gewinnen. Durch Flüsse, dichte Wälder und feindliche Truppen werden Bewegungen eingeschränkt, Brücken werden zu hart umkämpften Nadelöhren. Geschickt versucht man sein schweres Geschütz in Stellung zu bringen, damit die Infanterie durchbrechen kann. Doch da lauern auch schon die feindlichen agilen Flugzeuge auf Abfangkurs! Verdammt, die eigene Flugabwehr weilt ganz im Norden. Taktikbesprechung mit dem alliierten Spieler. Vielleicht kann er Unterstützung schicken?

Schnell merkt auch der grünste Couch-General, dass die Stärken der Einheiten richtig eingesetzt werden müssen und Verbände mächtiger werden, wenn Gegner flankiert werden. Auch vor dem Schießen bitte das Hirn anwerfen, denn die Ziele von allen Truppen müssen gleichzeitig angesagt werden. Späteres Umschwenken, falls eine gegnerische Einheit schon zerstört wurde, ist nicht möglich. Wenn die ersten Kriegsanleihen in der Portokasse aufschlagen, kommen weitere Entscheidungen hinzu! Repariert man Einheiten, die schon Erfahrung gesammelt haben, das erfordert aber erstmal deren Rückzug aus dem Gefecht oder kauft man einfach weitere Feuerkraft? Vielleicht Infanterie, damit man noch schneller Bunker einnehmen kann? Gar nicht so einfach, weil das Geld immer knapp ist.

Deutsche und österreichische Truppen verteidigen einen Bunker.

Querschläger

So wie mit Begeisterung die Spieler um den Tisch standen, sitzen schien irgendwann wohl unmöglich, so schlichen sich auch ein paar Querschläger in Sachen Spielspaß in die Partien. Eines der offensichtlichsten Nachteile an Trench Club ist seine noch nicht astreine angepasste Form für zwei Personen. Die Bunkeraufteilung auf einer Hälfte des Spielbretts passt nicht und die zufällig verteilten Startpunkte bringen noch viel schneller ein Ungleichgewicht ins Spiel. Trench Club spielt sich zu viert um ein vielfaches besser!

Auch nicht zu unterschätzen ist die Spielzeit! Zwischen 120 und 240 Minuten sitzt man hier am Tisch, was für die angebotenen Stellungsspiele nicht gerade wenig ist. Da der Spielspaß Trench Club aber nicht abzusprechen ist, wäre ich hier, gerade für Gelegenheitsspieler, für alternative Spielmodi, die vor allem die Spielzeit verkürzen und  der witzigen Würfelorgie gut zu Gesicht stehen würde.

Ein frisch gekaufter Panzer startet beim Bunker.

Das liebe Würfelglück

Mit zunehmender Erfahrung und besserem Stellungsspiel wird das Würfelglück sicher abgeschwächt. Auch die Masse an Würfeln, bei eher geringen Mindestwürfen, sorgen dafür, das sich das Glück die Waage halten soll. Trotzdem gibt es keine aktive Würfelmanipulation und in meinen Partien gab es einige harte Erstschläge. Da drohten Partien zu kippen! Offensichtlich wird dies vor allem bei gleichen Einheiten. Wenn beide auf eine vier Treffen und man selbst mit seinen drei Erfolgen bei 12 Würfeln im Schnitt liegt, der Gegner einem aber geschmeidige sieben Erfolge ins Gesicht zimmert. Da entgleist manchem vielleicht das freudig erregte Gesicht. Im nächsten Konflikt hat nun eine Seite durch den stärker reduzierten Würfelpool wesentlich schlechtere Chancen. An einer anderen Ecke der Schlacht kann dies nun genau umgekehrt laufen, muss es aber nicht. Wer aus der Tabletop-Ecke kommt, der kennt auftretende Würfelpest. Hab gehört, in die Tischplatte beißen hilft…

Die Bestimmung des Würfelpools.

Fazit

Trench Club hat mir persönlich gezeigt, das ich mich im Thema der Weltkriege nach wie vor unwohl fühle und daher ist es umso bemerkenswerter, wie viel Spaß ich gerade in den Schlachten mit vier Spielern hatte. Man taktiert zusammen, jubelt bei grandiosen Würfen und ergänzt sich bei den Einheiten wunderbar. Team-Brettspiele gibt es viel zu wenige, schön das sich Trench Club diesem Problem annimmt. Feuereifer beim Spielen zerstört übrigens Sitzfleisch oder warum wurde beim Würfeln so gerne gestanden? Da werden wunderbare Erinnerungen an spannende Tabletop-Sessions wach! Dazu gehören auch Aufreger über Würfelpech und Stoßgebete zum Würfelgott.

Der Einstieg in dieses Wargame ist denkbar einfach, was an den kompakten Spielregeln und übersichtlichen Spielhilfen liegt, die einen trotz der vielen Einheiten Übersicht verschaffen. Durch Geländeregeln, dem Fokus auf das strategische Einnehmen von Bunkern und dem Erfahrungssystem der Einheiten entwickelt sich zudem eine angenehme Tiefe. Hier gelingt dann Trench Club mit seinem Bügelperlen-Kniff das Highlight überhaupt. Extrem funktional gestaltet und übersichtlicher habe ich Einheiten noch nie über ein Spielbrett bewegt. Chapeau! Wünschenswert wäre eine bessere Anpassung an Partien für zwei Personen und eine verkürzte Spielzeit, vielleicht durch einen abgewandelten Spielmodus? Wer nun selber sein Schlachtenglück suchen möchte, sollte sich in die Mailingliste eintragen und die kommende Kickstarter-Kampagne im Auge behalten.

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