Rise to Nobility steht als schwergewichtiges Diceplacement-Brettspiel in direkter Konkurrenz zum großartigen Marco Polo. Ich bin ein großer Fan des Spielprinzips: statt Spielsteine werden Würfel für Aktionen eingesetzt, wobei immer das gewürfelte Ergebnis beachtet werden muss. Rise to Nobility verpackt sein Spiel dazu in frische, bunte Fantasy Optik, da zappelte ich schnell am Haken und war bei der Kickstarter Kampagne dabei. Die alles entscheidende Frage: Fressen die Grünelfen, Oger und Zwerge nun die Marco Polo Kamele oder tingle ich weiterhin lieber die Seidenstraße entlang?
Kurzcheck: Darum geht es in Rise to Nobility
In Rise to Nobility kämpfen bis zu sechs Spieler – herrlich oder – um die Gunst der Elfenkönigin. Im Detail heißt das bei den sechs verschiedenen Völkern einschleimen, ihnen Häuser bauen, im Adelrang aufsteigen und dem Stadtverwalter unter die Arme greifen. Der faule Gnom ist dafür nämlich äußerst ungeeignet. Um das alles zu bewerkstelligen baut man Häuser und Gilden, verpflichtet Siedler und handelt mit den fünf Ressourcen. Geld ist hierbei genau so wichtig wie das Ansehen. Wie eingangs erwähnt ist Rise to Nobility ein Diceplacment-Brettspiel. Ich platziere also nicht wie so oft Arbeiter auf Feldern um mir meine Aktionen zu sichern, sondern Würfel. Es werden insgesamt 10 Runden gespielt in denen die Spieler ihre Würfel platzieren, wobei jede Runde neu gewürfelt wird. Gewonnen hat der Spieler der am Ende die meisten Siedepunkte erspielt hat.
Würfelplatzierung
Werfen wir zuerst einen Blick auf das Platzieren der Würfel und auslösen der jeweiligen Aktion. Jeder Spieler hat fünf Würfel und diese werden von jedem Spieler vor Rundenbeginn einmal geworfen. Heißt, ich sehe ganz genau was die Spieler für Augen gewürfelt haben. Der Clou ist nun, dass jede Aktion gewisse Vorgaben hat und der platzierte Würfel mit seiner Augenzahl die anderen Spieler beeinflusst. Wer ein Gebäude bauen möchte muss einen Würfel platzieren, der zweite Spieler müsste mindesten die gleiche Augenzahl oder eine niedrigere platzieren. Wer hier am Anfang eine eins spielt, der blockiert diese Aktion logischerweise für alle anderen Spieler die keine eins gewürfelt haben.
Die Aktionen sind allerdings so gestaltet das nicht immer die niedrigste Zahl die beste Möglichkeit bietet. Sondern je nachdem was man vorhat, sind entsprechende Zahlen wichtig. Man sollte also eher schauen was andere Spieler aushecken und was sie gewürfelt haben. Bisher kennt man das auch aus Marco Polo.
Ansehen – der Unterschied zu Marco Polo
Völlig anders hingegen ist das Ansehen in Rise to Nobility. Dieser Wert bestimmt die maximale Anzahl an Augen die alle eingesetzten Würfel zusammen erreichen dürfen. Mit niedrigem Ansehen muss man womöglich auf Aktionen verzichten. Das fiese ist, meistens muss man Aktionen (=Würfel) investieren um das Ansehen zu erhöhen. Hier kann man kurzfristig sogar Nachteile haben, weil mir, in der Zeit wo ich das Ansehen erhöhe, andere Spieler Aktionen wegschnappen.
Extreme Verzahnung
Ich will euch nicht mit Details langweilen, dafür ist das Regelwerk da, es reicht wenn ich die Aktionsketten grob umreiße, um aufzuzeigen das Rise to Noblity gerade am Anfang schwergewichtig wirkt. Als Einsteiger braucht man erstmal ein paar Runden, bis man das ganze Gerüst durchschaut hat, vor allem weil ständig Mitspieler durch ihre Würfelzahlen deine möglichen Pläne durchkreuzen werden.
Du möchtest Siegpunkte? Wie wäre es mit einem Grünelfen auf deinem Spielertableau! Dafür musst du dir mit einer Aktion eine Siedlerkarte ergattern. Um die Siedlerkarte zu erfüllen sind Rohstoffe nötig. Je nach Karte und Wertigkeit unterschiedlich viele, mindestens drei verschiedene. Für Rohstoffe musst du Würfel bei den unterschiedlichen Gilden einsetzen, vorausgesetzt kein anderer nimmt dir den Platz weg. Zusätzlich brauchst du noch Geld für den Kauf der Ressourcen. Hast du die Ressourcen, bringt dir das noch gar nichts. Erstmal musst du ein Haus auf deinem Tableau bauen. Dafür brauchst du, genau, wieder Würfel und Geld. Dann endlich darfst du deine Siedlerkarte ausspielen und Siegpunkte ergattern. Obendrein gibt es Adelspunkte und/oder Lehrlinge. Die Lehrlinge kannst du in die Gilden stecken, natürlich nur beim platzieren des richtigen Würfels! Dafür produzieren sie Geld und ermöglichen Vergünstigungen. Wer es sich leisten kann darf in den Gilden Häuser bauen, für weitere, oft mächtige Extra-Aktionen. Aber nur wenn du dort einen Lehrling hast, der wird dann zum Meister! Dieser bringt dir kein Geld mehr ein aber Rohstoffe…
Das war jetzt noch nicht alles! Du kannst Rohstoffe verkaufen, im Steinkonzil Ansehen und Rohstoffe gegen Siegpunkte tauschen, dein Ansehen erhöhen oder Würfelmodifikatoren kaufen, mit denen du deinen Wurf modifizieren kannst. Gekoppelt sind manche Aktionen noch mit den jeweiligen Völkern die du ausgespielt hast und zusätzlich kannst du noch Häuser für passive Boni auf deinem Spieltableau platzieren. Wem das nicht reicht, erweitere das Spiel noch mit Quests und dem Konsulat – noch mehr passive Boni. Hirn funktioniert noch? Dann bist du ein Kandidat für Rise to Nobility.
Und der Spielspaß?
Der ist erstmal ungemein hoch! Man würfelt, kalkuliert, vergleicht mit anderen Spielern und kappelt sich um den Einfluss bei den Gilden. Der Ärgerfaktor ist recht hoch! Gut so. Denn neben dem Ausstechen durch die platzierten Würfelzahlen, sind viele Aktionen pro Runde auch nur einmal belegbar. Gerade was das Sammeln von Rohstoffen und den Ausbau der Gilden angeht. Es will also gut überlegt sein welche Aktion ich als erstes ausführe! Wer keine gute Mischung aus Einkommen und Rohstoffen bei gleichzeitiger Erfüllung der Siedlerkarten hinbekommt, gerät unter die Würfel. Auch ist Rise to Nobility ein Augenschmeichler. Das Spiel sieht umwerfend aus und will gespielt werden. Das typische Artdesign von Mico ist zwar Geschmackssache, ich allerdings liebe es abgöttisch!
Marco Polo darf also verschrottet werden. Ey, halt kleine Elfenkönigin, nicht so vorschnell! Auch wenn man keine Elfenkönigin schlägt, die Schelle kommt jetzt noch. Die 10 Runden haben ihren Sinn! Es muss Ansehen aufgebaut werden und man braucht etwas bis die Maschinerie fahrt aufnimmt, aber so lang der Absatz auch über die Aktionskette ist, die Aktionen bleiben dieselben. Für den allgemeinen Ablauf, vor allem wenn er einmal in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist die Spielzeit zu lang, vor allem wenn man mit mehr Mitspielern am Tisch sitzt.
Dieses Problem geht Hand in Hand mit der fehlenden Modularität bzw. der spielerischen Freiheit, die Königsdisziplin von Marco Polo. In Rise to Nobility gibt es zu wenige Wege abseits des offensichtlichen. Die optionalen Quests machen das definitiv etwas besser, und welche Gilden wie bebaut werden, unterscheidet sich auch, aber es ist kein Vergleich zu Marco Polo. Für mich als Vielspieler leider der größte Schwachpunkt von Rise to Nobility.
Fazit
Rise to Nobility verzaubert mit seiner Optik, gerade in der Deluxe Edition mit Spezialwürfeln, wunderschönen Ressourcenplättchen und diversen Extras. Das Artdesign von Miko, im Einklang mit der eher etwas ungewöhnlichen Fantasywelt, glänzt mit einer frischen Ausstrahlung. Wer sich optisch genug ergötzt hat und in Rise to Noblity spielerisch einsteigt, wird zuerst erschlagen von Aktionsmöglichkeiten. Das fühlt sich herrlich schwergewichtig an! Man baut munter Gebäude, sammelt Bewohner und Ressourcen, handelt und versucht immer genügend Gold für die zahlreichen Aktionen zu haben. Der Würfelmechanismus passt und bietet mit der Begrenzung durch das Ansehen eine frische Komponente. Dazu ist Rise to Nobility herrlich fies, ohne völlig zu frustrieren. Man kappelt sich um Aktionsfelder und kann mit klug eingesetzten Würfelzahlen die Mitspieler ausbremsen.
Mit jeder weiteren Partie aber zeigt sich, dass weniger Spielspaß unter der Haube steckt als anfänglich vermutet. Zwar können einige spielerische Extras wie Ereigniskarten und Quests das Spielniveau noch anheben und auffrischen, aber unterm Strich ist der Weg zu Siegpunkten zu unflexibel. Das macht Rise to Nobility zu keinem schlechten Spiel, aber für Vielspieler und ab Kennerspiel-Niveau, bietet ein Marco Polo wesentlich mehr Langzeitmotivation.
Anmerkung: Das Spiel ist zwar in englisch, bis auf wenige Ausnahmen aber sprachneutral gehalten und die deutsche Anleitung gibt es als PDF.
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