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Willkommen zum ersten Beitrag der neuen Kolumne „Padrage“. Jeder mit einem Freundeskreis aus Zockern wird das wohl kennen, diese Diskussionen über Videospiele die polarisieren oder die einfach nur unheimlich viel Potential verschwenden. Da wird debattiert, erst auf dem heimischen Sofa, danach im WhatsApp Chat oder per Mail, nicht kurz, nein, da wird in die Tasten gehauen bis die Finger bluten. Die Themen aus dem Kreis dieser Bluthochdruck-Zocker werde ich hier näher bringen. Den Anfang macht Metal Gear Solid 5, welches aus einer Serie stammt die bisher hoch im Kurs stand.

Ich hatte beim Spielen von Metal Gear Solid 5 verschiedene Szenarien im Wohnzimmer: heißgelaufener Kopf trifft Tischplatte, schrille Verzweiflungsschreie und empor gestreckte Hände gen Wohnzimmerdecke oder nur der klassische Schlag, flache Hand auf Stirn. Zwischendurch war ich auch einfach nur tief enttäuscht. Als Fan erster Stunde, der Snake als einen der Videospielhelden überhaupt im kleinen Zockerherzen ehrt, und so die gesamte Saga abfeiert, für den war die Kost mit Big Boss über weite Strecken ein bittersüßes Gemisch.
Ich werde hier versuchen mir die Seele rein zu schreiben, mit so wenigen Spoilern wie nötig und mit dem Hinweis, das durch das erlebte Ende Metal Gear Solid 5 vielleicht nicht den vordersten Platz im Herzen erobert, es aber meinen absoluten Respekt erkämpft hat. Es ist ein Ende bei dem ich die Faust ballte und „chacka“ brüllte. Ich war kurz versucht aufzuspringen, das Wohnzimmer zu verlassen und im Feuer der Emotionen die Welt zu retten. Es ist ein Ende der trotz der folgenden Zeilen, Metal Gear Solid 5 zu einem Pflichttitel macht.

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Metal Gear Solid 5 und die Fortsetzung folgt…

Da sitzt man schweiß gebadet auf der Couch! Ein guter Bosskampf, vom Artdesign wie auch spielerisch. Vielleicht nicht so gut wie in den Teilen davor, aber trotzdem eines der Highlights, vor allem weil danach eine der seltenen Videosequenzen als Belohnung anstand. Was folgt ist dieser Kopf-Tischplattenmoment: Mitten in der spannenden Sequenz, friert das Bild ein und der Slogan „Fortsetzung folgt“ erscheint. Kann man machen, wenn man versucht sein Spiel so ein bisschen wie eine Serie zu verkaufen. Dazu später mehr. Hier wird es aber einfach nur grotesk. Danach kann ich nämlich aus dem Missionsbildschirm eine Nebenmission absolvieren, in der Open World umherwandern oder zur Motherbase, dem Hauptquartier des Spiels, fliegen. Big Boss, eingefroren, vielleicht dem Tode nah und mitten in der Storysequenz, sammelt plötzlich Kräuter und macht mal kurz ne Nebenmission. Duschen auf der Motherbase? Klaro, nimmt man mit.

Bei einer Spielreihe in der bisher die Geschichte und deren Präsentation Kinoformat hatte, ist das dramaturgisch ein absoluter Bruch. Das darunter die Immersion leidet, falsch, eigentlich völlig zerstört wird, ist auch nicht überraschend. Es passt weder zur Geschichte, noch rechtfertigt das Spielprinzip Open World diesen Schritt. Es ist mir wirklich unbegreiflich wie man mitten in einer eigentlich zusammenhängenden Storymission einen Schnitt einbaut um einfach ganz woanders weiter spielen zu können. Ich kann dann Stunden später, um viele Erfahrungen reicher, ja sogar andere Storyabschnitte später, an diesem Moment der Hauptstory zurückkehren. Unglaublich.

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Schweigsam vs Mitteilungsbedürfnis

Der Big Boss in Metal Solid 5 ist der wahre Quiet. Ja, die fast nackte Scharfschützin mit dem Namen Quiet, die als wandelndes Pin-Up Girl gekonnt aufdringlich ihre Brüste, wahlweise Hinterteil, ins Bild rückt, ist wohl rein von der gesprochenen Wortanzahl schweigsamer. Trotzdem, dieser Big Boss ist gefühlt stumm. Ich kenne kaum einen Videospielhelden der als Hauptfigur so wenig gesprochen hat – und das in einer Spielserie, die eben für Dialoge bekannt ist. Dafür glänzt ein anderer mit seiner Mitteilungsbedürftigkeit: Hideo Kojima der Anti-Quiet. Gefühlt liest man seinen Namen öfters im Spiel als das man gesprochene Worte von Big Boss hört. Das liegt an der Aufmachung der Missionen die wie Folgen einer Serie aufgebaut sind und mit Intro und Abspann glänzen. Es ist sicher Geschmacksache, aber für mich war das befremdlich in einem beständigen Stakkato vor und nach jedem Missionsfetzen Hideo Kojima, zum Teil mehrmals innerhalb eines Abspanns, zu lesen.

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Quiet – ich schäme mich

Wie eben schon angedeutet, die wenig sprechende Quiet weiß mit ihren Reizen umzugehen. Im Klartext heißt das, sie ist so gut wie nackt. Dazu gibt es Szenen bei denen Sie sich so räkelt, dass ich als Big Boss reflexartig Geldscheine suchte. Hat er nicht dabei, und Quiet ist auch keine Stripperin, aber warum bewegt sich sich dann so? Es gibt eine Erklärung ihrer Nacktheit im Spiel, die ist aber so an den Haaren herbeigezogen das ich mich wundert das Sie noch welche hat. Ich mag diese hippe Gender-Diskrimierungs-Debatte eigentlich nicht so gern, aber hier ist sie auf jeden Fall angebracht. Ein ehrliches Interview von Hideo Kojima deutet zumindest den Grund an, denn Quiet lässt sich so als ‚Actionfigur“ besser verkaufen. Sind Gamer so einfach gestrickt? Ich rege mich auch weniger über die deplatzierte Nacktheit auf, sondern bemängel das Quiet als eigentlich interessanteste Figur in Metal Gear Solid 5, die wirklich viel Drama in sich trägt, durch ihre billige Darstellung an Glaubwürdigkeit verliert.

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Tot, toter, Open World?

Das Spiel Metal Gear Solid 5 spielt in Afghanistan und Afrika. Die Areale sind groß, die Open World gefüllt mit zerstörten Dörfern, militärischen Außenposten, Industrieanlagen oder Flughäfen. Man sieht sogar allerhand Tiere. Insgesamt sind die Areale also gut in Szene gesetzt. Es fehlt aber ein Element welches der Glaubwürdigkeit sehr zusetzt: Einheimische oder zumindest deren Spuren. Überall nur Soldaten und deren Gerät. Stofftiere und Kinderzimmer? Küchen oder Wohnzimmer? Alte Pferdekarren oder Autowracks? Nichts von dem. Als Gegenbeispiel zeigen aktuell „The Division“ oder „Fallout 4“ eine Welt in der man an jeder Ecke spürt das hier einmal Personen gelebt haben und die Open World nicht Mittel zum Zweck ist. Klar, ich ziehe meinen Hut vor dem Leveldesign in Metal Gear Soldi 5, eine Open World für ein Stealthspiel zu kreieren ist Königsklasse und spielerisch ist das absolut gelungen – nur die Atmosphäre leidet zum wiederholten Male.

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Story Mission, mach’s einfach noch einmal

Hat man das erste Kapitel abgeschlossen, teasert ein kleiner Trailer das kommende zweite Kapitel. Das sorgt auf jeden Fall für Neugierde! Doch schnell starrte ich ungläubig auf die auswählbaren Hauptmissionen die für den Storyfortschritt verantwortlich sind. Es waren ausgewählte Missionen aus dem vorherigen Kapitel in einem höheren Schwierigkeitsgrad oder mit zusätzlichen Herausforderungen. Ansonsten komplett identisch. Identisch. Soll ich es noch einmal wiederholen? Die Serie welche mit abgefahren geile Stories den Spieler bisher verwöhnte, wärmt Missionen auf? Da wären wir wieder bei dem Immersionsproblem. Logisch ist das kein Stück zu erklären. Es zeigt sich hier deutlich das man Metal Gear Solid 5 anders nehmen muss. Mehr wie ein Arcadetitel bei dem man Level spielt die in einer Open World verpackt sind und weniger wie ein zusammenhängendes interaktives Videospiel-Kinodrama. An dieser Stelle ein Tipp: man braucht die Missionen nicht wiederholen, auch wenn es erstmal so aussieht und angeboten wird. Wenn man genügend Nebenmissionen erledigt, werden nach einiger Zeit weitere Hauptmissionen freigeschaltet welche die Story fortführen. Es bleibt trotzdem ein bitterer Beigeschmack.

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Spiel es trotzdem!

Wichtig festzuhalten, trotz dieser ganzen Unstimmigkeiten, und gerade für die Serie fragwürdigen Aktionen ist Metal Gear Solid 5 für jeden Liebhaber des Schleichgenres zu empfehlen. Spielerisch zumindest, denn Basenbau, Leveldesign und die Entwicklung von neuen Waffen machen irre viel Spaß. Je mehr man aber typische Merkmale der Serie erwartet und sich in der Geschichte verlieren will, je häufiger wird dein Kopf auf die Tischplatte knallen. Darum mach es wie mit dem Zahnarzt, Vorsorge ist besser als Nachsorge: pack Dir ein Kissen auf den Couchtisch.

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