Vorsicht an der Bahnsteigkante! Der Zug 18Lilliput macht sich auf um die Gefilde der 18XX-Welt für Einsteiger anzulaufen. Eine Welt der Eisenbahnwirtschaftssimulation. Ein Wort so sperrig wie die 18XX Spiele für Gelegenheitsspieler. In klassischen 18XX Brettspielen geht es um die Entstehungsgeschichte nationaler Eisenbahnnetze, dargebracht in einer Optik, die oft so charmant ist, wie Verkehrsnetzpläne des öffentlichen Nahverkehrs. Ein Scythe spielt visuell nicht in einer anderen Liga, sondern auf einem anderen Planeten. Das tut der Begeisterung an 18XX aber keinen Abbruch, denn der Ausbau der eigenen Bahngesellschaft, der Handel mit Aktien und die Erschließung Regionen durch Gleise glänzt spielerisch durch enormen Tiefgang. Die Spielzeit beim Klassiker 1830? Schon Mal sechs Stunden. Was hat das nun alles mit 18Lilliput zu tun?
Kurzcheck: Darum geht es in 18Lilliput
Ganz einfach, man kann diese Art der Eisenbahnspiele jemanden nur schwer zumuten, der erstens Anfänger im Genre ist und zeitgleich wenig mit Eisenbahnen am Hut hat. Ich gehe mit einem Vegetarier auch nicht zum Currywurst-Wettessen. 18Lilliput versucht nun den Spagat. Es ist die Tofu-Currywurst. Wir haben hier alles was ein 18XX-Spiel in seiner Grundform ausmacht: Aktienkauf, Wertsteigerung der Gesellschaften, Gleisbau wie auch deren Ausbau, das Errichten von Bahnhöfen und kaufen von Loks und die Gründung neuer Gesellschaften. Dabei gibt sich 18Lilliput kompakt im Spielmaterial wie auch in der Spielzeit, verzeiht Fehler und ist optisch ansprechender gestaltet. Fans von Nahverkehrsplänen dürfen aber aufatmen, die Rückseite ist ohne Bling-Bling gestaltet. Gewonnen hat am Ende derjenige, der aus den obigen Spielelementen das meiste Geld gescheffelt hat.
Der Start in die Welt von 18Lilliput
Bevor wir wirklich Geld einnehmen, entscheidet sich jeder vor Spielbeginn für eine Eisenbahngesellschaft und einen Spielcharakter. Beide spendieren einem nicht zu verachtende Vorteile wie Extra-Gleise und Vergünstigungen bei verschiedenen Spielelementen. Weiter starten alle Spieler im Zentrum. Der Startbahnhof ist kein Durchgangsbahnhof, hat dafür aber in jede der vier Richtungen ein Gleis. Der Sinn des ganzen, jeder Spieler startet in eine der Richtungen und da der Bahnhof nicht durchfahren werden kann, bleibt jeder Spieler anfänglich für sich. Das bleibt so natürlich nicht, sorgt aber für einen gemächlicheren Einstieg.
In 18Lilliput führen die Spieler reihum eine ausliegende Aktionskarte aus, wobei sie sich entscheiden können, die obige oder untere Aktion auf der Karte auszulösen. Die gewählte Aktionskarte ist für andere Spieler in derselben Runde im Normalfall nicht mehr auswählbar. Wenn der letzte Spieler seine Karte gewählt hat, geht es gegen den Uhrzeigersinn wieder zurück mit der Wahl einer zweiten Aktionskarte. Hier zeigt 18Lilliput das erste mal seine kleinen Zähne, denn die Auswahl kann andere Spieler schon merklich behindern. Andere Mitspieler im Blick behalten und zu Wissen ob Sie eher Bahnhöfe bauen, Aktien oder Loks kaufen möchten oder das Gleissystem ausbauen, ist wichtig.
Die Fahrkarten bitte!
Am Ende einer Runde setzen sich die Loks in Bewegung und hier entscheidet sich, wer den Spagat aus richtigem Gleis-/ Bahnhofsbau und passenden Loks geschafft hat. Jedes Gleisteil darf nur einmal von einer eigenen Lok befahren werden und die Lok hat eine begrenzte Reichweite. Dazu muss Start und Endpunkt ein Bahnhof sein und mindestens ein eigener innerhalb jeder Strecke sein. Das klingt komplizierter als es ist, wobei gute Planung und Übersicht wichtig sind. Am Ende macht es aber einfach unheimlich viel Spaß wenn durch geschicktes Platzieren die Kasse klingelt!
Die ganze Kohle dann in die Tasche gestopft? Tja, das wäre der Anfang zur Strategie für erfolgloses Spiel. Als Besitzer einer Eisenbahngesellschaft muss man sich nämlich entscheiden, ob das eingenommene Geld zu 100% in die Gesellschaft fließt, damit die Infrastruktur (Bahnhöfe, Gleise, Züge) verbessert werden kann und so zukünftige Gewinne weiter wachsen, dann sinkt allerdings der Kurs der Gesellschaft. Man kann die Gewinne aber auch an die Aktionäre ausschütten. Da andere Spieler sich durch Aktien einkaufen können, subventioniert man hier mit Pech deren Reichtum. Man selber hält allerdings immer mindestens 50% an einer Gesellschaft. Das so erhaltene eigene Kapital ist wiederum wichtig für den Spielsieg! Mit dem Privatvermögen kauft man Aktien ein oder gründet eine weitere Gesellschaft. Je mehr Kapital ich investiere, umso höher ist der Anfangskurs der Aktie und entsprechend das Vermögen der neuen Gesellschaft. Das Jonglieren mit den Einnahmen seiner Gesellschaften ist ein wichtiger Baustein des Spiels, der einmal verstanden nicht sonderlich komplex, aber herrlich motivierend ist.
Gerangel überall!
Der anfänglich solitäre Charakter, forciert durch die beschriebenen Einstiegspunkte, verfliegt schnell. Denn Interaktion am Spieltisch ist der Antrieb der Spielspaß-Lok. Neben dem Einkaufen in fremde Gesellschaften, dem Wegschnappen von lukrativen Loks und der allgemein großen Konkurrenz um Aktionen, ist auch auch im Streckenbau Feuer drin. Denn eigene gesetzte Bahnhöfe blockieren die Durchfahrt von fremden Zügen. Da jede Gesellschaft nur drei Bahnhöfe hat, muss man diese gut verteilt ausspielen. Das lädt andere Spieler ein sich dazwischen zu setzen, wenn Sie Gleisstrecken miteinander verbinden und so neue Zugänge schaffen. Auch hier kann man geschickt angestellt ordentlich vom Ausbau anderer Schmarotzen!
Zwar können später ausgebaute Gleisteile mehr Bahnhöfe fassen, trotzdem ist die Konkurrenz auf den Gleisen, je nach gewollter Konfrontationshärte der Spieler, immer vorhanden. Diese gewisse Härte wird im Spiel weiter forciert, das mit fortschreitender Entwicklung, alte Loks erst weniger Geld einbringen, wer will damit schon fahren und am Ende sogar verschrottet werden. Neue Loks sind richtig teuer. In doppelter Hinsicht also ein fettes Autsch an alle Spieler die schlecht mit ihren Loks planen. Ich bin einmal in eine regelrechte Abwärtsspirale gelaufen.
Kleine Hindernisse
Die kompakte Schachtel täuscht in Sachen Umfang! Neben Einigen Spielvarianten, darunter ein Solomodus, gibt es sogar noch Szenarien, die Geländemodifikatoren ins Spiel bringen. Flüsse, Wüsten oder Gebirge bringen eben Probleme ins Spiel, die spielerisch aber nochmal etwas mehr Spannung ins Spiel bringen. Neben diesen Hindernissen beim Gleisbau, stolpert man aber auch bei der Anleitung und ersten Partien etwas. Zumindest als absoluter Einsteiger ins Genre, braucht man auch bei 18Lilliput etwas um reinzukommen. Was für Veteranen vielleicht schneller klar ist, ist für Laien manchmal nicht so schnell zu greifen, was zum Teil auch an der umständlichen Spielregel liegt.
Fazit
Trotz dieser vielleicht leichten anfänglichen Überforderung, 18Lilliput ist für Einsteiger in das 18XX-Genre ein toller Start! Für Experten bleibt 18Lilliput immerhin ein schönes und dann vor allem schnell zu spielendes Eisenbahnwirtschaftsspiel, das durch seine Reduzierung mehr einem Eurogame gleicht und weniger einem 18XX. So sind sie die Experten, einsam auf ihrer Insel der Kompetenz! Die verschiedenen Spielelemente, insbesondere das geschickte Hantieren mit dem privaten Vermögen und dem Kapital der Gesellschaften, sowie dem dynamischen Gleisausbau, gefallen. Weit weniger trocken als es die Optik vermuten lassen, die wohlgemerkt für jeden 18XX-Fan trotzdem überproduziert sein mag. Das wichtigste ist allerdings, dass 18Lilliput Spieler am Tisch begeistern konnte, die ansonsten thematisch eher einen großen Bogen um das Genre machen und sich nur bei der Erwähnung von 18XX im Keller Schlepptender verstecken würden. Von daher, Mission erfüllt!
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