Kurzcheck: Darum geht es in Among Cultists
In Among Cultists seid ihr eine Gruppe von Ermittler:innen, die den Geheimnissen und damit der Beschwörung eines Wesens in eurer Universität auf die Spur kommen wollen. Das nicht überraschende Problem: Unter euch sind natürlich Kultisten, die euch sabotieren, ja sogar ermorden wollen, damit die teuflischen Pläne aufgehen. Klassisches Konzept. Inspiriert ist Among Cultists vom Videospielhit Among Us und man erkennt durchaus einige Parallelen. Ihr rennt von Ort zu Ort, müsst verschiedene Aufgaben erfüllen, vornehmlich Bücher sammeln oder Gefahren wie verzerrte Fischmenschen oder Portale beseitigen, bevor eure Zeit abgelaufen ist. Während ihr das tut, könnt ihr jederzeit beim Treffen anderer Personen ermordet werden. Schafft ihr genug Wissen anzusammeln oder werden die Kultisten enttarnt, haben die Ermittler:innen gewonnen. Die Kultisten gewinnen über eine gewisse Anzahl an ermordeten Personen. Tolle Idee dabei: Ermordete Charaktere nehmen weiterhin als Geist am Spiel bei. Damit sind wir aber schon direkt im ersten thematischen Fallstrick …
Gestorben? Vielleicht!
Spielerklärung. Ich komme zum Thema und der Mechanik des Ermordens. Ich winde mich wie ein Aal in der Elbe. Diesen Aal bekomme ich nicht vom Eis. Das Problem ist schnell erklärt. Immer wenn sich Charaktere in Räumen oder Gängen treffen, kann einer den anderen theoretisch ermorden, zumindest wenn einer von ihnen ein Kultist ist. Weitere Bedingung, sie müssen zu zweit sein, ansonsten gäbe es direkt Zeugen. Sind mehr anwesende Charakteren im Raum, müsste zumindest das Licht ausgeschaltet sein. Klingt logisch und erinnert irgendwie auch an Among Us. Das Problem bei einem analogen Brettspiel: Würde ich einen Charakter ermorden, wüssten alle am Tisch, das ich ein Kultist ergo Verräter bin. Funktioniert also nicht!
Nun greift die spezielle Mechanik von Among Cultists. Treffen sich zwei Charaktere, dann geben sie sich verdeckt eine Karte aus ihrem persönlichen Deck, welches zu Spielbeginn ausgeteilt wird. Diese Karte wird aber nicht angeschaut, sondern bildet fortan das Puls-Deck. Als Ermittler:in hat man nur Lebendkarten auf der Hand und kann entsprechend nur solch eine Karte weitergeben. Als Kultist:in hingegen besitzt man Lebend- und Totkarten. Wird nun eine Totkarte durch Weitergabe ins Puls-Deck gespielt, weiß das der Getötete nicht. Er handelt weiter wie ein Mensch. Nur eine andere Person kann im Normalfall als Aktion das Puls-Deck, oft durch diverse Treffen mit mehr Karten gesegnet, anschauen und dann mitteilen, ob der untersuchte Charakter eigentlich schon ermordet wurde. Thematisch taugt nicht einmal eine Art „Sixth-Sense-Phänomen“, weil alle Ermittler:innen den Menschen sehen und er eben auch für alle so agiert. Einfach strange.
Probleme beginnen davor
Allerdings besitzt das Spiel weitere Fallstricke, die gerade wenn man noch nicht eingespielt ist, was durchaus einige Partien dauern kann, immer wieder Thema waren. Alleine das Ausspielen der Lebend- und Totkarten kann schwierig sein. Als Kultist muss ich eine Karte wählen. Als Ermittler habe ich mit den Lebendkarten nur eine Kartenart im Deck. Schnell geschieht es aus Unachtsamkeit, dass man seinen auf den Tisch gelegten Kartenstapel gar nicht aufnimmt, sondern gedankenverloren die oberste Karte als Ermittler weitergibt. Ist berechtigterweise laut Anleitung verboten, passiert trotzdem. Kein echter Vorwurf, aber die Spielmechanik ist hier fragil. Spielt man Karten, sollte man zudem eine kurze Pause vor der Wahl einlegen, damit es nicht zu auffällig aussieht. Als Ermittler:in ist es ja völlig egal, was gewählt wird, ich habe ja nur eine Kartenart. Ich schauspielere als „Guter“, damit Kultist:innen nicht auffliegen, die sich ja entscheiden müssen. Das wirkt schon wieder strange.
Zudem erhält vor Spielbeginn jede Person am Tisch verdeckt eine Routenkarte. Pro Runde gibt diese Karte an, in welchen Räumen (farblich markiert) man Aktionen ausführen darf. Alle anderen Räume sind tabu, genauso wie das Stehenbleiben. Auch das ist thematisch nur schwer zu erklären. Wieso darf ich diese Runde nur in die blaue Bibliothek oder in den Sicherheitsraum? Spielerisch macht aber auch das Sinn! Zum einen müssen sich alle absprechen, in welchen Räumen sie agieren können und wie sich bewegt werden muss, damit sich möglichst wenige begegnen. Als Kultist hingegen darf ich die Routenkarte ignorieren, also schummeln. Auch das ist für die Dynamik wichtig. Der letzte kritische Punkt ist die Anzahl an Personen mit denen Among Cultist fetzt. Ich sage 7 Personen. Darunter gibt es zum Start schon ermordete Spieler, ohne das sie es wissen. Ich mag das konzeptionell einfach nicht.
Trotzdem Spannend
Nun folgt das große ABER, das zumindest ich empfunden habe, nur leider nicht alle in meinen Spielrunden. Among Cultists kann trotzdem verdammt Spaß machen. Ich bin schon öfters Verräter in anderen Social-Deduction-Spielen gewesen, aber außer in The Thing habe ich es selten so genossen. Aber auch abseits dessen, hier wird jede Runde kommuniziert. Und nein, kein wildes und plumpes Anschuldigen, zumindest nicht ausschließlich, sondern eben basierend auf spielerischen Fakten. Das Konzept, in die Räume zu müssen, dort als Aktion Zeit zu verbringen, indem man verdeckt eine Raumkarte aus seiner Hand in ein Raumdeck spielt, macht auch Laune. Erst wenn sich drei Karten im Deck befinden, können Bücher im Raum gesammelt werden, mit denen man als Ermittler:in eben das Spiel gewinnt. Aber auch hier können Kultist:innen das Deck sabotieren. Will man nämlich ein Buch einsammeln, wird das entsprechende Raumdeck gemischt und eine Karte gezogen. Nur bei der richtig gezogenen Karte findest Du dann auch ein Buch. Wie bei den Begegnungen muss man sich auch bei den Räumen also merken, welche Person wo interagiert hat, um Verräter:innen aufzuspüren. Diskussionen sind also jede Runde vorprogrammiert!
Dazu gesellt sich noch spannendes und zufälliges Ereignis pro Runde, welches den Spielverlauf auch schon einmal auf den Kopf stellen. Nicht minder spannend ist die Aktion, bei dem man aktiv eine Person per erfolgreicher Abstimmung töten lassen kann. Das passiert übrigens auch automatisch dann, wenn eine Person bei der Prüfung als Toter festgestellt wird. Dann brennt der Tisch vor wildester kommunikativer Dramatik.
Fazit
Nun steh ich hier und kann nicht anders. Bin ich noch ein motivierter Spieler oder ein desillusionierter Geist? Ich weiß es nicht und plötzlich wirkt die thematische Problematik von Among Cultists fast passend. Among Cultists ist mit seinen Kernelementen ein spannender und gelungener Mix, der definitiv mehr „Brettspiel“ ins Genre bringt. Mehr noch als bei Feed The Kraken, welches durch das Material größer wirkt als es ist. Gleichzeitig besitzt das Spiel aber mechanische Sperrigkeiten und thematisch schwer zu schluckende Kröten Geister. Ich bin eben ein Kopfkino-Typ und Atmosphäre-Junkie, entsprechend hadere ich hier. Ich konnte aufgrund fehlender Begeisterung innerhalb meiner Social-Deduction-Blase zudem nie so tief abtauchen, wie ich es persönlich gerne getan hätte. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Bewertung.
Ich sehe das theoretisch große Potenzial und habe es in Partien auch in Ansätzen selbst erlebt. Wer mit pochendem Herzen als Kultist versucht, seine Mitspielenden auf diverse Art hinters Licht zu führen und wilde Diskussionen erlebt, weiß, dass dieses Spiel seine Hausaufgaben eigentlich gemacht hat. Eigentlich. Die Sperrigkeiten wie das fehleranfällige Ausspielen von Karten, die spielerisch nachvollziehbare, aber thematisch schwierige und im Nachgang nie nachvollziehbare Zwangs- und Routenbewegung oder die Krux mit dem Hauptelement des Mordes, verhaften Among Cultists in der Diskussionsfalle nach Spielende. Und die ist Gift für das Spiel. Unterschiedliche Gruppen und nach jeder Partie wurden das Spiel durch seine Kritikpunkte dermaßen zerredet, dass ein weiteres und tieferes Spielen unmöglich wirkte. Among Cultists hat mir die Mitspielenden selbst gekillt. Wer eine Stammgruppe hat, die sich in so ein Spiel einarbeiten möchte, der sollte aus meiner Sicht trotzdem einen Blick wagen. Potenzial ist definitiv vorhanden!
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Ich kann die innere Zerissenheit gut nachvollziehen. Nach einer Partie ist für mich das Spiel leider eher enttäuschend gewesen. Als etwas erfahrener Among Us Spieler war mir das einfach zu wenig Kniff als analoge Umsetzung bei der ich jederzeit die digitale Version bevorzugen würde. Schön finde ich die Events die ein wenig Abwechslung in die Runden bringen sowie das von dir beschriebene Argumentieren auf Spielfakten. Ebenso ein Pluspunkt für ein Deduktionsspiel, keine Player Elimination – schließlich will keiner nur zuschauen. Total eintönig und belanglos dagegen wie man Bücher sammelt und ob es dann auch klappt, da machen die ganzen Mini Games bei Among Us doch einfach deutlich mehr Spaß. Die Aufmachung ist einigermaßen stimmig fühlt sich im Spiel für mich allerdings nicht wirklich thematisch an.
Für so ein simples Spiel ist mir dann auch die Spieldauer deutlich zu lange, zumal man kaum spielerisch relevanten Entscheidungen trifft und eher versucht zu dedzuieren. In diesem Sinne ist für mich kein Wiederholungsbedarf und die klare Empfehlung lieber 15 Minuten die digitale Version zu spielen.