Lesezeit: 5 Minuten
Der einsame Angler in Freshwater Fly.

Freshwater Fly simuliert das Spiel an der Angel zwischen Mensch und Fisch gekonnt. Zumindest so wie ich mir das als absoluter Laie vorstelle. Das könnte man nun äußerst positiv werten, denn was will ich mehr bei einem Angelspiel? Schließlich war die Neugierde auf die Umsetzung dieses ungewöhnlichen Themas der Beschäftigungsgrund. Also Petri Heil und ab in den Warenkorb mit diesem Brettspiel? Nun, ich finde den Angelsport bzw. dessen persönliche Vorstellung so charmant wie ein Lachssteak. Dazu sollte ich wohl preisgeben, dass ich eine Fischeiweißallergie besitze. Wenn dieses Spiel dem also gerecht wird, dann ist es doch eigentlich ein Reinfall – oder? Um die Verwirrung perfekt zu machen: Freshwater Fly ist in einem wichtigen Detail zu weit von der Realität entfernt. Hab ich den richtigen Köder für diese Besprechung ausgeworfen? Ich hoffe doch.

Kurzcheck: Darum geht es in Freshwater Fly

Freshwater Fly teilt sich auf in zwei Phasen. In der ersten Phase versucht man mit dem richtigen Köder einen Fisch zu fangen, der einem später hoffentlich massig Punkte einbringt. Das Ziel ist die Vervollständigung von Sets. Hat ein Fisch angebissen, beginnt Phase 2. Hier geht es dann nur noch um den Kampf zwischen Angler und Fisch. Man dreht wie wild an der Trommel bis man den Fisch gefangen hat. Dieses Spiel wird wiederholt, bis ein Spieler den siebten Fisch gefangen hat.

Gesteuert werden alle Aktionen durch Würfeldrafting, Finesse-Punkte für Sonderaktionen und Spezialfähigkeiten, die man sich im Laufe des Spiels erarbeitet. Wer mit den richtigen Umdrehungen an der Kurbel dreht, verdient sich ebenfalls Boni. Weiter muss man beim Auswerfen der Angel die Strömung beachten und am Ende einer Runde wandern zudem die Larven flussabwärts. Insgesamt erstmal verdammt thematisch und gut verzahnt! Gewonnen hat derjenige, der durch die richtigen Fische, Larven und einigen Siegendbedingungen die meisten Punkte erfischt hat.

Es sieht einfach fantastisch aus.

Es zappelt immer

Was mich relativ schnell bei Freshwater Fly gestört hat, weil es so gar nicht zu meiner Vorstellung des Angels passt, ist der Fang selbst. Ich entscheide mich für einen Fisch und werfe dort meine Angel aus. Wenn dort Larven und Köder übereinstimmen, kann ich einen Fisch fangen. Nun ziehe ich aus einem Stapel von vier Karten eine heraus und schaue ob der Fisch angebissen hat. Da nur eine der vier Karten den Haken zeigt, ist die Chance hoch, dass der Fisch nicht anbeißt. Ist dies der Fall, treibt der Köder weiter. Stimmt der Köder nun wieder mit einer Larve überein, darf man wieder Karten ziehen. Diesmal allerdings zwei. Die Chance ist also groß den neuen Fisch zu fangen. Klappt es wieder nicht, wiederholt sich das Spiel, allerdings hat man nun auf jeden Fall den Fisch gefangen. Es kann natürlich sein, das man aus dem Spielfeld treibt oder die Larven nicht passen und man keinen Fisch fängt.

Grundsätzlich ist es aber eher so, dass man am Ende des Angelversuchs immer etwas am Haken hat. Die Herausforderung bei Freshwater Fly ist nicht das Fangen eines Fisches, sondern die richtigen! Setcollection vor Skill an der Angel. Was in den ersten Spielen weniger stört, langweilt nach einigen Partien zunehmend. Bisweilen kann es sogar frustrieren, denn einen Fisch kann ich nicht vom Haken nehmen. Beim Sammeln von Sets kann ein falscher Fisch, durch Pech beim Ziehen von Karten, schon ordentlich das Punktekonto vermiesen. Wer das lockerer sieht, umarmt die Glückskomponente und begrüßt die taktische Komponente. Ich kann nämlich darauf pokern, dass der erste Versuch in die Hose geht, um dann den zweiten Fisch mit höherer Wahrscheinlichkeit zu fangen. Kann aber in die Angelhose gehen!

Trommelbewegungen schaltet Boni frei und mit Finessepunkten kann ich meine Ausgangslage manipulieren.

Uncharmant

Unabhängig der Einstellung gegenüber des Fischfangs weiß Freshwater Fly das Angeln gut abzubilden. Die vielen verzahnten Mechaniken begeistern, Würfeldrafting rockt und das Kurbeln am Spielertableau ist genial! All das eingerahmt in wunderbar hochwertigen Material, ich hätte dem Spiel die Fang-Mechanik absolut verziehen. Ehrlich gesagt will man ja auch keine vier Stunden spielen, weil keine Fische anbeißen.

Umso tragischer ist es, das Freshwater Fly die Punktevergabe so uninspiriert zelebriert. Hier ensteht für mich ein großer Bruch beim tollem Thema durch schlecht integrierte Wertung. Man sammelt hauptsächlich Punkte für Larven und Sets aus Fischen, je nach Spielertableau leicht unterschiedlich. Als allgemeine Wertung für alle Spieler gibt es drei zusätzliche Wertungskategorien obendrauf. Gerade die drei festen Kategorien für alle Spieler sind in jedem Spiel gleich. Warum? Ich verstehe das nicht. Hier fehlt für einen gesunden Langzeitspielspaß definitiv die Variation!

Die Larven/Flussbewegung ist einer der vielen kleinen aber wirklich coolen Mechaniken.

Die Königsdisziplin

Umso verwunderter bin ich dann über den Solomodus! Hier habe ich verschiedene Szenarien, wo immer anders gepunktet wird. Die Steinfelder, fängt man hier angrenzend ein Fisch, erhält man starke Sonderfähigkeiten, werden im Solomodus ebenfalls unterschiedlich verteilt. Im normalen Spiel liegen diese an den immer gleichen Positionen. Richtig cool ist im Solomodus auch der Fortschritt über Partien hinaus. In einem Checkheft kann man seine Erfolge ankreuzen und so immer besser werden. Hier entstehen sogar Zwickmühlen! Fange ich gewisse Fische, um auf meinem Kampagnentableau besser zu werden oder fokussiere ich mich auf Punkte, um eine Partie zu drehen – vielleicht schafft man sogar beides?

Und hier schließt sich der Kreis mit meiner Einleitung. Allein macht Freshwater Fly mehr Spaß! Das Angeln der richtigen Fische wird zur gemütlichen Knobelaufgabe, das Ausgeben der Finessepunkte, um leichter Fische zu fangen oder Larven zu verschieben, zur taktischen Waffe und beim Würfeldrafting kann man auch besser planen.

Der Solist hat ordentlich zu tun!

Fazit

Freshwater Fly von Spielefaible hat seinen Platz in meinem Regal sicher, trotz seiner offensichtlichen Mankos. Die Langzeitmotivation verbeißt sich nämlich nicht am Haken, denn dafür ist die Punktevergabe über die Partien hinweg zu monoton. Auch könnte sich manch Angler am Fischfang selbst stören, der zwischen zu viel Zufall und doch fast sicherem Erfolg zappelt. Trotzdem ist Freshwater Fly mechanisch ein gelungenes Spiel, welches nicht nur beim Material, sondern auch der authentischen Adaption des Thema mit vielen kleinen Feinheiten seinen Reiz ausübt. Ich zeige und spiele es gern, vor allem mit dem Kennerspieler, der thematisch nach Abwechslung lechzt. Danach darf es aber auch erstmal wieder im Regal verschwinden. Wer öfter die Angel auswerfen möchte, sollte daher gedanklich einen Wertungspunkt abziehen. Anders sieht es mit dem Solomodus aus, hier hält sich die Motivation durch die motivierende Kampagne besser und der Fischfang wird zur spannenden Knobelei.

Freshwater Fly

49,90 €
7.5

AUSSTATTUNG

9.0/10

SPIELIDEE

7.5/10

SPIELSPASS

6.0/10

Kurzfakten

  • Fantastisches Material
  • Außergewöhnliches Thema
  • Punktewertung zu ähnlich
  • Wenig Langzeitmotivation
  • Sehr guter Solomodus

Spielinformationen

  • Genre: Würfeldrafting
  • Spieler: 1 - 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 40 - 90 Minuten
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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