Kurzcheck: Worum geht es in Scythe?
Scythe spielt in einem alternativem Setting nach dem ersten Weltkrieg. In diesem fiktivem Osteuropa kämpfen fünf Mächte um die Vorherrschaft. Goldene Weizenfelder, dunkle Wälder und tüchtig arbeitende Bauern versprühen eine Idylle die im krassen Gegensatz zu titanenhaften Kampfmechs und schießpulverhaltiger Luft steht. Jeder Spieler übernimmt eine Nation mit eigenen Sonderregeln und versucht durch acht verschiedene Aktionsmöglichkeiten, sein Imperium aufzubauen.
Es geht um das Erzeugen von Rohstoffen, dem Bauen von Mechs und Gebäuden und dem Erobern von Gebieten. Doch Ziel des Spiels ist kein blühendes Imperium, sondern das Erfüllen von Zielen. Wer als erster Spieler sechs der zehn möglichen Ziele erfüllt hat, und somit seine sechs Sterne platziert hat, beendet das Spiel sofort. Dann wird anhand von drei Faktoren (Erfüllte Ziele, Anzahl eigener Gebiete, produzierte Rohstoffe) mit Zunahme der Beliebtheit beim Volk und dem addieren vom erwirtschafteten Geld, der Endpunktestand errechnet. Es ist gerade durch die Wahl der sechs Ziele und dem Fokus auf schnellste Erfüllung dieser, ein regelrechtes Wettrennen. Der Vorteil, auch wenn Scythe wahnsinnig komplex aussieht, es spielt sich angenehm flott.
Der Faktor Optik
Scythe ist ganz sicher eines der Spiele, die extrem von der Optik profitieren. Wer sich als Brettspielstreichler nur den Karton anguckt, will am liebsten gleich die passende Bettwäsche ordern. Die Illustrationen, gestaltet von Jakub Rozalski, sind hervorragend und das Spiel wirkt nicht nur unheimlich edel, sondern wie aus einem Guss! Ob nun Auftragskarten, Spielertableaus oder die Mech-Figuren, das ist Artdesign in Perfektion. Das dabei auch die Spielqualität vorbildlich ist, und anders als z.B. bei Terraforming Mars, die Spielertableaus nicht nur aus stabiler Pappe sind, sondern auch Einbuchtungen haben, damit Spielsteine nicht verrutschen, ist eine ganz eigene Liga. Man weiß zu jeder Zeit warum man hier um die 80 € auf den Tisch legen muss!
Mit der Kraft der Doppelaktion
Wer in Scythe um den Sieg und die Erfüllung der sechs Ziele mitreden will, muss effektiv sein. Das zählt besonders für die Wahl der Aktionen, die auf dem Spieltableau abgebildet sind. In der oberen Hälfte befinden sich mit Bewegen, Handeln, Aufrüsten und Produzieren vier Aktionen und in der unteren Hälfte mit Entwickeln, Einsetzen, Anwerben und Bauen noch einmal vier Aktionen. Der Clou ist, dass die Aktionen Paare bilden. Aktiviere ich eine Aktion der oberen Hälfte, kann ich danach auch die Aktion darunter benutzen. Da aber fast jede Aktion Kosten hat, gerade im unteren Bereich sind das immer Ressourcen, muss man verdammt gut planen.
Weiter sind die Spielertableaus durch die Zusammenstellung der Aktionspaarungen und aufgrund verschiedener Kosten unterschiedlich! Es ist also wichtig, die starken Symbiosen des eigenen Tableaus zu erkennen, sich rohstofftechnisch passend auszubreiten, um dann möglichst beide Aktionen zu triggern. Noch kniffliger wird es dadurch, dass man nicht zweimal hintereinander die gleiche Aktion ausführen darf. Wer daran scheitert eine gut geölte Aktionskette aufzubauen, wird abgeschlagen zurückfallen.
Besondere Bedeutung haben die Aktionen Entwickeln und Bauen. Mit Entwickeln kann ich Spielsteine aus der oberen Hälfte in die untere Sektion setzen. Der Sinn erschließt sich, wenn man sich die Tableaus näher anschaut. Im oberen Bereich werden durch Spielsteine beim Spielaufbau Boni verdeckt, im unteren Bereich kann man Ressourcen abdecken. Durch das Entwickeln meinen Spieltablaus wird die erste Aktion effektiver und zweitens spare ich bei einer unteren Aktion Rohstoffe! Wie ich die Steine umsetze, steht mir frei. Das richtige Entwickeln ist also einer der Schlüsselelemente in Scythe! Das Bauen ist ähnlich. Hierbei wird ein Gebäude vom Tableau auf das Spielbrett gestellt und schaltet so einen zusätzlichen Bonus frei. Für mich persönlich ist die Entwicklung und das Hantieren mit dem eigenen Tableau das interessanteste Spielelement.
Popularität – ohne verliert der Beste
Höchst interessant ist auch die Popularität. Anfangs erwähnte ich die drei Faktoren die Siegpunkte bringen. Die Popularität entscheidet darüber wie viel Wert der jeweilige Faktor einbringt. Ein wilder Eroberer mit vielen Provinzen, aber wenig Popularität, wird weniger Siegpunkte einnehmen als ein beliebter Herrscher mit kleinem Land. Noch ausschlaggebender ist dies beim Faktor Ziele. Beende ich das Spiel mit 6 erfüllten Zielen und bin der Schlächter der Rosviet Union, erhalte ich 18 Punkte. Als Freund des Volkes würde mir 30 Punkte zustehen.
Popularität erhält man durch sein Spielertableau und durch Begegnungen. Das sind Aktionen die am Anfang des Spiels auf dem Spielbrett auf die Ländereien verteilt werden und triggern sobald man mit seinem Fraktionsführer das Feld erreicht. Pro Begegnung zieht man eine Karte auf der ein Problem und drei Wege zur Lösung beschrieben sind. Durch barmherzige Entscheidungen erhält man besagte Popularität. Der Nachteil, weitere Boni sind eher Schwach. Man kann an dieser Stelle auch auf Kosten der Bevölkerung fette Vorteile abgreifen. Dafür sinkt die Popularität, hat aber meist durch lustige Beschreibung der Tat den Lacher auf seiner Seite.
Größte Gefahr massig viel Popularität in Scythe zu verlieren ist der Kampf. Wer mit seinen riesigen Mechs beständig den Gegner angreift und dabei auf feindliche Bauern trifft, zuständig für die Rohstoffgewinnung in den Ländereien, der verliert pro so vernichteten Bauern eine Popularität. Es mag sich wenig anfühlen, aber in der Summe und mit dem Wissen darum, dass der Aufbau von Popularität alles andere als einfach ist, sorgt es dafür, das erstaunlich wenig gekämpft wird. Das mag vor allem bei der martialischen Aufmachung des Spiels überraschen, ich begrüße das aber absolut. Hier kann man maximal mit einer Fraktion, durch Sonderregeln bedingt, den erbarmungslosen Eroberer spielen. Alle anderen müssen sich jeden Kampf sehr gut überlegen – fantastisch!
Ohne Würfel
Der Kampf ist übrigens recht simpel gehalten! Jeder der Kampfteilnehmer spielt eine Kampfkarte und setzt bis zu 7 Punkte seiner gesammelten Stärke ein. Beides geschieht verdeckt. Wer mehr Punkte zusammen hat, gewinnt und vertreibt den Gegner in seine Basis. Wer eine Überzahl an Mechs plus Anführer sein eigen nennt, darf eine Kampfkarte mehr spielen. Der Einsatz der Stärkepunkte will wohlüberlegt sein, weil Sie auch nicht ganz so einfach zu bekommen sind und desweiteren bei einer gesammelten Menge von 18 einen Meilenstein für Ziele erfüllen.
Problem: Abwechslung?
Scythe hat ein Problem und das besteht aus seiner Gestaltung und Spielausrichtung bis zum Mittelteil der Spielzeit. In Scythe ist die Welt anders als z.B. in Civilization oder Eclipse immer gleich. Auch die Startfelder der Fraktionen sind immer an der selben Position. Da jede Fraktion eigene Bewegungsregeln und Ressourcenfelder hat, ist auch die Ausbreitung auf der Karte gesteuert – am Ende eines Spieldurchgangs zwar etwas weniger und Tunnel können das Korsett aufbrechen, aber grundsätzlich ist Scythe auch hier vordefiniert. Gleichzeitig gebärt das Spielprinzip der Ziele und dem daraus entstehenden Wettrennen, eine Strategie der absoluten Optimierung. Das wird zum Problem, weil manche Ziele in Scythe im Regelfall zu Anfang wesentlich mehr Sinn machen, andere eher am Ende. Auch hier suggerieren zehn Ziele mehr Abwechslung und Entscheidung als es am Ende sind. Scythe spielt sich also aus der Logik der Optimierung bei wenig echter Freiheit, unflexibler als es den Anschein hat.
Habe ich mit einer Fraktion also meinen Weg gefunden, vielleicht sogar gewonnen, dann ist der Wiederspielwert mit dieser geringer, weil neue Spieldurchgänge wenig neue strategische Impulse freisetzen können. Eine andere Fraktion bringt durch einen anderen Startplatz und gewisser Sonderregeln Abwechslung und auch das wechselnde Spielertableau kann Nuancen ändern. Wer aber als Vielspieler Scythe viel spielt, der verspielt schneller den Spaß als in anderen Schwergewichten.
Fazit
Scythe sieht einfach gigantisch geil aus! Man sieht es, man will es spielen. Der einzigartige Stil aus stampfenden titanenhaften Mechs und goldener Bauernidylle, macht im Zusammenhang mit der hervorragenden Qualität der Materialien, einen Teil der großen Sogkraft aus. Hinter dieser Fassade versteckt sich aber für mich kein richtiges 4X Spiel, auch wenn es so beworben wird. Scythe begeistert eher durch effektives Planungsspiel. Es gewinnt derjenige mit dem größtem Weitblick, weil er am schnellsten seine Aktionsketten abfeuert. Jetzt wissen was zu tun ist, damit in vier Zügen der Mech zwei Stahl weniger kostet, man eine Mühle gebaut und zwei Entwicklungen gesetzt hat, das ist die Schlagader des Spielspaß.
Wer mit Mechs rumballern möchte, Bündnisse schließen, Länder erkunden oder gar mit Mitspielern handeln möchte, ist hier fehl am Platz! Es geht, auch wenn Scythe dies durch seine oberflächliche 4X Ausstrahlung suggeriert, weniger in die Breite, sondern vor allem stetig nach vorn. Der Vorteil ist, dass man in kurzer Zeit strategisch tief abtauchen kann und nicht über vier Stunden seine Zivilisation aufbaut. Die Abwechslung bleibt beim Spielkonzept etwas auf der Strecke, weil es etwas heruntergebrochen den einen perfekten Weg gibt. Durch verschiedene Fraktionen und wechselnde Tableaus wird dies zum Teil ausgeglichen. Ich für meinen Teil beackere trotz der vorhandenen Schwachpunkte gerne die malerische Kulisse von Scythe, weil mir das Wettrennen mit all seiner Planung um den Spielsieg ebenso gefällt wie die wunderbare Atmosphäre.
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[…] letzten Sendung schon sehr ausführlich ausgelassen. Ich würde es im Leben nicht nominieren, und die Kritik bei Brett&Pad sieht da auch noch einige weitere Mängel. Das mag nicht drüber hinwegtäuschen das die Masse an […]
[…] letzten Sendung schon sehr ausführlich ausgelassen. Ich würde es im Leben nicht nominieren, und die Kritik bei Brett&Pad sieht da auch noch einige weitere Mängel. Das mag nicht drüber hinwegtäuschen das die Masse an […]
[…] 2018 datiert sind. Aber das wir in absehbarer Zeit absolute Hochkaräter wie Terraforming Mars oder Scythe auf Steam, Android und/oder iOS spielen können, ist dann schon ein fettes Grinsen wert. Und das […]
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[…] bisher ihre Heimat auf meinem Blog gefunden. Am häufigsten gelesen wurden meine Rezensionen über Scythe, Dark Souls: The Boardgame und Ein Fest für Odin. Auf der anderen Seite ist Alte Dunkle Dinge […]