Lesezeit: 5 Minuten Alles neu macht der Oktober, so könnte das Fazit zur SPIEL ’23 lauten. Nicht nur ein neues Hallenkonzept, eine überarbeitete App und ein neues Maskottchen, sondern auch bei mir war so einiges anders. Zuerst einmal war der alte Stamm aus den vier besten Dudes unterwegs, das gab es so zuletzt vor 5 Jahren. Und was sind schon Brettspiele ohne seine Herzbärchis? Weiter war ich fast meditativ unterwegs. Ich hatte zwar enormen Heißhunger auf diverse Neuheiten, wie schon in meiner Top-Liste erwähnt, bekam allerdings früh am Donnerstag alle meine kleinen Schäfchen ins Trockene. So war ich selig und wanderte auf den Sohlen des bewussten und erledigten Konsums durch die vollen Hallen. Und damit wären wir beim ersten Punkt.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Offizielle Zahlen habe ich zum Zeitpunkt zwar nicht, aber ich vermute, es waren verdammt viele Besucher:innen auf der SPIEL. Ich hörte von frühzeitig gefüllten Parkplätzen und surfte gerade in Halle 3 schon sehr früh durch Menschenmassen. Es mag zwar am Donnerstag in anderen Hallen leerer gewesen sein, ich favorisiere das Getümmel in Halle 3 aber trotzdem. Ich habe es nämlich genossen, so viele verdammt coole Brettspiele nach meinem Geschmack in einer Halle konzentriert zu besuchen. Früher spurtete ich öfters wie der bekannte Batterie-Hase von einer Halle zur nächsten, weil Presse-Termine, heiße und womöglich schnell ausverkaufte Ware und geplante Demo-Spiele sich über fast alle Hallen verteilten. Zwischen verschwitzter Achsel und Fast-Schlaganfall war der Messe-Besuch oft ein persönliches Auspower-Programm hart an der Grenze. Dieses Jahr war ich am ersten Tag fast nur in Halle 3, mit ein paar schnell erledigten Einkäufen in Halle 5 und 6 und einigen wunderbaren Presseterminen in Halle 2. Am Freitag lag der Fokus dann auf Halle 2 und 4, deren Mischung aus Kenner-, Experte- und Kickstarterprototypen mir irgendwie auch gefiel. Ich habe zum neuen Hallenkonzept auch nichts Negatives von den Verlagen gehört und hoffe, dass das Konzept so bleibt.

Der Herrscher der Messe

Müsste ich eine Sache erwähnen, die ich so noch nie erlebt habe, dann war das der Andrang auf Disney Lorcana. Wer es nicht erlebt hat, kann es nicht fühlen. Ich versuche es euch trotzdem greifbar zu machen. Die Schlange zum Verkaufsstand, wo man auch eine Promo-Karte ergattern konnte, hatte was vom Flughafen in Hamburg am ersten Ferientag. Oder kennt ihr diese verrückten Personen, die vorm Apple-Store sich die Füße blutig stehen, wenn ein neues überteuertes Smartphone zum Verkauf steht? Das ist Disney Lorcana auf der SPIEL ’23. Ich meine, welche Schlange hat auf der SPIEL jemals eigene Security gehabt, die das Anstehen organisierte? Derbst irre! Entsprechend war der Herrscher dieser Messe die Promo-Karte von Donald Duck.

Die Menschen

Persönlich der größte Gewinn dieser Messe waren die Menschen. Nicht nur meine Freunde an meiner Seite oder das charmanteste *hust* Blogger-Tag-Team aus Markus und mir, was macht die Arbeit zusammen für ein Spaß, sondern es waren vor allem die unfassbar engagierten, extrem freundlichen und liebenswerte Menschen, die man so getroffen hat. Ob Medienschaffende aus Podcast, YouTube und Blog oder Mitarbeiter:innen von Verlagen, es war eine Wucht mit euch!

Ob freundlich im entspannten Kämmerlein bei Board Game Circus, der grandiose Talk bei King Raccon Games – wie schnell geht bitte eine Stunde rum – der tolle Schnack bei Wonderbow Games, der Humor bei HeidelBär Games, das Familiäre bei Queen Games oder die Power-Events bei Ravensburger oder Asmodee, es war mega mit euch! Es ist jetzt etwas Selbstbeweihräucherung, aber wir sind ja unter uns, es ist einfach schön, wenn man auf der Messe  brav für ein Brettspiel ansteht und einem Unbekannte plötzlich mit strahlenden Gesicht erzählen, dass man so gerne Brett & Pad liest. Wenn Michael bei der Board Game Box mit Begeisterung von seinen Brettspielen spricht, die Jungs von Heldbergs Games ihre verrückten Perlen präsentieren oder die Cyberpunk-Enthusiasten von Baroque Games mit Herzblut ihr Spiel erklären, merkt man, was die Magie der Messe ausmacht. Die SPIEL ’23 war für mich eine Messe der Begegnung, der Freude und Menschlichkeit. Und natürlich eine Bro-Fist-der-Anerkennung an alle Erklärbär:innen. Harter Job, aber man merkt ihn euch nicht an!

Und die Brettspiele?

Es wurde natürlich unendlich viel begutachtet, teilweise gespielt und noch mehr erklärt und uns präsentiert. Dass was mich wirklich umgehauen hat, werden ihr im Laufe der nächsten Monate natürlich auch hier auf Brett & Pad erblicken. An dieser Stelle gönnen wir uns also zusammen nur einen Schnelldurchlauf, auch mit einem Tipp zu einem kommenden Kickstarter.

Zwei tolle Prototypen …

Richtig gut gefallen hat mir der kommende Kickstarter Kelp. Was für ein spannendes und asymmetrischen Duell zwischen Hai und Oktopus, bei dem dann auch noch das Material zauberhaft hübsch ist. Wenn ihr jemanden habt, der Lust auf Bag-Building mit Würfeln gegen Deckbuilding und Versteckspiel hat, dann merkt euch die Kampagne vor. Ich war so umgehauen, dass ich ganz vergessen habe, Fotos vom Material zu machen.

Mega war auch Axon Protocol, wo man aktuell noch kurzfristig Latepledges abschließen kann. Fettes Material, extrem fairer Preis und Cyberpunk pur! Obacht, kein Spiel für Leute, die Fairness auf der Stirn tätowiert haben und Interaktion scheuen. Klar, man will gewinnen, aber hier steht wie bei Nemesis die erlebte Story im Vordergrund. Und damit meine ich keine vorgelesen Geschichte, sondern das, was ihr mechanisch mit den Workern und ihren verschiedenen Hintergründen in der Stadt anstellt. Kelp wie Axon Protocol waren meine Highlights der Messe!

… und viele fertige Spiele

Wer abgefahrene Spiele mit unkorrekten Themen sucht, der sollte sich die Spiele von Heldberg Games anschauen. Ich habe mir beim Zersäbeln von Fingern den Arsch abgelacht! Zwischen Kacketauchen bis toxisches Waschbärensurfen ist alles dabei. Letztes Jahr schon vorgestellt, aber bald kommt dann von Board Game Circus endlich Lost Lights. Optik von Everdell trifft auf Area-Control für zwei Personen. Geil! Mythwind sah übrigens fantastisch aus. Shake That City behalte ich auch im Blick, wirkte wie ein toller Städte-Puzzler. Kutná Hora hat mich dann vom Material richtig überrascht. Das ist opulent und richtig stark! Spielerisch ein Interaktionsmonster, auf das ich richtig scharf bin. Bald wisst ihr mehr! Time Division rotierte bei mir schon mehrmals über den Tisch. Tolles Teil. Erfordert definitiv Einarbeitung, weil beide Personen am Tisch jede Karte kennen müssen, dann wird es aber ein derbe spannendes Duell. Unfassbar thematisch ist übrigens Sky Team, welches ich in der Preview vorgestellt hatte. Ein richtig frischer, verzwickter, kooperativer Euro für zwei Spielende.

Ebenso abgeholt hat mich Sail. Hier stecken meine Frau und ich im zweiten Szenario und beißen uns wunderbar die Zähne aus. Für mich schlägt es als kooperatives Stichspiel (für zwei Personen) auch Die Crew. Gar nicht auf dem Zettel hatte ich Trio. Ich sag nur so viel, ich bin schockverliebt. Andere Titel wie Cuzco, Barcelona (beide ein Traum) oder Schnitzeljagd waren ja vor der Messe schon bekannt. Kann ich auch nur empfehlen. Rezension folgt dazu, ähnlich wie zu Evenfall und Pirates of Maracaibo! Was ich mir noch vorgemerkt habe ist Horror On the Orient Express, weil es nach toller kooperativer Action roch.

Fazit zur SPIEL ’23

Ohne diese Messe und damit ohne das Feedback von Menschen, ohne den Austausch, ohne das Erleben von menschlicher Liebe zum Produkt Brettspiel seitens von Spielenden oder den Verlagen wäre das Hobby nur halb so schön. Diese Messe im ganz Besonderen, auch mit meinen Freunden an meiner Seite, hat mir einfach noch einmal gezeigt, warum es diesen Blog gibt, warum ich dieses Hobby so im Herzen trage und das diese Messe ein echter Katalysator ist. Das mag abgedroschen klingen, aber wir alle sind die SPIEL und weil wir es mit Herzen sind, ist es dort so schön! Und darum gibt es auch kein Loot-Foto. Die mag ich überhaupt nicht, weil es a) nicht auf eine Masse von Spielen ankommt und b) die SPIEL und das Hobby auf den Konsum reduzieren.