Kurzcheck: Darum geht es in Hamburg
In Hamburg versuchst du in acht Runden über das Bauen von Gebäuden, Stadtmauern, Parkanlagen, der Unterbringung von Tieren und diversen anderen Möglichkeiten mehr Siegpunkte als alle anderen zu generieren. Beachten musst du dabei verschiedene Gefahren, thematisch angelehnt an die Historie von Hamburg. Wer die Flut, Pest oder das große Feuer von 1842 nicht verhindert, der erlebt seine persönliche Ebbe im Spiel. Heißt, du verlierst beispielsweise dein ganzes Geld oder alle Worker. In Hamburg sagt man Tschüs! Hamburg trägt jederzeit die klassische Handschrift vom Autor Stefan Feld. Die gesamten spielerischen Elemente sind wunderbar verzahnt, im Kern simpel, in der Planung löst es aber immer ein kleines Gerangel im Oberstübchen aus.
Die Kolben des Spielspaßmotors kommen in Hamburg durch die Verknüpfung von Würfeln, Farben und Karten in Schwung. Vor jeder Runde werden sechs verschiedenfarbige Würfel geworfen. Diese beeinflussen mit ihren Augen und Farben diverse Spielbereiche wie Bedrohungen oder Karteneffekte. Gleichzeitig spielst du jede Runde zuvor gezogene Karten aus, um jeweils pro Karte eine von sechs Aktionen auszulösen. Das endet in einer motivierenden sechsfachen Zwickmühle. Das bringt uns direkt an den Tisch.
Die sechsfache Zwickmühle
Ich habe eine lila Karte auf der Hand. Die Abbildung zeigt die St. Petri, eines der höchsten Kirchentürme der Welt und ich will dieses Gebäude bauen. Ihr Bonus bietet mir dauerhaft eine zusätzliche Aktion. Ich kann einen orangefarbenen Worker abgeben und bekomme für jede Eins auf den Würfeln einen Siegpunkt. Klingt medium, kann aber mächtig sein. Vor allem, weil man in Hamburg in fünf Bereichen am Ende jeder Runde schaut, wer führt. Habe ich die alleinige Führung z. B. auf der Siegpunkteleiste, gibt es am Spielende Extrapunkte. Problem: Die Karte kostet sechs Mark und ich habe nur zwei. Bauaktion also nicht möglich. Geld erhalten ist eine andere Basisaktion, die wieder aus Würfelfarbe und Kartenfarbe verknüpft ist. Ich habe noch eine rosa und eine graue Karte auf der Hand. Der rosa Würfel zeigt zwei Augen, der graue vier Augen. Ich muss also die graue Karte abschmeißen, damit ich vier Mark erhalte. Verdammt! Das Gebäude wollte ich eigentlich auch bauen.
Zaster in der Tasche ist aber nicht alles. Ich brauche auch ein Grundstück. Das sind die Rückseiten der Handkarten. Um ein Grundstück auszulegen, muss man der Kartenfarbe entsprechend einen Worker abgeben. Wie bekomme ich Worker? Natürlich wieder durch die Abgabe einer Karte, wobei die Kartenfarbe die Workerfarbe bestimmt. Argh, Stefan Feld ist ein Kartenfolterer! Weiter spucken mir die fiesen Gebäudeaktionen der Mitspielenden sowie die Bedrohungen teilweise fies in die Planungssuppe. Kurzum, eine Runde Hamburg ist fünf starke Karten auf der Hand, von denen du vier bauen möchtest, aber oft nur maximal eine schaffst und dir andere noch kleine Schellen verteilen. Jede Runde, jede Partie. Herrlich!
Brügge vs. Hamburg
Wer schon länger Brettspiele in seine überfüllten Regale quetscht, kennt all diese motivierenden Planungsspiele aus Brügge. Was also hat man mit Hamburg gewonnen oder vielleicht sogar verloren? Ich halte das Modul der Börse in Hamburg für besser, weil es mit seinen Kursschwankungen thematisch besser vertäut ist. Es ist nämlich nicht einfach nur ein Rundenbonus für eine Aktion, sondern verändern einen Spielbereich zuerst dreimal mit einem positiven Effekt und danach verschlechtert es diesen genauso oft. Das Spielende wird jetzt auch nach genau acht Runden beendet. Das fokussiert die Planung.
Der neue schwarze Würfel vergibt in jeder Runde auf eine bestimmte Gebäudefarbe einen Siegpunktebonus. Das macht das Bauen der Gebäude noch etwas spannender. Der gleiche schwarze Würfel löst mit Pech auch noch persönliche Gefahren durch zufällig gezogene Plättchen aus. So hat nicht jeder die gleichen Unruhen zu bekämpfen. Wo in Brügge die Karten nicht wirklich sortiert waren, gibt es nun für jede Farbe einen eigenen Stapel. Ergo schenkt einem Hamburg hier weniger Zufall und sorgt für bessere Planung. Die leicht veränderte Bootsmechanik überspringe ich an dieser Stelle und schippere direkt zu den Karten.
Die Karten sind vom Aufbau komplett neu gestaltet. Statt schnöde Bilder von gesichtslosen Personen in Brügge erlebst du in Hamburg meist thematisch passende Architektur. Kein hässlicher und überdimensionierter Kartenrand mehr, sondern großflächige Gestaltung. Für mich eine Verbesserung. Allerdings verzichten die Karten in Hamburg auf Text. Der kursive Text auf den Karten von Brügge war jetzt auch nicht wirklich der Knaller, aber die aufwendige und komplexe Symbolsprache in Hamburg braucht in den ersten Partien definitiv das Glossar. Das kann durchaus nerven, weil die Symbolsprache eben erst erlernt werden muss und bei 280 unterschiedlichen Karten bist du häufig am Nachschlagen. Das verlängert anfänglich die eigentlich kompakte Spielzeit. Punktuell ist Brügge hier sicher eleganter.
Stadtführer
Dafür glänzt das Spiel mit seiner Aufmachung. Ja, ich weiß, es gibt da draußen Fans der grau-braunen Gestaltung Suppe von Brügge. Hamburg ist farbenfroher und ob einem die Gestaltung gefällt, ist Geschmacksache. Mir ist es auch einen Ticken zu grell. Der Punkt ist aber, das Hamburg kein weiterer Städtename auf irgendeinem Brettspielcover ist. Hamburg steckt hier in der Schachtel. Hier muss ich als Hamburger sagen, dass das, was ich zum Teil an Kritik mitbekomme, ich für unverhältnismäßig halte. Neben den passenden Bedrohungen wie das Feuer von 1842, die Pest 1712, der Hamburger Aufstand von 1923 oder die vielen Überschwemmungen, Hamburg und seine Geschichte wird einfach gut abgebildet. Ja, am Ende ist es ein Eurogame und da ist ein Thema oft übergestülpt, aber hier wurde immerhin toll recherchiert und implementiert. Man mag als nicht-Hamburger:in vielleicht das Rathaus, den Michel, die Elbe, Speicherstadt und Alster kennen, aber hier steckt mehr Stadtführer drin. Ahrensburger Schloss, Kramerstuben, Hamburger Börse, Hummel Hummel, Zitronenjette, Kaispeicher B, Reepschlägern und der Zoo Hagenbeck sind neben den historischen Persönlichkeiten als optionales Modul nur einige Beispiele des passenden Spielmaterials.
Fazit
Spielerisch ist Hamburg aus meiner Sicht das bessere Brügge, weil damalige Erweiterungen direkt implementiert sind und kleine Feinheiten das Spiel auch durchaus verbessert haben. Die verzwickte Verzahnung zwischen Würfeln, Karten und Farben sind nach wie vor eine motivierende Sache. Du willst so viel und kannst doch nur wenig umsetzen. Das stetige Déjà-vu beim Hadern mit der Kartenplanung ist einfach stark. Dabei ist Hamburg auch durchaus angenehm interaktiv, weil man sich um Mehrheiten in Spielbereichen genauso beharkt wie über einige echt fiese Kartenaktionen. Über all dem thronen dann die Bedrohungen, die einem wirklich die Züge vermasseln können. Wer hier hoch pokert, kann viel gewinnen, aber noch mehr verlieren. Viele Module erhöhen zudem den Wiederspielreiz. Kritisch gesehen werden muss die Symbolsprache. Zwar funktioniert diese nach einigen Partien, ihr Charakter ist trotzdem erschlagend und lädt zum steten Nachschlagen im Glossar ein. Abseits dessen ist Hamburg für mich aber eine tolle Hommage an meine Heimatstadt und ein wirklich gutes Kennerspiel.
Information: Es wurde die normale Version mit Deluxe-Upgrade rezensiert.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Schöner Artikel. Beim Lesen der Überschrift kommt mir sofort Lotto ins Ohr: „Ohhhhh Hamburch, meine Päärle, du wunderschöne Stadt.“ Einfach ein zeitloser Klassiker. Ich freue mich schon, wenn ich mal wieder bei Euch in Afrika bin. 🙂
Uiuiui. Woher kommst du denn? Afrika, ich lach mich schlapp.