Lesezeit: 6 Minuten
Bei Gesprächen, vor dem Release oder direkt auf der SPIEL’16, über Ein Fest für Odin von Uwe Rosenberg hing mir oft ein Satz im Ohr: „Ich habe schon einige Spiele von Uwe, diesmal setzte ich aus“. Eine gewissen Ähnlichkeit zwischen Arler Erde, Agricola oder Caverna ist sicher nicht zu leugnen, aber auch wenn Ein Fest für Odin kleinere Gemeinsamkeiten aufweist, setzt es sich doch durch ein Element extrem ab: das Puzzeln!

Schwere Wikinger

Doch bevor wir uns dem Puzzeln widmen, erstmal ein Blick in die Verpackung. Ein Fest für Odin ist ein wahrer Brocken an qualitativ hochwertigem Spielmaterial. Wer zwei Exemplare hat, kann sich seine Curling Hanteln sparen. Andere Spieler benutzen das Gewicht von 3 KG als Küchenhilfe für Obstsalat. Gestalterisch reiht es sich in die oben genannten Spiele ein. Die vielen Plättchen und Spielpläne aus stabiler Pappe sind genau so schön wie funktional. Oft weiß man als Rosenberg-Kenner sofort was welche Aktion oder Karte bedeutet. Ein Almanach über die Wikingerzeit liegt wie schon bei Arler Erde bei – absolut genial!

ein-fest-fuer-odin-waren

Das Spielziel

Das Ziel in Ein Fest für Odin ist simpel: Punkte sammeln. Wer am Ende der siebten bzw. sechsten Runde – je nach ausgewählter Spiellänge – am meisten davon ergattert, hat gewonnen. Punkte erhält man über diverse Möglichkeiten. Hauptsächlich durch das geschickte bepuzzeln des Spielertableaus, der eroberten Inseln und errichteten Gebäude. Darüberhinaus gibt es Punkte für ausgewanderte Wikinger, gebaute Schiffe, erlernte Berufe und erwirtschaftetes Münzgeld. Das absolut fiese ist, dass es verdammt viele Minuspunkte im Spiel gibt. Wer seine Feste nicht im vollem Umfang feiert und seine Spielerpläne nicht komplett abdeckt, hat gute Chancen auf massig Minuspunkte.

entdeckungsplaene

Und nun…?

Gerade am Anfang stellt sich bei den ersten Spieldurchgängen leichte Überforderung ein – auch für Vielspieler. Da saß ich, mein Tableau am Start voller Minuspunkte. Das schreckt ab! Häuserbau oder weiteres Land erobern? Erstmal weitere Minuspunkte. Dazu darf ich das Fest nach der Aktionphase nicht vergessen, dort brauche ich genügend Nahrungsmittel. Die mächtigen Aktionen kosten mich zu viele Wikinger, die Aktionen die mit wenigen Wikinger bezahlt werden, bringen mich oft kaum voran. Und wer weiß welche der Aktionen mir meine Mitspieler im Laufe der Runde blockieren? Typische Worker-Placement-Probleme – kennt man. Aber da wo andere Spiele an ihre Grenze kommen, überschreitet Ein Fest für Odin diese mit dem Puzzle-Element.

heimatplan

Waren Wikinger Puzzlekönige?

Fast jede Ware, an dieser Stelle blenden wir die Rohstoffe Holz, Erz und Stein einmal aus, die ich mir hart erarbeite, bestehen aus einem Plättchen. Dieses hat eine bestimmte Form und Farbe. Orange steht für Agrarprodukte, rot für Tierprodukte, grün für Handwerkswaren und blau ist Luxusware. Dazu gesellen sich noch Sondermarken, die Schätze und speziellen Schmuck darstellen und in ihrer Form zum Teil extrem von der rechteckigen Form ihrer bunten Artgenossen abweichen. Die Spielertableaus aus Spielplan, Entdeckungspläne und Gebäude wiederum haben frei Flächen aus sehr vielen kleinen Quadraten, auf denen die Warenplättchen abgelegt werden können. Also fix ein paar Waren und Schätze gesammelt und munter auf die Spielertableaus gelegt? Mitnichten! Wir sind hier bei Uwe Rosenberg, da wird im Hirn geschwitzt!

Jeder Spielplan hat Puzzle-Regeln. So darf ich auf meinem Heimat-Spielplan keine roten und orangefarbenen Plättchen ablegen. Der Puzzle-Platz ist halt im Freien, wie könnte man dort auch Agrar- und Tierprodukte lagern! Man darf aber auch keine grünen Plättchen nebeneinander legen. Nur Blau ist Trumpf und darf munter platziert werden. Münzen und Erze sind auch gern gesehene Gäste auf dem freien Platz. Logisch, dass die Entdeckungspläne, die Inseln darstellen, und somit auch Lagerplatz an der frischen Luft versprechen, in die gleichen Regeln fallen. Was ist nun mit Orange und Rot? Gehört in die Lagerhäuser! Dort aber auch nicht nebeneinander. Dafür darf dort grün dicht an dicht gepackt werden. Aber bitte kein Erz, junger Wikinger. Das bleibt schön draußen. Ich denke es wird klar, das Puzzeln ist verdammt knifflig!

berufe

Da kommt noch mehr!

Dachtest du das wäre jetzt alles?! Hörst du die Wikinger lachen? Ein Fest für Odin hat noch was im Petto. Zum einen sind auf den Puzzelplänen vorgedruckte Waren abgebildet. Wer diese umpuzzelt, der kriegt ab sofort in der Prämienphase, die abgebildete Ware. Wer hier geschickt vorgeht hat gerade im letzten drittel des Spiels ein großes passives Einkommen das einen schönen Vorteil geben kann. Der Nachteil, man puzzelt wesentlich langsamer und braucht in seiner Form vielfältigere Waren.

schmuckwaren

Zum anderen sind auf den meisten Plänen Münzen abgebildet. Diagonal nach rechts aufsteigend, beginnend unten links mit der niedrigsten Zahl. Diese Münzen müssen von unten nach oben überbaut werden! Und bevor man eine Münze mit einem Warenplättchen abdeckt, muss unterhalb und links davon alles bepuzzelt sein. Das hört sich hier jetzt genau so umständlich beschrieben an, wie es Kopfzerbrechen im Spiel bereitet, vor allem wenn man gleichzeitig auch noch die oben genannten Prämien haben möchte. Das niedrigste nicht abgedeckte Münzsymbol ist übrigens das Einkommen des Clans. Da Münzen Siegpunkte sind, für manche Aktion gebraucht werden und auch als Puzzelteil herhalten, ist ein hohes Einkommen wichtig.

Erobern, Handeln, Tauschen – das Wikingerleben

aktionsplanEine Spielrunde besteht aus 12 Phasen. Bei vielen dieser Phasen passieren nur Kleinigkeiten, wie das ziehen einer Karte, das platzieren weiterer Wikinger auf dem Thingplatz oder die Ausschüttung von Waren – am Ende ist das Spiel dadurch aber sehr gut strukturiert. Hauptspielzeit wird in Phase fünf vergrübelt, denn dort haben die Wikinger auf ihrem Thingplatz ihren Einsatz. Jeder Spieler hat einen eigenen Thingplatz auf seinem Heimatplan wo zu Anfang fünf Wikinger stehen. Ist man am Zug, darf man diesen Wikingern eine Aufgabe zuteilen, die auf dem Aktionsplan abgebildet sind. Möchte ich zum Beispiel einen Fisch fangen (rotes Plättchen), dann stelle ich dafür einen Wikinger auf die Fischjagd. Möchte ich hingegen auf Walfang gehen, hier besteht die Belohnung aus Walfleisch, Öl, Haut und Knochen (grüne und rote Plättchen), brauche ich schon drei Wikinger und mindestens ein Walfangboot. Wer seine Erfolgschancen erhöhen möchte, sollte auch noch die Waffenkarte Speer bereithalten.

Die Aktionen reichen von einem bis zu vier Wikinger und sind so vielfältig wie in wohl keinem anderen Spiel von Uwe Rosenberg. Boots- oder Hausbau, Jagen oder Plündern, auf dem Viehmarkt Schafe oder Kühe ergattern, Handwerk oder Handeln treiben, die Aktionen sind wunderbar an das Wikingerleben angelehnt und herrlich vielfältig. Ganze 61 verschiedene Aktionen sind möglich! Ein Fest nicht nur für Odin, sondern für jeden Worker-Placement Fetischist. Besondere Aufmerksamkeit sollte man auf den Handel legen, weil man hier Plättchen in die nächsthöhere Kategorie tauschen darf. So wird aus Erbsen (orange) Met (rot), daraus wird Öl (grün) zu Runensteinen (blau). Pro Runde bekommt jeder Spieler übrigens einen Wikinger dazu, heißt, zum Ende hin kann ich als Clanführer immer mehr Aktionen ausführen. Da jede Aktion pro Runde nur einmal ausführbar ist, dazu die Wikinger noch begrenzt sind und zusätzlich die Aktionen weitere Gegenstände wie Boote, Rohstoffe oder Waffen benötigen, ist die spielerische Anforderung hoch.

Ein seichtes Fest

ein-fest-fuer-odin-phasenplanIn Phase 9 wird endlich das Fest gefeiert. Dafür sind wir ja eigentlich hier und Wikinger geworden. Die Mechanik hinter dem Fest ist witzig. Man muss auf dem Spielplan seine Festtafel mit Agrar- und Tierprodukten eindecken, kann dazu auch ein paar Münzen auf den Tisch werfen. Das beruhigt anscheinend hungrige Mäuler. Schafft man es nicht ganz die Tafel zu decken, wird man pro frei gelassenen Feld mit drei Minuspunkten bestraft. Da aus dem Bereich der Festtafel jede Runde ein Wikinger runter auf den Thingplatz wandert, wird die Festtafel immer länger. Man muss also mit zunehmender Spieldauer immer größere Feste feiern! Entgegenwirken kann man durch das Auswandern. Hier wird ein Bootsplättchen umgedreht auf die Festtafel gelegt und somit wieder verkürzt. Atmosphärisch wirklich toll gemacht, aber leider spielerisch viel zu einfach, zumindest im 7-Rundenmodus. In meinen diversen Spielabenden ist es noch nie zu einer Strafe gekommen.

Grübelproblem?

Was ist Puzzeln? Im Kern sicher keine Teambuilding-Maßnahme, sondern ein Knobel-Spaß für Solisten. Dazu 61 Aktionsmöglichkeiten, für Grübler mit Hang zum perfekten Zug, ein Segen. Für die Mitspieler dann der Horror. Dazu gibt es ein paar Aktionen die einen Würfelwurf erfordern. Ich begrüße das, da hier der Ausgang auf Erfolg ungewiss ist, aber auch hier ist der Grübler am hadern. Der Cocktail aus schwierigem Solo-Puzzeln, vielen Aktionen und Würfeln macht das Spiel, für Einsteiger und Grübler, zu einer zeit intensiven Sache, die nicht jedem schmecken wird. Hier passt es wie sonst selten so gut, dass Ein Fest für Odin auch wunderbar Solo spielbar ist. Da darf der Grübler stundenlang grübeln.

Fazit

Ein Fest für Odin spielt sich so knifflig wie das Gewicht und der mächtige Spielkarton es vermuten lassen. Ganze 61 Aktionsmöglichkeiten und verzwickte Puzzelregeln führen Raubzüge gegen das eigene Hirn. Geschickt verbaut Uwe Rosenberg durchdachte Worker-Placement Mechaniken mit dem Wikinger Thema. Das Schöne, hier hört Ein Fest für Odin nicht auf, sondern mit dem Puzzeln beginnt der Spaß erst richtig. Wie ordne ich meine Warenplättchen an? Wie erhalte ich den größtmöglichen Bonus aus Münzen und Prämien? Und verdammt, diese ganzen anfänglichen Minuspunkte auf den Spieplänen, sie kitzeln so entspannt wie eine Wikingerklinge im Nacken. Ein Fest für Odin ist dabei in gewohnt hervorragenden Spielmaterial gefertigt, so dass erfahrene Spieler die Segel setzen müssen, um ihren Clan zum Ruhm zu führen.

Ein Fest für Odin

69,90 €
9.1

AUSSTATTUNG

9.5/10

SPIELIDEE

9.0/10

SPIELSPASS

8.9/10

Kurzfakten

  • Tolle Umsetzung des Wikingerthemas
  • Umfangreiches Worker-Placement
  • Innovatives Puzzelkonzept
  • Hochwertiges Material
  • Hohe Grübelgefahr

Spielinformationen

  • Genre: Strategiespiel
  • Spieler: 1 - 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 60 - 120 Minuten (Eher mehr)
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • […] Brettspiel ist. Die Spieler übernehmen die Rolle von Fischfang-Unternehmen. Als großer Fan von Ein Fest für Odin fragt man sich schon ob man dieses Jahr schon wieder zuschlagen sollte. Gut sind die Spiele ja […]

    Antworten
  • Gernot Köpke
    9. Juli 2018 18:55

    „Atmosphärisch wirklich toll gemacht, aber leider spielerisch viel zu einfach, zumindest im 7-Rundenmodus. In meinen diversen Spielabenden ist es noch nie zu einer Strafe gekommen.“
    Anmerkung eines Testspielers: Das war auch nie beabsichtigt. Die Regel soll lediglich das Spielerverhalten steuern. In 200 Testspielen kamen die Minusmarker nie zum Einsatz. Uwe will stets den Spielspaß befördernd und Frusterlebnisse minimalisieren 🙂
    Die erste Erweiterung (Die Norweger) zur Messe in Essen 2018 wird die Versorgung über das neue, teils veränderte Aktionsbrett aber etwas erschweren. Man wird sich nun auch bei 1-2 und 3 Spielern mehr im Weg stehen, da es ein dreigeteiltes Brett mit beidseitiger Bedruckung ist, die entsprechnd der Spielerzahl anders gedreht werden.

    Antworten
    • Christian
      9. Juli 2018 21:59

      Ah, interessant. Das kann man natürlich nicht wissen. Man kennt es ja von Uwe Rosenberg zum Teil auch anders, gerade mit der Nahrung. Vielen Dank für die Info zur Erweiterung! Hört sich sehr interessant an.

      Antworten
  • Wow – gestern kam in unserer Spielerunde ein Fest für Odin auf den Tisch. Ein Fest war das. Wirklich. Ihr wisst, ich bin ein eher Rosenberg ambivalenter Spieler. Licht und Schatten und seine: ich verwurste meine Mechaniken bis zum Sankt Nimmerleinstag stört mich massiv. So hatte ich auch bei Odin und der Erklärung mein „Ah, das ist wie bei New York Zoo„-Erlebnis. Dieser Moment war allerdings kritisch, denn bei der Erwähnung von New York Zoo hätte ich beinahe das Spielbrett zerstört. Ich muss dringend zum Psychiater und mit ihm darüber reden.
    Zurück zu Odin. Tatsächlich fand ich die Vielzahl an Waren, unterschiedlichen Farben, Plänen und Aktionen erstmal anstrengend und überfrachtet. Aber daraus entsteht dann ja ein tatsächliches Puzzlespiel. Man muss schon grübeln und überlegen. Daher fand ich auch die Downtime nicht so als riesiges Problem. Wir haben mit vier Spielern gespielt und ich war manchmal recht froh, wenn meine Mitspieler etwas länger brauchen. So kann man bei der Vielzahl an Möglichkeiten überlegen, tüffteln und den Anderen zusachauen. Wir hatten gemütliches Licht, eine tolle Stimmung und Tee. Ein herrlicher Abend und ein tolles Fest, äh, Spiel.

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  • Ich finde es auch total stark! Man kann es auf so viele Arten spielen und vor allem steckt da enorm viel Steigerungspotenzial drin. Was man in späteren Partien alles schafft vollzupuzzeln, unfassbar geil. Leider mag es Inga halt überhaupt nicht 🙁 Ist eines ihrer absoluten Hassspiele.

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