Lesezeit: 5 Minuten
CloudAgeDie Reise bei CloudAge, dem neuen Titel von Alexander Pfister und Arno Steinwender, begann mit einer Tomate. Anders hätte man meinen hochroten Kopf nicht beschreiben können. Es ist schon ein brutales Geduldsspiel, vor dem eigentlichen Spiel, transparente Hüllen mit transparenten Wolkenstickern zu bekleben, die durch eine ungünstige Konfektionierung zerknickt waren. Horror gratis aus dem Brettspielkarton! Die gute Nachricht, es sollte der einzige Horror bleiben. Mehr noch, für die Mechanik der Wolkenhüllen würde ich diese Tortur noch unzählige Male durchmachen. Bemannen wir also das Flugschiff und setzen den Kurs, tief ins Land der Spielbesprechungen.

Kurzcheck: Darum geht es in CloudAge

Wir befinden uns mitten in der Post-Apokalypse und die Welt besteht fast nur noch aus staubiger Wüste. Vereinzelte Städte kämpfen ums Überleben, drangsaliert von den CLOUD-Milizen. Deine Aufgabe: Dein Luftschiff verbessern, die Welt bepflanzen, Städte von Milizen befreien und Ressourcen sammeln. Das alles ist in eine äußerst kompakte und klare Aktions-Reihenfolge geschaltet, immer ablesbar auf deinem Tableau. Großartig: Viele Phasen finden parallel statt oder ermöglichen Aktionen auch in Zügen von anderen SpielerInnen. Downtime kennt CloudAge nicht! Die Möglichkeiten sind nie sonderlich komplex angelegt, erwartet hier zu keiner Zeit ein Mombasa oder Great Western Trail. CloudAge ist eher Familienspiel+ oder seichteres Kennerspiel und ist eine schöne Mischung aus Kartenmanagement, Deckbuilding und geschickter Bewegung auf dem Spielfeld. Der Clou ist aber, dass CloudAge wirklich zu jeder Zeit kleine Entscheidungen abverlangt. Du bist immer aktiv dabei, egal was gerade passiert und tüftelst an unterschiedliche Strategien. Damit ist es genau der Gegensatz zu meinen zuletzt kritisierten Spielgefühlen.

Dazu schenkt einem CloudAge einen Solo-, ein Szenario- und einen Kampagnen-Modus. Gerade letzteres hat es mir angetan! Stück für Stück erlebt man in den Partien eine Geschichte, verändert das Spielbrett, erhält neues Material und kann Spielziele aktiv beeinflussen. Es ist eine Art Legacy-Light, ohne Spielmaterial dauerhaft zu verändern oder gar zu zerstören. In sieben Kapiteln erhält man die volle Packung Luftfahrt-Action!

CloudAge
Man braucht schon Platz auf dem Tisch!

Wir sind dran!

Normalerweise ackere ich bei Rezensionen keine Spielphasen durch, weil es langweilt und man sich dann eher die Anleitung durchlesen sollte. Aber bei CloudAge mache ich dies jetzt, weil es zwei Dinge aufzeigt. Wie kurz die einzelnen Phasen sind, wie viele Entscheidungen sie offenbaren und wie oft du selbst aktiv bist. Verdammt, das waren sogar drei Dinge!

Zuerst liest man, wenn möglich, etwas auf einer Story-Karte vor. Alle lauschen den Texten. Danach geht es in die Produktionsphase. Hier entscheidet jeder gleichzeitig, wie viel Energie er ausgibt um Wasser (und Siegpunkte) zu erhalten. Wer seine Produktionsstufe nicht verbessert, hat weniger Wahlmöglichkeiten und geringere Erträge. Nächste Phase: Jeder zieht von seinem Deck zwei Navigationskarten, natürlich wieder gleichzeitig. Die bestimmen Bewegungsreichweite und den Ertrag von Energie oder Projektkarten. Also wieder eine kleine Entscheidung, die aber größere Auswirkungen haben kann. Ohne Energie wird der Kampf riskanter, ohne Projektkarten kein Luftschiffausbau. Jetzt führt jeder nacheinander seine Bewegung aus. Die einzige Phase, wo nicht jeder am Tisch eingebunden ist. Dort wo man seine Bewegung beendet (zwingend in einer Stadt), kämpft man gegen die Milizen und erhält Belohnungen. Bei der Bewegung gibt es trotzdem Interaktion. Du weißt, wo die anderen stehen und wie weit sie fliegen können. Fiese Blockaden sind möglich, aber nicht an der Tagesordnung.

Danach geht es in die Aktionsphase. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, also wieder Entscheidungen. Du kannst dein Luftschiff ausbauen, was durchaus knifflig ist, weil es diverse Möglichkeiten der Verbesserung gibt. Weiter kannst du Saat aussähen und die Welt begrünen oder Ressourcen sammeln und gleichzeitig damit dein Navigations-Deck um eine Karte reicher machen. Ihr wisst was kommt, egal was du auswählst, alle anderen am Tisch dürfen in abgeschwächter Form mitmachen. Du darfst zweimal dein Luftschiff ausbauen? Alle anderen einmal. Du sammelst Ressourcen? Tja, die anderen sammeln mit! Und dann ab in die nächste kurzweilige Runde ohne Downtime!

Die Verbesserungen sind vielfältig.

Kein Gimmick!

Kommen wir zu den Wolkenhüllen, die anfänglich wie ein Gimmick wirken, aber spielerisch wie thematisch mich einfach total abgeholt haben. In den Wolkenhüllen (insgesamt 3 Stapel) schlummern Navigationskarten, die völlig unterschiedlich gestaltet sind. Was sie eint, sie haben vier verschiedene grafische Bereiche, die für die vier Ressourcen stehen. Eine große Wasserfläche auf der Karte schenkt dir logischerweise viel Wasser. Genauso verhält es sich mit Energie, Stahl und Projektkarten. Zusätzlich sind noch zwei Aktionssymbole untergebracht. Das wäre eine zusätzliche Bau-Aktion und die Möglichkeit eine Karte aus seinem Deck zu vernichten. Diese Aktionssymbole sind immer zufällig irgendeiner Landschaft zugeordnet.

Durch die Wolken auf der Hülle sieht man nun aber einen großen Teil der Landschaft nicht. Ganz so, als würdest du mit deinem Luftschiff über den Wolken die Landschaft erkunden. In der Aktionsphase kannst du hinabtauchen und eine der drei Karten für dein Navigationsdeck erhalten und gleichzeitig eine Ressourcenart sammeln. Du schaust also, wie sich wohl die verschiedenen Bereiche unter der Hülle verteilen. Versuchst zu erahnen, wo vielleicht die Symbole der zusätzlichen Aktionen untergebracht sind und allgemein der fette Reibach gemacht werden kann.

Der Spaß wird dadurch erhöht, dass nach deiner Wahl und bevor die Karte aus der Hülle gezogen wird, auch alle anderen am Tisch eine Ressource auswählen dürfen. Allerdings nie die gleiche Ressource! Da ist die Spielerreihenfolge also durchaus interessant. Dieses Spekulieren macht einfach unheimlich viel Spaß und fördert das Gefühl, aus großer Höhe die Welt auszukundschaften. In dieser Aktion konzentriert sich die Stärke von CloudAge exemplarisch. Kleine Entscheidungen, die den weiteren Spielverlauf durchaus prägen, alle am Tisch mit einbeziehen und mit etwas Glück bestäubt sind.

Na, wo versteckt sich der größte Ertrag an Wasser?

Ja, aber…

CloudAge ist doch viel zu seicht! Zugegeben, nach den ersten Partien war ich mir noch nicht so sicher, ob das Luftschiff genügend Spielmechanik trägt. Und wer hier ein gehobenes Kennerspiel oder gar komplexes Strategiespiel erwartet, der wird enttäuscht werden. Meine Reise mit den Luftschiffen wurde allerdings mit jeder Partie interessanter. Klar, in der Kampagne kommen während der ersten drei Partien mehr Regeln hinzu, aber auch darüber hinaus stieg der Spielspaß. Mit der Zeit merkt man nämlich, wie unterschiedlich man vorgehen kann. Ob du mit der Saat die Welt grüner machst und dadurch Sonderaktionen erhältst oder ob du darauf gänzlich verzichtest, ist deine Entscheidung. Beides kann funktionieren. Kanonen ausbauen oder lieber die Geschwindigkeit? Du kennst die Antwort. Auch die ganzen Projektkarten ermöglichen unterschiedliche Ausrichtungen. Die verschiedenen Wege auszuprobieren ist eine wunderbare Triebfeder für weitere Partien.

Anfänglich unterschätzt man die stärke der Produktionsleiste.

Fazit

Insgesamt finde ich das, was CloudAge auf den Tisch bringt, durchaus beachtlich! In seinen knackigen 60 bis 100 Minuten hebt das Luftschiff zu wolkigen Spielspaßhöhen ab. Es ist zwar weniger komplex in seiner Breite, aber ermöglicht trotzdem gewichtige Entscheidungen in allen Phasen des Spiels. Es bietet Freiheit zur strategischen Entfaltung, ohne weniger erfahrene Spieler zu überfordern. Das vermeintliche Gimmick der Wolkenhüllen entpuppt sich als pfiffige Idee, die spielerisch spannende Reize ausübt, thematisch passt und alle am Tisch mit einbezieht. Dieses stetige aktive Einbeziehen ist die wohl größte Stärke, denn in CloudAge bin ich so oft am Spielen, wie sonst wohl nur in kooperativen Brettspielen. Leider startete CloudAge bei mir etwas zeitverzögert, ansonsten wäre es sicher in die Sphären der Top 5 aus 2020 aufgestiegen. Ihr entschuldigt mich, ich muss noch Saatgut verstreuen, Solarpaneele montieren und auf der Suche nach Wasser durch die Wolken brechen…

CloudAge
Spielinformationen
Genre: Kennerspiel | Spieler: 1 - 4 | Alter: ab 10 Jahren | Dauer: 60 - 100 Minuten | Autor/in: A. Pfister, A. Steinwender
SPIELSPASS
8.5
AUSSTATTUNG
8
SPIELIDEE
8.5
Positive Aspekte
Angenehme Spielzeit
Tolle Kampagne
Viele kleine Entscheidungen
Wolkenhüllen innovativ
Motivierendes Enginebuildung
Negative Aspekte
weniger komplex in seiner Breite
8.5
Redakteur | Admin | Gründer von Brett & Pad | Website | + Letzte Artikel

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