Kurzcheck: Darum geht es in Heroes of Land, Air & Sea
Heroes of Land, Air & Sea ist Warcraft. Fast ist es eine dreiste Kopie. Es warten unzählige Völker, zumindest mit den Erweiterungen, Comicgrafik, Ressourcenabbau, Basenausbau und die Aushebung von Armeen mit dem Fokus auf den Helden und Heldinnen der verschiedenen Völker. Diese geben in Verschränkung mit dem Ausbau der Hauptstadt mit ihren unterschiedlichen Gebäuden dem Spiel seinen hochasymmetrischen Touch. Wenn Orks im Blutrausch Menschen bekämpfen, elfische Magier und Bogenschützinnen in den Wäldern zum Kampf blasen und Untote die Seelen von Gefallenen sammeln, dann bekomme ich das Warcraft Universum nicht aus dem Kopf.
Dabei ist Heroes of Land, Air & Sea durch und durch ein 4X-Spiel. Wobei der Fokus, auch wenn es zunächst anders wirkt, auf der kämpferischen Seite zu suchen ist. Ja, Ausbau und Erkundung sind ein Thema, mit dem definitiv Siegpunkte erspielt werden und ohne gute Ressourcen-Engine bricht alles zusammen, trotzdem sind stetige Scharmützeln ein Punktegarant. Heißt auch, Heroes of Land, Air & Sea ist ein aggressives Spiel. Irgendwo einigeln und den Konflikt scheuen ist der Weg ins Scheitern. Die enorme, fast als krank zu bezeichnende Opulenz und der umfangreiche 4X-Charakter könnten dazu führen, dass das Spiel in eine sehr expertige Ecke gestellt wird. Das Wunderbare: Heroes of Land, Air & Sea ist nach einer zugegeben umfangreichen und zeitraubenden Ersterklärung enorm fluffig und ohne Downtime zu spielen. Anteil daran hat die Workerplacement-Mechanik.
Ist das hier eine Eurogame?
Worker-Placement? Ist das hier jetzt ein Eurogame? Ja, zumindest der Kern der Aktionsmechanik. Bist du dran, aktivierst du mit einer deiner zwei Aktionsscheiben eine Aktion. Bei einem Teil der Aktionen können nun alle anderen am Tisch, die noch eine Diener-Figur in der Hauptstadt besitzen, diese Aktion ebenfalls auslösen, ganz ohne die Benutzung einer ihrer Aktionsscheiben. Für einen anderen Teil deiner Aktionen kannst du selber eine Diener-Figur einsetzen, um direkt eine zweite Aktion auszuführen. Muss ich nicht groß erklären, wie hier abgeschätzt wird, welche Nase am Tisch wohl was macht. Ich mutiere hier zum Nasen-Checker!
Erklären muss ich aber, dass Diener-Figuren nichts anderes als Miniaturen sind, die ich eigentlich aus der Hauptstadt in Gebiete bewegen will, weil sie dort Ressourcen sammeln. Ich brauche sie aber auch für den Bau von Gebäuden. Und eigentlich können sie sogar kämpfen. Da sie auch erst über die Ausgabe von Ressourcen und Aktionen erschaffen werden, sind sie anfänglich ein rares Gut. Die Engine hängt ein Stück weit genau an diesem Balance-Akt. Wofür benutzte ich wann meine Diener?
Der Reiz der Langsamkeit
Der Witz: Eine Runde besteht nur aus zwei eigene Aktionen. Hoffe also, dass andere das machen, was du auch machen willst und habe noch einen Diener übrig. Zudem wiegt jeder Aktion in Heroes of Land, Air & Sea schwer. Aktion Rekrutieren? Eine (!) Figur ins Spiel bringen. Selbst wenn du alle Ressourcen der Welt hättest. Aktion Bauen? Ein (!) Gebäude bauen. Aktionen Marschieren? Aus einem Gebiet die Figuren in ein anderes bewegen, ohne Aufsplittung oder Aufsammeln und das in der Maximalgeschwindigkeit der langsamsten Figur der Gruppe. Das kann durchaus eine 1 sein. Ergo auch hier kein schnelles Spiel! Wer in seiner Planung Fehler macht, dem schlägt das Spiel den Popo wund. Das macht die Entwicklung innerhalb des Spielgeschehens langsam, aber auch gleichzeitig hoch spannend und strategisch wertvoll. Außerhalb des Spiels hingegen sorgt es dafür, dass die einzelnen Züge selten lange andauern und kaum Downtime besitzen, weil eh nicht viel gemacht werden kann und zusätzlich oft durch Aktionskopierung auch andere Fraktionen außerhalb ihres eigentlichen Zugs aktiv werden.
Schau mir in die Augen!
Bevor wir ins Drama einsteigen, mit dem Kampf ein letzter mechanischer Ausflug. Die Eckpfeiler kennt man eigentlich aus diversen anderen Brettspielen. Truppen und Held:innen besitzen eine offene Kampfstärke und diverse Gebäude und Fähigkeiten werfen auch noch Boni in den Ring. Zudem haben alle den gleichen Satz an Kampfkarten. Verdeckt werden nun eine Kampfkarte und vielleicht noch ein Zauber ausgespielt, danach aufgedeckt und die endgültigen Werte verglichen.
Kein Glück, keine Würfel, trotzdem enorme Spannung! Warum? Wegen der Kampfkarten. Alle sind unterschiedlich, stechen sich gegenseitig teilweise aus und können je nach Situation nicht immer gespielt werden. Auch kosten alle Kampfkarten ordentlich Ressourcen. Aus Situation und Ressourcenvorrat kann man den Kreis möglicher Karten des Gegenübers eingrenzen. Nur wird die vermutete Karten auch gespielt ? Muss ich mir die Konterkarte leisten? Gerade das die Kampfkarten mit den Ressourcen zusammenhängen, die ich natürlich für ganz andere und wichtige Dinge brauche, ist ein genialer Kniff. Zu genial gesellt sich dann noch spektakulär, weil die asymmetrischen Fähigkeiten der Fraktionen absolut reinhauen. In einer Sekunde wird aus einem sicheren Sieg der gefühlt absoluten Übermacht eine schmerzliche Niederlage. Der Untertitel von Heroes of Land, Air & Sea wäre wohl „Heul doch!“ oder „Maximale Schadenfreude“.
Story und Drama, Baby!
Alex, hat mir nun dieses Spiel schmackhaft gemacht mich nun in die Verschuldung getrieben. Er besuchte mich mit seinem Kollegen Timo, um mir seine Neoprenmatte zu zeigen. Die er hat, ich aber nicht. Wollte er mir meinen Geiz vorhalten? Ach ne, er wollte ja sein Lieblingsspiel spielen. Mein bester Untoten-Björn war auch am Start. Der schaltete mit seinen Untoten direkt in den Rage-Mode. Klopfte völlig unerwartet an die Haustür von Ork-Alex. Nach 40 Minuten! Das Programm: Hauptstadteroberung. Bedeutet, das Spielende wäre eingeleitet und Alex definitiv raus aus der Siegpunkteabrechnung. Haarscharf entkam Alex einer Niederlage.
Björn wurde nun in die Alex-Timo-Zange genommen und biss danach mehrmals lustvoll in die Tischkante. Ich sag ja, Untertitel „Heul doch!“. Es entbrannte eine epische Partie, bei der Alex, gerade durch die kleinen Scharmützel mit Björn haushoch durch Siegpunkte führte. Ein echter Pro? Nicht mit mir. In der letzten Runde des Spiels, das Spielende wurde eingeläutet, weil alle Figuren einer Fraktionen im Spiel waren, überraschte ich den Ork-Alex mit einer fiesen Kombination aus Fraktionshelden, Söldnerhelden, Bewegungszauber und Doppelaktion durch einen Diener. Ich machte in diesem letzten finalen Schlag seine ausgebaute Hauptstadt dem Erdboden gleich. Siegpunkte? Aus ganz viel Nada gemacht. Letzter Platz, Alex. So geht ein Blogger mit seinen Gästen um.
Es ist aber nur eine Geschichte aus einigen Partien. Löwenmönche, die sich wild durch Wüsten teleportieren, Orks, die auf Krokodilen reitend Überraschungsangriffe ausführten, Zauber, die per Erdbeben für Chaos sorgten, fliegende Söldner-Dämonen-Helden, die beste Assassinenangriffe vorbereiteten – es steckt so viel Überraschung in diesen Schachteln! All das natürlich garniert mit Table-Talk, Bluffs und einem Bad in opulentem Material.
Was brauchst du?
Alex sagte, dass ich alles brauche. Ich sage, Alex hat fast Recht. Wer weniger oft spielt, der braucht die neutrale NPC-Fraktion genauso wenig wie die Kriegsmaschinen. Auch wenn es verrückt ist, das Grundspiel, Order & Chaos und Pestilence empfehle ich allerdings, weil du einfach viele Fraktionen besitzen willst. Die drei Mini-Erweiterungen Heroes of Land, Air & Sea: Mercenaries sind auch nicht schlecht, weil sie noch einmal ganz andere Strategien zulassen.
Fazit
Heroes of Land, Air & Sea ist ziemlich teuer, enorm platzraubend und im Kern einfach nur ein weiteres 4X-Spiel. Aber was interessieren mich Kerne? Ich will saftiges Fruchtfleisch naschen! Und wäre Heroes of Land, Air & Sea eine Frucht, so wäre sie eine auf Pomelogröße mutierte Kirsche mit der Saftigkeit einer griechisches Wassermelone. Ich sitze als Warcraft-Fan am Tisch und bestaune das Spielfeld mit den 3D-Pappaufstellern, den Schiffen und Fluggeräten in denen Figuren stehen, wie ein Kind die Szenerien im Miniatur Wunderland. Selbst wenn einmal nichts passiert, was selten vorkommt, bleibt immer dieses Kopfkino. Spielerisch überzeugt Heroes of Land, Air & Sea mit einem großen Anteil an glücksbefreiten Eurogame, einem nicht zu verachtenden Engine-Building und dem gelungenen Taktieren bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Kaum Downtime, unfassbar spannende Kämpfe und eine hohe Asymmetrie, was will man mehr? Die zeitraubende Ersterklärung, eine nicht zu unterschätzende Einarbeitung in die Fraktionen und eine ziemlich üppige Spielzeit muss man allerdings ebenso schlucken wie den Frust, der hier durchaus entstehen kann, wenn man hart auseinandergenommen wird. Fragt Alex! Ich nehme diese Hürden aber gerne, weil mich das epische und thematische Warcraft-Flair mit seinem 4X-Gewand einfach verzaubert!
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11 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Da wollte ich gerade ins Bett gehen und surfe noch einmal hier her und was sehe ich da? Die langersehnte Rezension von HOLAS. Und jetzt habe ich ein fettes Grinsen, weil ich den Abend Revue passieren lasse. Das war ein richtig epischer Abend, der auf immer und ewig in meinem Kopf bleibt. Und genau dafür liebe ich das Spiel……auch wenn der olle Gastgeber mich zum Schluss fies ausradiert hat. 😉
Und ja: Man braucht alles…..außer vielleicht die Kriegsmaschinen, obwohl die auf der Spielmatte schon schön aussehen. 😉 Schön, dass Du es jetzt genauso siehst. 😀
Hallo Gordon,
die Rezension hätte früher kommen sollen, aber die liebe Zeit. Dieses Jahr ist abseits des Blogs irre viel los.
Unsere Partie war grandios, aber auch allen anderen haben gezündet. Ich mag das Spiel echt gerne. Vielen Dank für deine Überzeugungsarbeit.
Liebe Grüße
Christian
Danke für die Rezension, jetzt zittert mein Geldbeutel schon wieder 😉
Ich habe das Spiel schon eine Weile im Auge und hetzt hast du mich fast über die Kaufkante geschuppst.
Zudem durfte ich zur Freude(Leid meines Kontos) feststellen, dass sogar nich auf Gamefound der Pledgemanager für den Reprint offen ist. 😀
@Christian: Wie ist deine Einschätzung des Spiels im Vergleich zu Eclipse? Dies hast du ja in der Vergangenheit auch mit einen sehr positiven Review bedacht.
Können beide nebeneinander existieren? z.B. weil sie 4x jeweils eigenständig darstellen. Oder sind sie gleich genug, dass man eher nach Setting entscheiden kann, was zu Hause einzieht?
Hallo Mike,
deiner zittert immerhin noch. 😉
Also aus meiner Sicht bedienen zwar beide den Bereich 4X und in manchen Spielrunden braucht man davon vielleicht nur eines, aber ich sehe die Einsatzfelder schon anders.
Eclipse (wenn die Erweiterungen der 2ten Edition da sind, gibts ne Rezi) ist noch eine Spur komplexer, glückslastiger und bietet viel mehr abseits von Kämpfen. Du kannst in Eclipse durch Diplomatie, Forschung und Erkundung das Spiel gewinnen.
In HoLAaS musst du kämpfen und die verschiedenen Spielbereiche sind mit dem Kampf auch stärker verzahnt. Dazu ist es eben ein Comic-Fantasy-Setting, nur auf Englisch, etwas leichter zu spielen, aber eben durch das Wegfallen von Glück tlw. verkopfter.
Klärt das deine Fragen?
Liebe Grüße
Christian
Danke für die Antwort, jetzt muss ich nur noch überlegen was ich alles mitnehme 😀
Gut zu wissen, das man je nach Lust und Laune „purer“ Kampf vs. auch andere Optionen dann das passende ziehen kann. Oder wenn man einfach mal wieder Bock auf WC3 ohne PC hat.
Wenn Du das erstmal ganz schlank austesten möchtest, dann reicht das Grundspiel + Order & Chaos. Damit hast Du 8 Fraktionen und kannst schon eine Menge Spaß haben. 🙂
Ansonsten: Kauf Dir direkt das gesamte Bundle. Da gibt es bei Kleinanzeigen immer wieder Angebote. So wie jetzt: Alles zusammen für 200 Euro. Sogar mit Spielmatte. Dann kannst Du Christian damit ebenfalls neidisch machen. 😉
Hi Gordon, vielen Dank auch für deine Einordung und den Hinweis auf Kleinanzeigen 🙂 Das Angebot ist sogar in der Nähe von mir .
Ey, jetzt ohne Witz … Gordon, du bist ein unfassbarer Verkäufer! 😀
Man tut was man kann. 😉
Und das alles trotz „Hausverbot“ hier. Krrrr…… 😀
Wenn noch ein paar solcher Spiele auf den Markt geworfen (und hier derart begeistert besprochen) werden, sollten sich wohl so langsam spielbegeisterte Städter in kleinen, beengten, aber trotzdem völlig überteuerten Wohnsituationen überlegen, ob sie sich nicht zusammentun und ländliche Kommunen in alten Bauerngehöften gründen sollen, um das ganze Zeug unterzubringen und für die zusammengeschobenen Tische ausreichend grosse Räumlichkeiten vorhalten zu können (ohne dafür zB die Kinder rausschmeissen zu müssen) 😉
Hahahah. Großartig! Ich wäre bei so einer Brettspielkommune sofort dabei!