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Kennt ihr diese Duftbäume fürs Auto? Riecht oft nach Apfel oder Meeresbrise. Zumindest denkt das irgendeine Chemikernase. Will keiner haben. Lifehack: Pack dein Twilight Imperium ins Auto, dann kitzelt dich immer ein epischer Duft beim Autofahren. Was ist das bitte für Material in dieser Schachtel! Und was erzeugt das für ein Spielgefühl. Episch! Schon wieder dieses Wort. Aber es ist auch berechtigt, denn selbst der Anlauf zur Erstpartie ist rekordverdächtig. Die Anekdote ist allerdings schon erzählt.

Bei all den Superlativen sollte man eine Sache nicht vergessen. Twilight Imperium ist nicht unbedingt das wonach es aussieht. Denn der Krieg der Sterne wird mitunter woanders heftiger ausgetragen. Am Ende ist die oft gestellte Frage nach der Entscheidung zwischen Twilight Imperium, Eclipse oder Star Trek: Ascendancy eine völlig überflüssige. Ich will für Aufklärung sorgen.

Kurzcheck: Darum geht es in Twilight Imperium 4. Edition

Twilight Imperium 4. Edition ist ein 4X-Spiel, bei dem asymmetrisch angelegte Fraktionen mit großen Flottenverbänden um die Herrschaft über Planetensysteme ringen. Man besiedelt für die Rohstoffgewinnung und politischen Einfluss Planeten, hebt Flotten aus, handelt mit den Mitspielern, erforscht Technologien und frönt dem Fratzengeballer, vor allem um das Zentrum der Galaxie. Bei 10 Siegpunkten hat man den galaktischen Sieg errungen und das Spiel endet sofort. Damit ist Twilight Imperium ein Wettrennen, das sich aufgrund seiner Spielzeit von vier bis sechs Stunden aber eher Marathon nennt.

Die unterschiedliche Gewichtung der oben aufgeführten Spielelemente, gerade im Vergleich zur Konkurrenz, ist nun der interessante Aspekt von Twilight Imperium. Bestimmend dafür ist sicher auch das Metaspiel der Gruppe, trotzdem ist der Fokus des Spiels klar: keine Erkundung, wenig Krieg, mehr Politik und taktischer Opportunismus.

Bei drei Spielern reichen vier Stunden Spielzeit.

Kein Pfadfinder

Größter Wermutstropfen ist für mich der Umstand, dass die Erkundung in Twilight Imperium keine Rolle spielt. Somit wären wir eigentlich nur noch bei einem 3X-Spiel. Das schicke Spielfeld mit seinen Hexfeldern aus Planeten, Wurmlöchern und kosmischen Gefahren ist von Anfang an offen ausgelegt. Erkundungsflüge? Ausradiert! Das hat den Vorteil, dass Glück bei der Ausbreitung keine Rolle spielt und somit die strategische Ausrichtung gestärkt wird. Es tötet aber auf der Stelle den Pfadfinder in dir. Auf dem Weg zum Sieg spielt Erkundung also keine Rolle. Ein weiterer Weg der an der interstellaren Autobahn weniger hell leuchtet, ist das Ressourcenmanagement. Es gibt de facto nur zwei Ressourcenarten für Produktion und Forschung. Der Weg des Händlers ist hier nicht das Zugschiff!

Links zwei Technologiekarten, rechts zwei Ressourcenkarten von Planeten

Der Weg zum Sieg

Viele Wege führen trotzdem zum Sieg, aber keiner wird gewonnen durch unnötiges Kämpfen! Im Fadenkreuz sind die sehr verschiedenen Missionsziele. Die Ziele können von allen Spielern erfüllt werden und liegen bis zum Ende des Spiels aus. Ich weiß also was ich erreichen muss und was andere Spieler noch vorhaben. Pro Runde darf man nur eine begrenzte Anzahl an Zielen erfüllen. Da nützt es am Ende nichts, wenn ich auf einen Schlag mehrere Missionen schaffen könnte. Wer einmal empfindlich zurückliegt, hat es entsprechend schwer.

Diese Mechanik definiert das Spiel, denn dir bringt die größte Flotte oder die beste Technologie nichts, wenn du Mission X oder Y nicht erreichen kannst. Der Fokus sollte neben einer stabilen Ausbreitung also immer auf das Erfüllen dieser zahlreichen und abwechslungsreichen Ziele liegen. Taktische Umstellungen gehören dazu und hält eine Partie in Bewegung. Vor allem sorgt es aber früh im Spiel für Gesprächsstoff. Lässt du mich kurz vorbei? Schau mal, ich überlasse dir dafür System X. Diese rege Kommunikation wird weiter durch direkte Nachbarschaft angeheizt und erreicht seinen Höhepunkt, wenn ein Spieler das Zentrum der Galaxie erobert.

Jede Runde wird eine weitere Mission aufgedeckt

Möge die Diplomatie gewinnen

Dann beginnt die Politik! Pro Runde stimmen die Spieler über zwei Ereigniskarten ab. Dies können einmalige Aktionen sein oder Gesetze die im Spiel bleiben. Je nach eroberten Planeten habe ich unterschiedlich viele Stimmen zu vergeben. Spätestens jetzt zeigt Twilight Imperium seinen Tabletalk-Charakter, bei dem sich die Silberzunge und das Schaffen von Arrangements mit dem Nachbarn fast auf Augenhöhe mit der brutalen Flotte aus Schlachtschiffen befindet. Ohne Bedrohungspotential in Form von Kriegsgerät verblasst natürlich das beste Silber auf der Zunge. Willkommen im Kalten Krieg!

Ein Fraktionstableau mit allen möglichen Schiffen und ihrer Würfelprobe.

Mit einer guten Verhandlungsposition besteche ich vielleicht meinen Nachbarn, um die Abstimmung zu seinem Vorteil ausgehen zu lassen? Im Tausch für den Rückzug seiner Armee? Oder für einen Warenaustausch in der nächsten Runde? Vielleicht ein Bündnis gegen den Spieler gegenüber, der eh schon so viele Siegpunkte hat? Das Geschacher ist eröffnet. Wer nicht gerne feilscht und verhandelt, der bringt sich in Twilight Imperium definitiv um einen Teil des Spielspaßes. Mehr noch, viele Fraktionsfähigkeiten sind so interaktiv, dass sie auch zur Verhandlung taugen. Du stimmst gegen das Gesetz, das mir taugt? Siehst du meine Fähigkeit? Gut, dann stell dich darauf ein, dass du im nächsten Konflikt eine Kampfkarte verlieren wirst. Ich war in der ersten Partie über die hohe kommunikative Interaktion überrascht und kann nun verstehen, warum bei BoardGameGeek manch Spielrunde so gut wie keine Kämpfe in Twilight Imperium erlebt.

Spielerische Leckerbissen

Natürlich zieht Twilight Imperium nicht nur aus der Politik seinen Reiz. Grundlegend ist es schnell verstanden, aber das volle Potential der Aktionen aufs Spielbrett zu bringen, ist schon eine andere Nummer. Die Wahl der Strategiekarten erinnert an Puerto Rico. Reihum wählen die Spieler zweimal eine Karte und bestimmen damit, was diese Runde gemacht wird. Die obere Aktion ist die stärkere und nur für den aktiven Spieler. Die untere Aktion ist für die Mitspieler, meistens aber nur wenn sie einen Strategiemarker ausgeben. Die Marker erhält man am Anfang jeder Runde und platziert sie in drei Bereiche: Aktion, Flotte oder Strategie.

Mit Aktionsmarkern führe ich auf dem Spielfeld Aktionen aus. Marker, die im Bereich Flotte liegen, bestimmen die Anzahl an Schiffen, die gleichzeitig in einem System stationiert sein dürfen. Im Strategiebereich kann ich Tokens für die eben beschriebe untere Aktion einer Strategiekarte ausgeben. Pro Runde erhält man anfänglich ganze zwei Token. Ich muss nicht erklären wie knifflig das Platzieren der Marker und wie schwer die Wahl der Strategiekarten ist. Es gilt abzuwägen, was in der jeweiligen Runde am meisten Vorteile einbringt und was meine Mitspieler wählen werden.

Die Qual der Wahl

Anspruchsvolles Aktivieren

Aktionsmarker die ich für Bewegungen oder der Produktion einsetze, bauen auf eine knifflige Spielregel auf: Systeme in denen ein Marker liegt, sind blockiert. Marker in ein System gelegt um gewaltige Kampfschiffe gebaut? Kannste machen, bleiben da nur stehen! Deine Flotte ein System weiterbewegen, gerne, dann liegt dort der Marker und auch diese Flotte ist für die Runde aus dem Spiel. Denn Marker werden in das Ankunftsystem gelegt, nicht dort wo die Schiffe starten. Auch dürftest du dort nicht mehr produzieren. Dieses Aktionssystem verlangt definitiv Planungstalent, ansonsten verbaut man sich seine eigenen Züge.

Du hast eigentlich immer zu wenige Marker

Fazit

Ist Twilight Imperium 4. Edition der heilige Gral der 4X-Science-Fiction Brettspiele? Nein, denn dafür fehlt die Erkundung und ein interessanterer Handel mit Ressourcen, das können andere Spiele besser. Gehört Twilight Imperium 4. Edition trotzdem in deine Brettspielsammlung? Definitiv! Zumindest wenn du Fan von epischen Brettspielen mit extremer Interaktion, fettesten Material, viel Abwechslung und strategischen Planungen bist. Die asymmetrische Fraktionen sind ein absoluter Langzeitmotivator, der Fokus auf Siegpunkte in Form eines Wettrennens sorgt dafür, das stumpfe Kriegsführung genauso wenig zum Sieg führt, wie eine ungeölte Zunge! Denn Twilight Imperium ist vielmehr ein Diplomatiespiel, bei dem der ständige Kalte Krieg zu zwingenden aber brüchigen Allianzen führt. Hier wird die direkte Konkurrenz absolut überflügelt. Das sorgt von Anfang an für Spannung am Tisch! Im Traktorstrahl dieser Vielfalt hängt dann auch noch ein kniffliges Aktionssystem, das einiges an Planung abverlangt. Um das Erlebnis abzurunden, wurde in der 4. Edition die Spielzeit angenehm verkürzt. Nach 22 Jahren ist Twilight Imperium in meinem Herzen endlich angekommen.

Twilight Imperium 4. Edition
Spielinformationen
Genre: 4X | Personen: 3 - 6 | Alter: ab 14 Jahren | Dauer: 240 - 480 Minuten | Illustration: Scott Schomburg | Autor: Dane Beltrami, Corey Konieczka, Christian T. Petersen
SPIELSPASS
9.5
AUSSTATTUNG
10
SPIELIDEE
9.5
Kurzfakten
Tolles Material
Hohe Interaktion
Asymmetrische Fraktionen
Optimierte Spielzeit
Sehr politisch
Spielinformationen
Trotzdem noch lange Spielzeit
Partien können zum zäh werden
Keine Erkundung
9.5
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Moinsen. Wäre es nicht möglich einen Erkundungsaspekt einzubringen in dem man die Systemplättchen einfach umdreht und erst wenn ein Spieler dorthin reist umdreht um zu sehen was sich dort verbirgt? Ressourcenreicher Planet oder ein alles verschlingendes schwarzes Loch? Finde es heraus.

    Antworten
    • Man kann gewisse Plättchen nur durch bestimmte erforschte Technologien betreten und wenn man das Spiel mehrmals gespielt hat, gehört der Aufbau des Spiels schon zur eigenen Strategie. Denn jeder Spieler erhält die Sektorplättchen und dann wird reihum das System nach gewissen Regeln aufgebaut. Grundsätzlich könnte man deine Idee mal ausprobieren, ich weiß aber nicht ob Twilight Imperium mit seiner Ausrichtung dafür gemacht ist. So oder so bleibt es dann immer noch hinter Spielen wie XIA oder Star Trek Ascendancy in Sachen Erkundung zurück.

      Antworten
  • Hi. Ich habe eine merkwürdige Beziehung zu TI. TI 3 habe ich gehasst mit einer Passion. Für mich eines der most overrated Games aller Zeiten. Spiele haben 8+ Stunden gedauert und gewonnen hat immer der, der sich eingebunkert hat, zufällig die besten Startplaneten hatte und das Spiel gewonnen hat, ohne einmal gekämpft zu haben. Zwischen den Zügen hätte ich je einen Roman lesen können, die Downtime war gigantisch.

    Komischerweise empfinde ich TI4 nicht ansatzweise so schlimm. Das Spiel dauert nur noch 6+ Stunden und alles geht doch etwas interaktiver zu. Fast jede Strategiekarte ist nun auch nützlich und man hat das Gefühl mehr Entscheidungsfreiheit zu haben. Die Missionsziele sind natürlich aber auch random und schon spielentscheidend. In einem Spiel war ich kriegerisch unterwegs und fast alles waren Forschungsziele, die dann der Spieler mit der Forscherrasse easy erfüllen konnte.
    Kurzum, während mir das Spiel sogar Spaß bereitet, ist es meiner Meinung nach immer noch zu lang für was es bietet, insbesondere mit voller Spielerzahl.

    Antworten
  • Nach anderthalb Jahren Vorbereitung und etlichen Bootcamps (Eclipse, ST Ascendancy, der eiserne Thron, Warhammer 40k Verbotene Sterne) war es endlich soweit. Ich haue meiner Brettspielgruppe TI4 auf den Tisch. Der Boden bebt, die Sonne verdunkelt sich hinter der großen Box. Alle haben brav eine Std Tutorials auf Youtube gesehen und sind bereit. Unter 6 Std wird bei uns eh nichts gezockt (Pizza und Pipipausen sind drin).
    Es ist Samstag 12h, alles ist aufgebaut und es geht los. 8h später regen sich alle auf warum wir nur bis 10p gespielt haben. Ein voller Erfolg. Alle waren begeistert von der Interaktion, Verträge und Waffenstillstände wurden stundenlang ausgehandelt nur um direkt in der nächsten Runde wieder gebrochen zu werden. Es wurde geforscht, gekämpft, sich gegenseitig Stimmen zugeschustert und vor dem Rat denunziert. Definitiv in meinen Top 3.

    In 3 knapp Wochen geht Runde 3 an den Start, 5 Spieler, keine Gnade. Backstabbing included.

    Setzt Kurs auf das Mecatol-System!

    Energie!

    E.

    Antworten
    • Hallo Eikpharius,

      cool! Schön, wenn es zu so Runden kommt. Ich liebe das Spiel sehr, auch wenn die Erkundung und auch die „Wirtschaft“ für mich in dem Spiel nicht ganz gelungen ist. Es geht in dem Spiel halt um anderes: Krieg und Politik. Ich habe auch schon wunderbar epische Partien erlebt. Schön, dass es euch gefällt.

      Liebe Grüße

      Christian

      Antworten

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