Aus dem Tiefen Thal da komm ich her, ich sag euch, das Bier fließt da sehr! Überall sieht man Gaukler schwitzen und Adlige an Tischen sitzen. Der Schnaps fließt in Mengen und das Gästebuch quillt über, die wertvollen Siegpunkte wachsen…äh rüber? Der Rhyme is fett würden die Beginner sagen. Ich bin mir da unsicher. Ein Spiel, welches uns Spieler mit solcher Liebe in die Rolle eines Tavernenbesitzers schlüpfen lässt, hat ein paar Reime verdient. Ich kann euch verraten, dass thematisch hier mit doppeltem Hopfen gebraut wurde, aber man je nach Spielgeschmack, mit einem Spielspaß-Kater den Tisch verlässt.
Kurzcheck: Die Tavernen im Tiefen Thal
Bei Die Tavernen im Tiefen Thal handelt es sich um ein Würfel-Einsetz- und Kartendeck-Ausbauspiel. Wir sind Besitzer einer Taverne in der sich jede Runde anhand meiner verfügbaren Tische Gäste niederlassen. Dazu gesellen sich jeder Runde etwaige Bierhändler, Barden, Kellnerinnen, weitere Tische und Tellerwäscher. Manchmal schaut sogar ein Mönch vorbei! All das wird abgehandelt durch mein eigenes Kartendeck. Meine Servicekräfte (=Ausstattungskarten) sorgen für mehr Boni, Sonderaktionen und Bier in der Runde, während Gäste die Kasse klingeln lassen. Mit dem Geld kaufe ich gezielt weitere Ausstattungskarten, verbessere also mein Deck. Durch Bierhändler und Lieferanten erhöht sich mein Einkommen an Bier. Damit locke ich neue zahlungskräftigere Gäste an! Auch hier kaufe ich Karten für mein Deck. Wer besondere Meilensteine erreicht, lockt sogar Adlige an. Die geben ordentlich Siegpunkte!
Zweites wichtiges Element sind die Würfel. Nach dem Aufdecken der Karten wirft jeder Spieler seine Würfel und legt sie vor sich ab. Von diesen Würfeln nimmt er sich einen und gibt die restlichen an seinen linken Mitspieler weiter. Das ist dann Würfel-Drafting! Sind alle Würfel gezogen, verteilen die Spieler diese auf ihre Aktionen und aufgedeckten Karten, um die oben genannten Aktionen auszuführen. Trotz der reichlichen Optionen kommt man sich nicht in die Quere, denn Interaktion wird hier klein geschrieben. Nach insgesamt acht Runden ist Schluss und der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt das Spiel.
Toller Einstieg
Der Einstieg in die Die Tavernen im Tiefen Thal ist vorbildlich! Das Grundspiel ist schnell verstanden und kann auch schon von Achtjährigen gemeistert werden. Das Thema ist von der Spielanleitung, über die Spielphasen bis hin zum grandiosem Material super umgesetzt! Mit bis zu vier weiteren Modulen wird das Spiel dann langsam komplexer und bietet mehr taktische wie strategische Möglichkeiten. So kann man je nach Mitspielern das Spiel immer wieder anpassen.
Als Kennerspieler hat man schnell den Dreh raus und alle Module bevölkern die Taverne. Es gesellen sich Schnaps und Gaukler dazu, die für vielfältige Spezialaktionen eingesetzt werden können. Ein Gästebuch ermöglicht das Sammeln von Unterschriften der verschiedenen Gästen. Auch hier gibt es als Belohnung Boni und Adlige. Unterschiedliche Startbedingungen und eine Rufleiste des Wirtes peppen optional den Spielfluss noch weiter auf. Gerade im weiteren Spielverlauf ziehen Kombo-Gewitter auf, fast so wie bei First Class.
Ich will mehr!
Endet eine Partie, will man gleich die nächste Partie spielen. Die verschiedenen Wege im Spiel laden ein und man wittert überall Optimierungspotential. Der Dublonen-Bier-Motor am Ende des Spiels, der herrliche Kettenaktionen auslösen kann, motiviert ebenso. Beim nächsten Mal vielleicht den Schnaps anders einsetzen? Erst auf Dublonen stürzen, danach auf Bier? Oder einfach mal beides hinten anstellen und auf der Mönchsleiste Boni abgreifen? Auch die Entscheidungen wie man seine Bar dauerhaft verbessert, toll gelöst über Puzzleteile die umgedreht werden, ist knifflig. Kurzum, die spielerischen Wege, die man hier einschlagen kann, sind mannigfaltig.
Der Anfang vom Kater
Mit jeder weiteren Partie – einige mit grandiosen Siegen – schmeckte das Bier aber schaler. Im Übrigen genau wegen dieser Siege. Ob das bei dir genauso sein wird, ist die entscheidende Frage. Das Schlagwort, welches den Abend von Spielspaß-Party zu Kater spaltet, ist Glück. Was du in einer Runde in deiner Taverne veranstaltest, hängt von zwei Dingen ab: das Ziehen der Karten und dem Würfeln, sekundär noch die Kartenauslage der Gäste. All diese Elemente sind zufällig! Bevor nun der Kenner des Spiels zur Erwiderung ansetzt, ja, es gibt Tresen-Gäste die es ermöglichen Karten komplett neu zu ziehen und immerhin zwei Möglichkeiten Würfel zu manipulieren. Tresen-Gäste sind aber sehr rar und die freie Würfelmanipulation erfordert Schnaps, der Tellerwäscher verändert die Augenzahl nur nach oben – gerade am Anfang des Spiels mit vielen 1er und 2er Gästen ungünstig.
So kann der Start ins Wirtsleben sehr kritisch werden. Wer durch die geworfenen Würfel, von sich und seinen Mitspielern, kaum passende Augenzahlen zu seinen Aktionen hat, der kann sich mit Notaktionen ein kleines Ressourcenpolster für die nächste Runde aufbauen, setzt gefühlt aber eher aus. Der andere Spieler legt in dem Zug, wenn es passt, den Grundstein für den Erfolg des nächsten Zuges. Denn gekaufte Karten kommen auf den Nachziehstapel, sind also entsprechend sicher in der nächsten Runde verfügbar. Ich hatte Spielrunden, da hatte ein Spieler zwei Runden hintereinander bei dem verfügbaren Augenzahlen und den gezogenen Karten Pech. Bei nur acht Runden schwillt da die Halsschlagader an!
Spielgefühl: Ein Negativbeispiel
Es fällt besonders negativ auf, wenn Spieler eine gleiche Strategie fahren. In einer Partie hatte meine Frau und ich ein ziemlich ähnliches Deck. Ich hatte nur einen etwas stärkeren Gast. Wir hatten beide zwei Stuhlkarten – das wird noch wichtig. Nun zogen wir die ersten Karten von unserem Nachziehstapel. Dazu muss man wissen, dass man so lange Karten ziehen darf, bis an allen Tischen Gäste sitzen. Nicht Gast-Karten werden auf andere Plätze gesetzt. Je mehr Tische ich habe, um so größer die Chance viele Karten in einer Runde zu ziehen.
Mein Zug
Ich zog recht früh zwei weitere Tische und hatte somit fünf Plätze! Am Ende meines Zuges hatten sich an den Tischen zahlungskräftige Gäste niedergelassen und ich hatte eine Menge weiterer Ausstattungs-Karten ausliegen! Die danach geworfenen Würfel passten wie der Bierdeckel zum Bier. Ich schwamm in Duplonen und dem goldenen Getränk. Der niedrigere Wert von beiden Ressourcen ist zugleich der Ruf-Bonus! Also marschierte ich auch auf dieser Leiste und bekam weitere Boni! Ich kaufte weitere Ausstattungskarten, wertete meine Taverne auf und angelte mir einen starken Gast. Nebenbei konnte ich eine schlechte Karte aussortieren und stand für die nächste Runde sehr gut da.
Ihr Zug
Meine Frau zog zwar auch starke Gäste, aber leider keinen Tisch, trotz der gleichen Anzahl an Karten. Ergo hatte sie am Ende drei Gastkarten und sonst gar nichts. Fastenzeit im Tal! Die Würfel passten zu den Gästen nicht. Wir haben dann testweise den Nachziehstapel geprüft. Wäre die Reihenfolge um eine Karte anders gewesen, hätte meine Frau sechs weitere Karten ziehen können! Nochmal, ja, wenn gewisse Elemente vorhanden sind, kann man die Kartenauslage abwerfen und noch einmal ziehen. Die Möglichkeit war leider nicht gegeben und selbst wenn, die guten Gäste wären weg gewesen. Am Ende wohl immer noch ein besserer Zug, aber trotzdem schlechter im Vergleich zu meinem. Ein Extremfall, aber Glück definiert manche Partie in Die Tavernen im Tiefen Thal so stark, dass eigene taktische Entscheidungen fast willkürlich wirken. Auf der Spielschachtel ist der Glücksanteil mit 6 von 10 bemessen, bisweilen fühlt es sich eher nach 8 von 10 an. Ich gewann die Partie ab diesem Punkt locker flockig mit 1/3 mehr an Siegpunkten.
Fazit
Das fühlt sich einfach nicht gut an! Klar freue ich mich über erfolgreiche Züge, wenn das Kombo-Gewitter zuschlägt und eine Mechanik in die nächste greift. Ich nehme hier, erhalte dort und drehe dieses Plättchen um. Das macht Spaß! Unterstützt durch das tolle Material und dem Thema, will man vor Freude mit den Gauklern tanzen. Wenn in diesen Zügen mein Gegenspieler aber kaum etwas machen kann, mit Downtime durch meine Power-Züge gestraft wird, dann schmeckt mir das Bier in der Taverne nicht mehr wirklich. Es wird einem bewusst, dass der eigene Zug vielleicht nur so stark war, weil das Glück einem die Hand reichte. Entsprechend sinkt aufgrund der Abhängigkeit von zu vielen ungeplanten Faktoren die Freunde am Ausprobieren neuer Wege.
Das ist natürlich nicht immer so! Oft haben beide Spieler passende Aktionen oder man setzt Spezialaktionen ein, um das Pech abzumildern und entsprechen steigt die Freude am Spiel. Die Module lassen das Spiel zudem in jeglicher Besetzung zu. Wenigspieler, spielerfahrene Kinder und Kennerspieler können hier Spaß haben! Deckbau und die Würfel-Einsetzmechaniken haben bei mir einen hohen Aufforderungscharakter und das bedienen Die Tavernen im Tiefen Thal. Eine gerade noch angenehme Spielzeit sorgt zusätzlich dafür, dass ich gerade mit weniger versierten Spielern die Tavernen besuchen würde. Es muss einem nur bewusst sein, dass der Glücksanteil wirklich hoch ist! Mir am Ende zu hoch.
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