Kurzcheck: Darum geht es in Rallyman: Dirt
In Rallyman: Dirt fährt man auf modularen Strecken hart gegen die Zeit. Damit wären wir beim großen Unterschied zu anderen Vertretern aus dem Rennspielzirkus. Ganz dem Rally Sport angelehnt, geht es hier gegen die Uhr und nicht um Positionsgerangel. Die Grundregeln sind denkbar einfach. Aus unzähligen Streckenteilen baust du dir eine fette Strecke. Wasserlöcher, Hügelkuppen, schnelle Geraden, Haarnadelkurven, Schikanen und kleine Abkürzungen inklusive. Um dein Rennauto über die Strecke zu bugsieren, hast du Gang-, Leer- und Bremswürfel. Pro Feld musst du einen Würfel platzieren, wobei die Gangwürfel logischerweise auf- und absteigend platziert werden müssen. Dabei hast du jeden Gang nur einmal.
Der Clou sind jetzt die Streckenvorgaben, die dich zwingen, an bestimmten Stellen einen gewissen Gang nicht zu überschreiten. Keiner ballert im 6ten Gang durch die Haarnadelkurve. Gleichzeitig bestimmt dein letzter platzierte Würfel deine Zeit für den Zug! Je höher der Würfel, desto schneller bist du unterwegs. Zeit wird dabei über gezogene Karten simuliert. Obendrauf kommt nun noch eine Glückskomponente. Platzierte Würfel musst du nämlich werfen und wenn du zu viele Ausrufezeichen würfelst, küsst dein Auto den Unfall und du verlierst massig Zeit! Du kannst jeden Würfel nacheinander werfen, dann hast du die Kontrolle und kannst jederzeit abbrechen. Bleibst halt nur früher auf der Strecke stehen. Du kannst aber auch alle gleichzeitig würfeln und so pro Würfel Extra-Sekunden gewinnen. Gehst du das Risiko ein? Rallyman: Dirt ist ein äußerst strategisches Würfeleinsetzspiel, welches mit etwas Glück garniert wurde. Dieser nüchterne Absatz wird diesem Spiel aber nicht gerecht. Ab auf die Piste!
Vollgas!
Die erste Etappe! Der Motor kreischt. Die Nackenhaare sind aufgestellt. Die Startampel springt um. Erster Gang. Zweiter Gang. Dritter Gang. In den Drift. Lange Kurve. Leerlaufwürfel. Gas halten. Leerlaufwürfel Nummer 2. Aus der Kurve raus. Drift beenden. Vierter Gang. Fünfter Gang. Sechster Gang. Bäm. Höchstgeschwindigkeit. Als König der Piste gehe ich Risiko und werfe alle Würfel gleichzeitig. Power, keine Ausrufezeichen! Kein Crash, kein Getriebe- oder Reifenschaden. Ich beende meinen Zug bei 10 Sekunden und gewinne durch den Risiko-Wurf 8 Sekunden. Das ist doppelt geil, weil entweder dadurch meine Gesamtzeit sinkt oder ich diese Sekundenmarker ausgeben kann, um mir Würfelerfolge zu kaufen. Ich klopfe mir innerlich die Schulter blau. Zweite Runde. Ich nehme mir alle Würfel zurück. Knacke mit dem Nacken. Der Vollgas-Blogger rasiert hier jetzt die Piste.
Ich schaue mir die Strecke an. Verdammt! Innerhalb von drei Feldern kommt eine scharfe Rechtskurve, die muss ich außen im zweiten Gang oder innen im ersten Gang fahren. Mit dem Bremswürfel kann ich zwei Gänge runterschalten. Schaffe ich die Kurve jetzt überhaupt? Und selbst wenn, dann bin ich nach der Kurve in so einem niedrigen Gang und verliere viel Zeit. Der Vollgas-Blogger kommt ins Grübeln.
Unfassbar!
Ich kürze ab. Ich habe diese Etappe irgendwie geschafft. Merkte aber, hier geht doch mehr. Ich fuhr dreimal hintereinander die gleiche Etappe. Ich wurde jedes Mal schneller. Unfassbar! Das man wie in einem Videospiel wirklich eine Strecke lernen kann, dass hat mich beeindruckt. Einmal vor einer Kurve anders den Speed geplant, kannst du danach wesentlich schneller auf Touren kommen. Manchmal ist langsamer auch schneller, weil du weiter durch Schikanen kommst und damit Runden sparst. Vielleicht ist es aber auch ratsam jeden Drift mitzunehmen und selbst zwischen Kurven den Motor ans Maximum zu bringen.
Der richtige Flow auf der Strecke ist elementar. Abseits von klarem Pech durch Würfelpatzer, die einem wirklich Etappen verhageln können, ist die Erfahrung und Streckenkenntnis das Element für gute Zeiten. Wer meint, der Frust durch Würfelpatzer wäre hier zu hoch, dem kann ich eigentlich nicht widersprechen. Aber ohne dieses Element wäre der Nervenkitzel beim Planen und Würfeln wesentlich geringer. Und Nervenkitzeln gehört zum Rennsport! Ich fuhr zum Spaß noch einmal eine Einstiegsetappe gegen meine Frau, die ins Spiel schnuppern wollte und gab natürlich aus ausschließlich experimenteller Hinsicht keine Tipps. Ehrenmann ist mein Nachname! Nach diesem Absatz kennt ihr das Ergebnis. Ich steppte den Siegertanz durchs Wohnzimmer und fuhr weit über eine Minute schneller. Auf einer kurzen Etappe eine Ewigkeit.
Schon geahnt?
Alleine auf der Piste ist das Kopfkino groß. Begeisterung für das Austüfteln der Ideallinie vorhanden, ist Rallyman: Dirt ein Fest. Ihr ahnt es sicherlich schon, aber mit mehreren Personen transformiert sich das Erlebnis. Ganz wie bei echten Rallys startet man zeitversetzt. In der ersten Runde fährt nur die erste Person. In der zweiten Runde steigt nach dem Zug der ersten Person die zweite ein. Bist du als Dritter dran, wartest du entsprechend. Man kann dieses Spiel zu sechst spielen. Was ein Irrsinn! Da ist die erste Person schon im Ziel, wenn du auf Position 6 startest. Bist du selbst früh im Ziel darfst du dir aufgrund der Wartezeit die Fußnägel schneiden. Vier Spielende ist schon das harte Maximum. Eher spielt man zu dritt oder zu zweit. Einen kleinen Vorteil hat das nämlich. Man sieht direkt, wie andere fahren. Bisweilen eben besser fahren. Wenn ein Auto zum anderen langsam aufholt, brauchst du ein Tempo für die schweißnassen Hände. Gelächter bei Würfelpatzern ölen ebenso den Spielspaß.
Von daher, ja in der Kleingruppe funktioniert dieses Spiel gut. Auf der Suche nach der besten Zeit ist der stärkste Modus aber der Solo-Modus in Verbindung mit Community-Rallys. So fährt man zwar allein, hat aber als Vergleich die Zeiten anderer Fahrer:innen. Genial und ebenso motivierend! Und so wunderte sich in den letzten Wochen meine Frau, weil ich als bekennender Liebhaber der Gesellschaft ständig allein im Wohnzimmer saß. Mein glühender Kopf übertraf jede überhitzte Bremsscheibe. Heizkosten wurden so durch abstrahlende Körperwärme gespart. Bei heutigen Energiepreisen war der All-In effektiv umsonst.
Braucht es den All-In?
Ja. Habe ich das wirklich geschrieben? Reinschnuppern geht über das Grundspiel. Es fehlt halt nur einiges und die wichtigen Elemente wurden wunderbar auf verschiedene Erweiterungen aufgesplittet. Du brauchst auf jeden Fall die Erweiterung 110%, weil nur dort andere Streckenteile drin sind (Asphalt und Eis). Weitere Fahrzeugklassen sind auch interessant, weil sie andere Zusammenstellung der Gangwürfel besitzen. Das wäre wohl aus meiner Sicht die Pflicht. Aber auch die anderen Erweiterungen mit Bergetappen, modularem Set-up bei Fahrzeugen oder Rally-Cross sind empfehlenswert.
Fazit
Du willst spannende Positionskämpfe und eine spielerische Dynamik erleben, die analogen Rennsport für deine Spielgruppe fluffig abbildet? Dann dürfte Rallyman: Dirt dein persönlicher Kolbenfresser werden. Dieses Rennspiel ist anders und genau deshalb so gut! Rallyman: Dirt ist sich in der Piste verbeißen. Der perfekte Bremspunkt und die ausgetüftelte Ideallinie ist deine Schokolade! Dabei treten deine grauen Zellen in den Rennmodus, weil die beste Zeit dann entsteht, wenn weitere Runden und der Fortgang der Strecke immer in der aktuellen Runde mitgedacht werden. Zudem glänzt das Spiel mit einer enormen Varianz, die durch Erweiterungen in den roten Drehzahlbereich der Abwechslung getreten wird.
Knackpunkt kann die durchaus vorhandene Glückskomponente sein. Die beste Planung wird manchmal an die Leitplanke gesetzt. Motorschäden und Reifenplatzer schweben über jede Runde wie ein Damoklesschwert. Dieser Nervenkitzel passt für mich aber durchaus zum Rennsport. Für weniger Begeisterung sorgen Partien mit mehr als drei Personen. Da gibt es definitiv Besseres! Zum Killer wird Rallyman: Dirt allerdings im Solo-Modus mit Anbindung an eine Community inklusive Touren, Zeitvergleichen und dem dazu passenden Tabletalk. Kein anderes Spiel hat mich alleine so begeistert, entsprechen bekommt es hier eine fette Empfehlung ausgesprochen!
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- 13. Januar 2025
- 6. Januar 2025
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- 31. Dezember 2024
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7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Danke für den schön zu lesenden Test. Da steckt viel Begeisterung drin. Die Schalt/Motor-Geräusche, die vor deinem geistigen Auge/Ohr bei diesem Spiel entstehen kann man sich sehr leicht dabei vorstellen.
Ich war auch bei dem KS dabei, mußte aber aus mehreren Gründen leider passen:
Es war doch etwas aufällig, das man für richtig freies Streckenbauen in veschiedenen Klimazonen doch letztendlich zum All-In gezwungen wurde.
Dafür hatte das spiel dann an anderer Stelle zu sehr einen eingeschränken Einsatz:
Gerade das Nacheinander-Spielen limitiert ganz richtig die Spieleranzhal deutlich.
Hätte man einen Spielerkreis, der die gegnerischen Fahrmanöver kommentiert/bejubelt/kritisiert, kann das ziemlich sicher eine Megagaudi sein..
Aber wenn man das nicht hat, geht das Spiel schon sehr hart in das Single Player Highscore -Knacken Genre.
Das mag authentisch sein, würde damit aber kaum einen Einsatz bei mir sehen
Vielen Dank für dein Kommentar. Das Spiel hat mich mehr abgeholt als ich dachte. Und du hast absolut recht mit den Erweiterungen. Das ist schon ziemlich blöd gemacht für den Kunden, weil man die 110% Erweiterung wirklich braucht.
Das mit der Gruppengröße habe ich ja auch thematisiert. Ist ein absolut legitimer Knackpunkt. Da packt man bei größerer Gruppe lieber Flamme Rouge oder Heat aus.
Ich hab das deutsche All-in-Paket bei Ebay geschossen. Wollte es unbedingt haben, also lieber erst gar nicht geguckt, für was es original bei KS wegging. 171 Euro sind es geworden – hatte nicht damit gerechnet es unter 200 bzw. überhaupt zu bekommen. Hatte dann noch Ebay-Guthaben übrig, also wurden es letztendlich 136 Euro. Und weiß immer noch nicht, ob das akzeptabel ist…
Leider bin ich immer noch nicht zum Spielen gekommen… aber ein Detail muss ich unbedingt erwähnen. Auch, weil es glaube ich sonst noch nirgendwo erwähnt wurde: Dafür, dass das eigentlich spielerisch völlig unbedeutend ist, sind die Automodelle fantastisch geraten! Die sind ja irgendwas um den Maßstab 1:200 herum, also in etwa Modelleisenbahn Spur Z. Da trauen sich überhaupt nur wenige Hersteller ran – aus Gründen.
Ich hab zumindest bei R4 und R5 alle dargestellten Modelle auf Anhieb erkannt. Nicht nur das, die Meisten sind auch wirklich gut. Ich weiß nicht, wie Holy Grail Games das gemacht hat, aber selbst als einfarbiger Plastikklumpen sind sie in der formalen Qualität normalerweise so um die drei bis vier Euro das Stück wert.
R6 ist nicht ganz so gelungen, aufgrund des ganzen Geflügels aber auch viel schwerer umzusetzen. Zudem sehen sich hier schon die realen Vorbilder extrem ähnlich.
Ja, die Autos sehen fantastisch aus.
Betrifft dich das irgendwie bei ggf noch ausstehenden addons oä?
https://holygrail.games/
Schade gerade um dieses Spiel
Nein, zum Glück nicht. Eine wirklich traurige Sache. Ein wirklich tolles Spiel, ein aus meiner Sicht sympathischer kleiner Verlag und wirklich blöd für die 40% der Personen, die das Spiel nun nicht mehr bekommen.
Das Spiel sollte doch auch noch auf deutsch bei Heidelbär rauskommen, oder? Passiert das noch? Ich höre immer wieder, dass es deutlich besser als Rallyman GT sei.
Irgendwie seltsam, dass der Verlag gerade Konkurs geht, wo in Deutschland mit Encyclopedia und Rallyman zwei Spiele in einem guten Markt rauskommen. 🤷♂️