Pegasus Spiele hat mit Undo – Macht es ungeschehen! eine neue Reihe im Programm, die den Zeitgeist trifft: storybasierende, kooperative Deduktion und dazu eine kompakte Schachtelgröße. Man sieht Undo schon förmlich neben der Exit-Reihe im Kaufhaus stehen. Dabei fokussiert sich das Autoren-Duo Michael Palm und Lukas Zach ausschließlich um das Narrative. Rätsel oder tief greifende Spielmechaniken sucht man hier vergebens, was ich Undo nicht negativ ankreide. Im Gegenteil, es war genau der Umstand, der mich neugierig machte. Die Architekten dieser Neugierde waren die zugehörigen Attribute des Spiels: Mordfälle, Zeitreisen, Schicksalsweber – Drama Baby! Das klingt nach großem Kopfkino, folgenschweren Entscheidungen und ausufernde Diskussionen in der Gruppe. Genau mein Ding! Ich liebe T.I.M.E. Stories und über den Tellerrand geschaut, hat mir das Videospiel To the Moon gezeigt, dass meine Tränendrüsen salzige Eskalation durch emotionale Geschichten noch beherrschen. Entsprechend groß war die Vorfreude! Als Info, die Rezension ist spoilerfrei.
Kurzcheck: Darum geht es in Undo – Das Kirschblütenfest
Undo – Das Kirschblütenfest kommt ohne Spielregeln aus. Man lernt das Spiel über wenige Karten während des Spielens. Der Einstieg fällt entsprechend leicht und hat so auch Wenigspieler im Fokus. Die Spieler übernehmen die Rolle von Schicksalsweber. Diese besitzen die Fähigkeit an bestimmte Schlüsselmomente eines Lebens einzutauchen, um den Lauf des Lebens nachhaltig zu verändern. Diese Momente werden durch Karten abgebildet, die am Anfang des Spiels ausgelegt werden. Als Gruppe entscheidet man, welche Karten und somit Lebensabschnitte man besuchen möchte. Man dreht die entsprechende Karte um und taucht in eine Szene ein. Am Ende dieser Mini-Geschichten kann man die Situation auf drei verschiedene Arten verändern. Über eine Lösungskarte erhält man dann Punkte. Hat man neun der zwölf Karten umgedreht, addiert man alle gesammelten Punkte und erfährt anhand seiner Punktzahl, ob man das Leben des Protagonisten zum Positiven verändert hat.
Das Drama beginnt…
Wir befinden uns im Jahre 2000 in Japan und starten mit tödlichem Drama. Eine männliche Person, um die sechzig Jahre, liegt leblos in einem Wohnzimmer. Wir nehmen das Foto einer jungen Frau und ein Weinglas wahr. Weitere Details werden offenbart. Was trug die Person, gibt es Verletzungen und was ist noch in dem Zimmer zu erfahren? Diese Fragen werden von der ersten Karte beantwortet und bieten nun Indizien für das weitere Vorgehen. Der emotionale Einstieg hält was Schachteltexte und Coverabbildungen versprechen. Schnell entbrennt die Diskussion in der Gruppe. Wo tauchen wir im Leben dieses Mannes auf? Die Zeitspanne ist riesig. Werfen wir einen Blick in die Zukunft? Sechzig Jahre in die Vergangenheit? Wer könnte die Frau sein? Wurde der Mann umgebracht? Da ist das Kopfkino! Ich bin zwar noch nicht den Tränen nah, aber vorerst gefesselt. Leider wird die Spannung zeitgleich abgebremst. Da die Gruppe neun Schicksalsmomente besuchen darf, bei nur zwölf ausliegenden Karten, lassen erste Entscheidungen eine gewisse Brisanz vermissen.
Entscheidungen? Am Ende!
Dies Frage der Brisanz erübrigt sich dann allerdings schnell und weicht einer gewissen Ungläubigkeit. Die Szenen an sich sind zwar interessant und regen bisweilen zum Nachdenken an, aber die Entscheidungen sind ein schlechter Witz. Zum einen sind es keine direkt fühlbaren Entscheidungen, weil die Geschichte während des Spiels kein Stück verändert wird. Erklärt wird dies damit, dass wir als Schicksalsweber erst alles zeitgleich beeinflussen, um das Schicksal erst am Ende neu zu weben. Hat da nun die einfache Spielmechanik die Geschichte geschrieben? Mag es noch so logisch klingen, reizvoll ist das spielerisch nicht.
Zum anderen wird dies durch die quizartigen Entscheidungen auf den Karten noch verstärkt. Das Niveau ist erschreckend flach oder ich habe ein Bauchgefühl entsprechend der Power eines Avengers-Heldenteams. Wir sprengten das Maximum der Punkteskala und erreichten das bestmögliche Ergebnis. Wohlgemerkt in 20 Minuten. Kleiner Einschub, auf der Spielschachtel steht etwas von 45 bis 90 Minuten. Mir ist es schleierhaft wie man an Undo – Das Kirschblütenfest so lange sitzen kann. In einem Exit-Spiel könnte ich mir jetzt aufgrund der Geschwindigkeit wenigstens auf die Schulter klopfen.
Bravo-Psychotest
Die Intention von Undo ist aber nicht die schnelle Lösung, sondern schwerwiegende Entscheidungen, die in der Gruppe zusammen entschieden werden sollen. Das Konzept könnte aufgehen und ich kritisiere nicht den Aufbau. Sehr wohl aber den Inhalt! Wenn ich weiß, dass eine Person durch beigemischtes Rattengift in einer Müslischale umgebracht wird und ich bei den drei auswählbaren Optionen einer Schlüsselszene die Wahl habe, dass das Opfer auf sein Müsli, Zähneputzen oder Apfelsaft verzichtet, dann steppt nicht gerade die Spannung durchs Spielzimmer. Wenn ich da an manch Entscheidung in The 7th Continent, T.I.M.E. Stories oder Escape Tales denke, da wurde bis zur Fingerkuppe geknappert und man rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Dieses Gefühl schenkte uns Undo nicht ein einziges Mal, obwohl es davon leben soll.
Atmosphärisch wird es nicht besser. Undo wird das Mäntelchen des kleinen Psycho-Tests mit Antwortmöglichkeiten, wie sie in Fernsehzeitschriften, der Bravo oder Esoterikblättern findet, nicht los. Am Ende erhält man einfach Punkte für seine Wahl und addiert seine Entscheidungen. In der Bravo weiß ich, dass ich ein charmanter Boy bin, bei Undo ob ich die Person gerettet habe. Schnell werden Antworten in Zahlen umgemünzt. Neutrale Antwort? Das müsste eine Null sein. Reicht uns das?
Es gibt zu jedem Schicksal noch eine zugehörige Hinweiskarte, die auf eine Besonderheit der Szene eingeht. Davon dürfen wir im gesamten Spiel nur vier aufdecken. Die Hinweise sind mächtiger Natur und dadurch ist es endlich kniffliger, ob man sich so eine Karte als Gruppe gönnt. Aber Undo macht auch hier nur halbe Sachen. Auf der jeweiligen Szenenkarte ist der Begriff, um den sich der Hinweis dreht, fett geschrieben. Das Knobeln, um welchen Hinweis es sich handeln könnte, wird einem so aus der Hand genommen.
Fazit
Undo – Das Kirschblütenfest hat ein theoretisch interessantes Gerüst. Emotionale und mit Tragweite versehende Entscheidungen in der Gruppe zu diskutieren, ohne großen Regelfirlefanz, finde ich reizvoll. Das Kirschblütenfest scheitert auch nicht an der erdachten Geschichte, die durchaus mehr als solide Momente bereithält. Über Punktevergabe wie bei einem Psychotest könnte ich am Ende sogar hinwegsehen, wenn der Rest passt. Aber in der Kerndisziplin, der Spannung um bedeutende Entscheidungen, die immerhin einen Tod verhindern sollen, verfängt sich Undo in seiner Seichtigkeit. Nur weil ein Spiel auch für Wenigspieler oder Familien geeignet sein soll, muss man ihnen bei den Hinweiskarten nicht alles aus der Hand nehmen, noch in der Mehrheit sie vor solch offensichtliche Wahlmöglichkeiten stellen. Damit beraubt sich Undo am Ende seiner Dramatik und erstickt Diskussion bevor sie aufkommen. Soll mehr Spielspaß aufkommen, müssen die Entscheidungen in Zukunft mehr moralische Zwickmühlen und verstecktere Details bereit halten.
Undo - Das Kirschblütenfest
9,95 €Kurzfakten
- Konzept interessant
- Solide Geschichte
- Durchschaubare Entscheidungen
- Seichtigkeit tilgt Spannung
- Psychotest-Charakter
Spielinformationen
- Genre: Story-Brettspiel
- Spieler: 2 - 6
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: 45 - 90 Minuten
- Rezensionsexemplar erhalten
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