Es gibt Brettspiele die laufen irgendwie unter dem Radar, oder kommt es nur mir bei Belfort so vor? In diversen Foren kaum besprochen, in Onlineshops nicht weit oben im Ranking. Warum ist das so bei diesem munterem Workerplacement Spiel? Vielleicht kann ich ja etwas Lust auf Belfort mit diesem Test entfachen.
Belfort ist ein schon etwas älteres Brettspiel von Pegasus, das bis zu fünf Spieler in eine Fantasy-Welt mit Elfen, Zwergen und Gnomen entführt. Allerdings bekämpft man keinerlei Monster und dergleichen, oder muss die holde Prinzessin retten, nein man übernimmt die Rolle eines Baumeisters und soll für den König die Stadt Belfort errichten.
Leider hat der dusselige Vertreter nicht nur einen Baumeister engagiert, und so geht das Hauen und Stechen…äh Bauen um Belfort los. Es geht also um Manpower, um Rohstoffe, um Gebäude bauen und darum, andere Baumeister beim Erreichen ihrer Ziele zu behindern. Also ein klassisches Eurogame im Workerplacement-Stil! Davon gibt es zur Zeit reichlich auf den Markt. Vielleicht einer der Gründe warum Belfort etwas untergetaucht ist. Braucht der heimische Brettspieler also überhaupt Belfort auf dem Spieltisch?
Hässliches Entlein?
Der erste Eindruck ist leider nicht der Beste. Die Spielschachtel ist aus meiner Sicht alles andere als schön gestaltet und wirkt im Regal neben der Konkurrenz etwas einfach geraten. Der leichte Comictouch suggeriert zuallererst: Kinderspiel. Ich weiß nicht, ob sich Pegasus mit dieser Spielverpackung damals einen Gefallen getan hat. Es ist für mich in meinen Spielrunden für Neuspieler immer recht schwere Überzeugungsarbeit nötig, damit das Spiel ausprobiert wird. Ja, das Erscheinungsbild soll locker und witzig wirken, im Einklang mit dem wirklich lustigen Regelheft und Spielmaterial. Trotzdem, hier wäre mehr drin gewesen.
Im Spielkarton liegen dann aber die Perlen. Absolut liebevoll gestaltetes Spielmaterial, das sich selber nicht zu ernst nimmt und vor comichafter Witzigkeit erstrahlt. Besonders hervorzuheben ist das wirklich amüsante Regelheft, das neben einigen Lachern vor allem durch seine Übersicht und klare Führung besticht. Aus meiner Sicht ein sehr starkes Regelheft – und selten habe ich ein Spiel schneller erlernt. Auch die Spieltableaus für die Mitspieler sind gut strukturiert und erleichtern den Einstieg enorm.
Wer herrscht über die Bezirke?
Genug geschwafelt, wir sind Baumeister und die wollen bauen! Das ist in Belfort wesentlich schwerer, als es sich anhört. Zunächst einmal ist das Spielbrett in fünf Bezirke eingeteilt. Jeder Bezirk schüttet in gewissen Runden für die Baumeister, die dort die meisten Gebäude errichtet haben, Punkte aus. Da in jedem Bezirk aber nur eine gewisse Anzahl von fest definierten Gebäuden gebaut werden können, sorgt das für ordentlich Stunk unter den Baumeistern. Gerade bei fünf Spielern wird es ein spannender und taktischer Wettlauf um die Herrschaft in den jeweiligen Bezirken.
Damit es zum überhaupt zum Bauen kommen kann, muss man als Baumeister aber vorher allerhand planen und beachten. Hier wird es dann am Spieltisch hektisch. Jeder versucht die taktischen Sahnestücke in Form von Aktionsfeldern zu ergattern, um möglichst viele Sonderfähigkeiten zu erhalten oder Gold und Rohstoffe zu ergattern. Da man sich als Baumeister natürlich nicht die Hände selber schmutzig macht, hat man Zwerge, Elben und Gnome, die die Drecksarbeit erledigen.
Die Qual der Wahl
So kann ich Elben zum Holz hacken, Zwerge in den Steinbruch schicken, oder beide zusammen in die Mine um Stahl abzubauen. Ich darf mit ihnen aber auch Gold gewinnen. Dann fehlen mir aber die fantastischen Arbeiter, um sie in die Gilden zu schicken, die mir oft mächtige Sonderaktionen für eine Runde bescheren.
Und wer holt mir neue Arbeiter vom Arbeitsamt für Fabelwesen? Auch zur Bestimmung der Spielreihenfolge benötige ich die wackeren Handwerker. Gnome machen sich zwar nicht die Hände schmutzig, ziehen aber in meine gebauten Häuser ein, um deren Spezialfähigkeiten freizuschalten, oft brauchen aber auch diese Hilfe von Zwergen oder Elben.
Und so sitzt man da als Baumeister und grübelt, wohin mit meinem begrenzten Vorrat an Helferlein?! Zusätzliche taktische Tiefe wird auch dadurch erzeugt, dass einige Aktionen mit den Arbeitern nur ein einziges mal von einem Spieler pro Runde „gekauft“ werden können, und so die anderen dumm aus dem Blaumann gucken.
Besonders gelungen ist, dass das Spiel wirklich schnell zu erlernen ist, und dies nicht mit unzähligen Sonderregeln erkauft wurde, sondern durch viele einfache, aber eben pro Runde begrenzte Möglichkeiten. Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Punkt ist der, dass sofern jemand nicht völlig fernab jeglichen taktischen Denkens spielt, bisher alle Spielrunden bis zum Ende hin spannend waren. So bleibt die Aufmerksamkeit und Spielmotivation über die gesamte Spielzeit recht hoch.
Fazit
Man sollte dieses Spiel nicht nach seiner Spielverpackung beurteilen, und schon gar nicht denken, dass es ein seichtes Aufbauspiel wäre, was die Spielanleitung und auch die comichafte Anmutung vortäuschen könnten. Belfort ist ein angenehmes Brettspiel für die Familie, das vor Spielspaß nur so sprüht. Wer sich nicht gerne entscheidet, und sich ungern mit Mitspielern herumärgern möchte, ist hier allerdings definitiv falsch.
Je nach Gilde gibt es richtig fiese Spielmanöver, dazu ständige Goldknappheit und mit ihr in jeder Runde die Qual der Wahl – so viele Möglichkeiten, so wenige gleichzeitig zu bewerkstelligen. Schön ist das es bis zum Schluss spannend bleibt und so richtig aus dem Spiel ist man nie. Bleibt die Frage, braucht man Belfort? Durch die zufällig ausgelegten Gilden und somit einem immer anderen Spielbrett und den vielen Möglichkeiten, den Gegnern eins auszuwischen, ist es auf jeden Fall eine Bereicherung, wenn auch die typischen Mechanismen eines Workerplacement-Spiels bedient werden. Für reine Vielspieler gibt es sicher komplexere Alternativen, aber bei einer gemischten Runde aus Anfängern und Vielspielern erweist sich Belfort als kleiner Geheimtipp, vor allem bei fünf Mitspielern.
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