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Cuzco ist als sechster Teil der Stefan Feld City Collection eine überarbeitete Version von Bora Bora. Letzteres ist eines meiner Lieblinge vom Autor Stefan Feld und wurde gerade in diesem Jahr als Klassiker auf Brett & Pad gehuldigt. Die Südsee wird nun direkt von den Inkas herausgefordert! Muscheln und das strahlend blaue Meer gegen Federschmuck. Kann das gut gehen? Mein morgendliches Ehrlichkeitsbalsam aufgetragen, wie bei Best Ager die Anti-Falten Creme, verpflichtet mich zur Wahrheit. Ich war extrem skeptisch und fürchtete eine Verschlimmbesserung. Das gebärt natürlich aber auch spannungsangereicherte Neugierde. Was kann Cuzco? Was macht es besser? Oder steckt hinter den Federmasken nur fauler Zauber?

Kurzcheck: Darum geht es bei Cuczo

Ihr könnt direkt aufatmen! Fauler Zauber war maximal meine Einleitung. An dieser Stelle könnte der gleiche Kurzcheck wie bei der Rezension zu Bora Bora stehen. Heißt: Das famose Grundgerüst wurde absolut beibehalten! Noch immer hast du pro Runde nur drei Würfel, die du über sechs Runden auf sechs bis acht Aktionsfelder einsetzt (variiert je nach Personenanzahl). Und noch immer willst du eigentlich jede Aktion ausführen, zumindest wenn du die Siegpunkte für Belohnungen am Spielende abstauben möchtest. Willst du die maximale Ausbeute, musst du jede Runde einen Auftrag erfüllen, eine Ware kaufen, dabei gleichzeitig deine Läufer von Dorf zu Dorf für Siegpunkte, Bauplätze und Federn schicken, eine Maske basteln und unzählige Bauern und Studierende rekrutieren. Eigentlich willst du auch noch für Siegpunkte Priester ins Spiel bringen und musst dich um die Zugreihenfolge prügeln. Leute, ich wiederhole, das alles mit drei Aktionen pro Runde und herben Bestrafungen am Spielende, falls du etwas nicht schaffst. Dir fehlt ein Auftrag? Eine Feder? Stefan Feld ist ein Folterer und streicht dir direkt alle Punkte des Teilbereichs, wenn er nicht komplett erfüllt ist.

Dabei habe ich den spielerischen Kniff noch gar nicht erwähnt. Sagte ich Kniff? Eher knallt da eine Peitsche durchs Wohnzimmer! Mitspielende setzen ebenso Würfel ein und blockieren durch ihre eingesetzte Augenzahl spätere Würfel, die eine gleiche oder höhere Augenzahl besitzen. Ehrlich Leute, mir platzt da zum Spieleinstieg jedes Mal der Meeple-Schädel. Irre! Und in fast jeder Partie kippt einmal meine Stimmung und ich will entweder das Spiel oder meine Mitspielenden zersäbeln. Hört sich frustrierend an? Nein, ich liebe genau dafür dieses Spiel!

Cuzco
Absolut opulentes Brettspiel.

Immer noch die Kettensäge

Ich schrieb schon bei Bora Bora, dass der Slogan Spieler:innen haften für ihre Emotionen auf der Spielschachtel stehen sollte. Das stimmt für Cuzco mehr denn je. Ich berichte allerdings von einem neuen Albtraum. Wie immer würfle ich am Anfang eines Zugs. Diesmal erhalte ich eine 6, 3 und 2. Das ist ein guter Wurf! Mit der 6 kann ich eine Aktion auslösen und bekomme den stärksten Effekt. Mit den kleineren Zahlen kann ich mich bei schon besetzen Aktionen mit hohen Zahlen dazu schummeln. Mein Plan ist die Fokussierung auf die Bewegungsaktion, um damit sehr früh alle Plätze für Bauern und Studierende freizuschalten und diese endlich einmal bis zum Spielende auch vollständig zu besetzen. Ich habe so viele Partien Bora Bora und Cuzco gespielt, für mich immer noch die größte Herausforderung.

Meine Frau fängt an und platziert auf der Aktion für die Bewegung eine EINS. Eine E I N S ! Damit hat sich die Bewegung für mich und alle anderen am Tisch für die ganze Runde verabschiedet. Queen Games, wo bleibt mein Schmerzensgeld? Es kommt aber noch schlimmer. Durch eine fiese Machenschaft zwischen meiner Frau und Brettspiel-Babo-Björn rutsche ich für die zweite Runde ganz nach hinten in der Zugreihenfolge. Was passierte? Ich erhielt dadurch suboptimale Aufgabenplättchen und riss das Ziel, jede Runde einen Auftrag zu erfüllen in der zweiten Runde. Ich kotze und will dieses Spiel zersägen!

Cuzco
Du willst selten zuletzt Aufträge auswählen.

Immer noch grandios!

Meine Stimmung kippt einfach immer in diesem Spiel, aber umso mehr genieße ich den Turnaround. Cuzco ist interaktiv, anspruchsvoll und knapp in seiner Aktionsanzahl, ermöglicht aber durch unzählige Symbiosen Umwege zu Zielen, die oft unerreicht wirken. Das macht den unfassbar hohen Spielreiz aus. Ja, dir werden Aktionen blockiert oder Plättchen vor der Nase weggeschnappt, aber spielerische Umwege über erspielte Götter-Karten, die beispielsweise Regelrestriktionen wie das Einsetzen von Würfel aushebeln, bieten neue Lösungen. Auch die erspielten Bauern- und Studierendeplättchen bieten mächtige Aktionen, die Unmögliches doch wieder möglich machen. Plötzlich kann man sich nach der Aktionsphase gratis ausbreiten, Ressourcen erhalten oder weitere Plättchen erspielen. Die 60 Götter-Karten und 72 Bauern- und Studierendenplättchen wirbeln das Spiel immer wieder spannend durcheinander. Cuzco beherrscht es ungemein, aus einem kompakten Spielgerüst beeindruckende Spieltiefe mit vielen Entscheidungen und ebenso vielen Lösungen zu zaubern.

Cuzco
Das neue Tableau ist grandios.

Wo sind die Neuerungen?

Bisher war das ehrlicherweise auch alles Bora Bora. Was also ist Cuczo? Bora Bora ist hübsch, keine Frage und es ist kompakt. Das kann praktisch für unterwegs sein, aber Cuzco zaubert einfach wunderbar opulentes Material auf den Tisch. Und wie hier das Spielbrett mit tollen Details durch die verschiedenen Wertungsphasen führt, ist einfach stark. Für mich das bisher schönste und durchdachteste Brettspiel der Stefan Feld City Collection.

Cuzco
Die Karten wurden sinnvoll überarbeitet.

Spielerisch gibt es auch noch ein paar Anpassungen. Die größte Neuerung sind die überarbeiteten Götter-Karten. Diese waren vorher pro Farbe auf eine einzigartige Spezialaktion begrenzt und lagen zufällig aus. Nun liegt von jeder Farbe immer eine Karte offen aus und jede Farbe besitzt drei verschiedene Spezialaktion. Die neuen Karten wirken sich stärker auf das Spielgefühl aus als anfänglich gedacht. Die neuen Spezialaktionen decken nun wesentlich mehr Situationen ab und ermöglichen völlige andere Strategien. Für mich ein Pluspunkt! Verändert hat sich auch die Mechanik der Ressourcenplatzierung, die jetzt durch die Federn anspruchsvoller geworden ist, weil die stärkere Verschränkung aus Würfelaugen für das Bauen und die feste Platzierung der Federn für mehr Restriktion sorgt. Ebenso gefällt mir das nun modulare Spielbrett, welches die Wege und ihre Bedingungen für die Bewegung immer neu zusammenstellt.

Das Vervollständigen der Maske ist verzahnter als das Bauen aus Bora Bora.

Fazit

Cuzco ist damit neben Marrakesh der zweite Pflichttitel aus der Stefan Feld City Collection für alle Fans von Eurogames. Das liegt nicht nur am beeindruckend schlanken Grundgerüst aus nur drei Würfel, sechs Runden, wenigen Aktionsfeldern und der innewohnenden spielerischen Dramatik, sondern durchaus auch an der Überarbeitung des Originals. Das Material lässt einen opulent eintauchen, führt Spielende gekonnt durch die verschiedenen Phasen und besitzt spielerischen Mehrwert wie das modulare Spielbrett. Die Überarbeitung der Götter-Karten und die verzahntere Mechanik zwischen den Federn (ehemals Ressourcen) und der Bau-Aktion überzeugen voll. So ist auch Cuzco ein genial verzwirbeltes, auf den Punkt komprimiertes und interaktives Symbiose-Gewitter, welches seinen Vorgänger durch sinnvolle Verbesserung allerdings übertrumpft. Für mich ist Cuzco damit ganz sicher eines der Highlights aus dem Jahre 2023!

Information: Das Spielmaterial aus Acryl kommt aus der Deluxe-Ausgabe, der Rest findet sich so auch in der Standardedition.

Cuzco
Spielinformationen
Genre: Würfeleinsetzspiel | Personen: 2 - 4 | Alter: ab 14 Jahren | Dauer: 60 - 120 Minuten | Autor/in: Stefan Feld | Rezensionsexemplar erhalten
SPIELSPASS
9
MATERIAL
8.5
SPIELIDEE
9.5
Positive Aspekte
Tolles Material
Großartige Verzahnung
Interaktion vorhanden
Einfaches Grundgerüst ...
... das trotzdem Hirnschmalz erfordert
Negative Aspekte
Platzbedarf sehr gestiegen
9
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4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • T. Wombacher
    26. Oktober 2023 11:21

    Hallo Christian und danke für die gelungene Rezension! Eine kurze Nachfrage: würdest du sagen, dass sich die Deluxe-Version lohnt? In Marrakesch empfand ich das so, wegen der Holztokens und des Sortiereinsatzes. Sind die Acryl-Teile auch eine derartige Aufwertung oder kann man sich die Euros dafür sparen? VG, Tobias

    Antworten
  • Hallo Tobias,

    Marrakesh ist die Dekuxe-Ausgabe definitiv empfehlenswerter. Ja, die Acryltokens machen was her, aber Double-Layer, die üppigen Spielbretter & Co hast du alles auch in der normalen Ausgabe. Wenn dich also Papp-Token nicht stören, ist die normale Version absolut zu empfehlen. Ich halte den Unterschied zwischen Feder-Token aus Pappe oder Acryl für wesentlich geringer als z.B. die Tore in Marrakesh (3D-Holz vs. Pappplättchen).

    Herzliche Grüße

    Christian

    Antworten
  • T. Wombacher
    26. Oktober 2023 13:06

    Danke dir für die ausführliche Antwort! Dann werde ich eher die Augen nach der Standard-Version offenhalten, wenn sie dann mal regulär verfügbar ist. vG

    Antworten
  • schon wieder ein Rezension bei der ich sofort Lust bekommen habe eine runde zu spielen. Allerdings was ist denn bei Queen Games los, die Preise für Marrakesh hatten mich ja schon aus den Socken gehauen und Cuzco reiht sich da ja direkt ein mit 100 Eur für sie Classic Version… 😮

    Antworten

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