Kurzcheck: Darum geht es in In Too Deep
In Too Deep hat zwei Ebenen. Die Erste ist genau das Gerüst, welches ich in der Einleitung beschrieben habe. Das Spielmaterial atmet Cyberpunk! Die Bezirke sehen genauso fancy wie die Verbrecher aus. Die ganze Gestaltung ist einfach cool, vor allem in der Deluxe-Ausgabe. Dazu gesellen sich dann kleine zusammenhängende Geschichten auf den Crime-Karten, die du mit deinen übernommenen Verbrechern ausführst. Da werden Konvois überfallen oder krumme Geschäfte im Schatten abgewickelt. Bevor ihr nun aber denkt, In Too Deep wäre ein narratives Spiel, dem muss ich die Enttäuschung um die Kauleiste schmieren.
Charme? Check! Aber ganz ehrlich, die kleinen Storys auf den Crime-Karten interessiert schnell niemanden mehr. Das Spiel glänzt über seinen eher einzigartigen mechanischen Charakter. Jede Runde hast du Crime-Karten auf der Hand, die eine Konstellation des Spielmaterials auf dem Spielbrett vorgeben. Das Motto: Habe Gegenstand X mit einem eigenen Verbrecher in Bezirk Y, dabei muss Gegenstand W gegenüberliegen und der Wachroboter drei Felder von der Barriere entfernt sein. Die Vorgaben skalieren über drei Stufen, wie auch die Belohnung. Deine Aufgabe ist es mit meist wenigen Aktionen die Vorgabe zu erfüllen. Dafür übernimmst du jede Runde Verbrecher, führst mit ihnen normale Aktionen, freigeschaltete Spezialaktionen und Aktionen der Bezirke aus. So erhältst du Beweise, die du in drei Kapiteln in Siegpunkte umwandelst. In Too Deep ist also ein kompetitives, mit Bluffelementen gespicktes Puzzle-Spiel, bei dem man sich immer wieder fies in die Parade fährt.
Eigentlich einfach!
Eine Aktionsrunde ist simpel gestrickt. Zuerst verbindest du dich mit Verbrechern. Dein Chip plus ihr Hirn und fertig ist die Verhaltenssteuerung. Ganz ähnlich wie Brettspielangebote das Kaufverhalten zu eigenen komischen Taten drängen. Bei der Wahl der Verbrecher wird es das erste Mal knifflig. Welche Verbrecher stehen am günstigsten für deine Mission? Hat eine andere Person am Tisch die Verbrecher schon gelinkt, musst du diese mit Siegpunkten auszahlen. Unangenehm!
Verlinkst du mehr als zwei Verbrecher, wird das ungesund für deinen Geist. So viel Bosheit vernebelt deine Seele und zack musst du eine Korruptionskarte ziehen. Die bringen Vorteile, aber Vorsicht, falls am Spielende das Syndikat nicht zu Fall gebracht wird, was eine kooperative Angelegenheit ist, wird der Spieler mit der höchsten Korruption hart bestraft. Cooler Kniff! Ebenfalls wichtig: Mit jedem gelinkten Verbrecher wirst du über die Zeit vertrauter. Sein Hirn, dein Zuhause! Da winken Spezialmanöver und extra Aktionen. Also immer die gleichen Verbrecher nehmen? Da die schlechteste Vertrautheit eines Verbrechers zusätzliche Siegpunkte am Ende definiert, eher nicht. Ihr merkt, der Auswahlprozess ist mehr als billiges Soyfood.
Oder auch nicht…
Danach startet die Aktionsphase mit nur zwei Standard-Aktionen. Das ist so verdammt wenig! Wirklich. Du kannst und musst einfach mit allen Spielelementen jonglieren. Verbrecher bewegen, Gegenstände tragen, aufnehmen oder Barrieren, die Bewegungen verhindern, verschieben. Kurzum, viele Möglichkeiten, aber nur wenig Zugriff. Dabei musst du beachten, dass ihr alle völlig unterschiedliche Ziele habt. Du musst Gegenstände und Verbrecher ganz woanders positionieren als deine GegenspielerInnen. So über Runden hinweg etwas planen? Vergiss es! Das Ziel ist es immer innerhalb einer Runde die Vorgabe zu erfüllen, sei die Konstellation noch so ungünstig.
Das kann krass frustrieren! Vor allem, wenn die hässliche Nase direkt vor dir alles so durcheinanderbringt, dass plötzlich die Erfüllung deiner Zielvorgaben so richtig für den Cyber-Popo ist. Auch sind je nach Spielsituation manch Vorgaben einfacher als andere. Unfair? Ja, manchmal willst du mit deinen Alpha-Pranken am Tisch Godzilla spielen. Der Clou ist aber, dass du mit zunehmender Spieldauer durch verbesserte Verbrecher und gesammelte Aktionsplättchen echte Power-Züge abfackelst. Das erinnert an The Loop. Plötzlich hast du das Verbrechen doch geschafft und sammelst deine Beweise und Siegpunkte ein. Klar, die Downtime kann in manchen Zügen explodieren, positiv endende Winkelzüge fühlen sich dafür aber auch wahnsinnig befriedigend an. Ein Haken gibt es allerdings! Die Crime-Karten höherer Stufen skalieren aus meiner Sicht etwas zu hart. Gerade Stufe drei ist, wenn man nicht zu zweit spielt, sehr schwer zu erfüllen. Daher rusht man eher die kleineren Fälle. Schade.
Der Kniff mit den Siegpunkten
Der Hauptteil des Spiels ist trotz des Ärgerfaktors durchaus Multiplayer-Solitär. Interaktion entsteht trotzdem. Und da sind wir nun beim zweiten Element, das wir noch gar nicht besucht haben. Tretet ein in die Zentrale des Bluffs und des Taktierens. Hier herrscht zu meinem Leidwesen meine Frau und mein Bluthochdruck Hand in Hand.
Die Möglichkeiten
Im Spiel gibt es sechs verschiedene Arten von Beweistoken. In jedem der drei Kapitel gibt es einen zufälligen Pool an verdeckten Beweistoken, von dem alle am Tisch bei einer erfüllten Crime-Karte diese ziehen. Was du mit den Beweistokens machen kannst, ist der Kniff des Spiels! Du kannst diese Marker offen gegen Akten tauschen. Nach Ende eines Kapitels bekommst du dann pro Akte Siegpunkte. Allerdings nur, wenn ihr zusammen genügend Beweise offen ausgelegt habt. Ansonsten wird der- oder diejenige mit den wenigsten Akten mit Vertrauensverlust bei den Verbrechern bestraft. Man ärgert damit aber in doppelter Hinsicht, denn auch die Person mit den meisten Akten muss auf seine vielen Siegpunkte verzichten. Man will manchmal also gar nicht genügend Beweise sammeln.
Zweite Möglichkeit, du tauschst die Beweismarker offen gegen Einmalboni aus und verzichtest auf Akten. Die Marker kommen dann auf ein Beweis-Tableau für das Spielende. Du kannst die Marker allerdings auch auf das Tableau verdeckt spielen, musst dann aber auf den Bonus verzichten. Dritte Möglichkeit, du behältst sie ebenfalls verdeckt auf deinem Spielertableau. Warum sollte man die letzten zwei Optionen wählen? Damit wären wir beim Spielende.
Das Ergebnis
Am Spielende entscheiden die Beweistoken, die nicht für die Akten benutzt wurden, ob das Syndikat zur Strecke gebracht wurde und welche Wertigkeit die einzelnen Arten von Beweisen erhalten. Die platzierten Tokens auf dem Beweis-Tableau werden nun offen sortiert. Je nach Spieleranzahl braucht die Gruppe eine bestimmte Menge an verschiedenen Arten von Beweisen. Ist dies nicht erfüllt, bleibt das Syndikat bestehen und es entfällt die Korruptionsstrafe. Fällt das Syndikat, muss die Person mit der meisten Korruption den Wert von den Siegpunkten subtrahieren. Ein Sieg kann man damit größtenteils vergessen!
Wirkt vielleicht wenig spektakulär, aber meine Frau hatte z.B. einen Batzen an Korruptionskarten. Ich war mir sehr sicher, dass sie korrupter ist. Durch eine letzte Aktion platzierte ich Token, durch das das Syndikat vernichtet wurde. Leider hatte meine Frau aber geblufft und nur schwache Korruptionskarten gesammelt. Plötzlich war ich der korrupte Ermittler und verlor. Abartig! Zweiter Effekt, die unterschiedlichen Token auf dem Beweis-Tableau definieren über ihre Menge die Siegpunkteausschüttung der Tokens auf deinem persönlichen Tableau und (!) den Symbolen auf den Korruptionskarten. Du musst also die Waage halten, zwischen Token für die Erhöhung der Wertigkeit spenden und behalten für das Erzielen von Siegpunkten.
Fazit
In Too Deep ist speziell. Der Charme ist definitiv gelungenen und das Thema kommt trotz des sehr mechanischen Charakters gut rüber. Trotzdem erwartet man bei dem Material und der Hintergrundstory nicht so einen nervenaufreibenden, zwischen Frust und euphorisierenden Jubelarien schwankenden Puzzler. Der Mangel an Aktionen und die knifflige Grundplanung bei der Frage, welcher Verbrecher übernommen werden muss, verursacht angenehme Entscheidungsspiele. Das ist manchmal mit hoher Downtime verknüpft. Das ist der Preis für die möglichen Super-Cyber-Electric-Power-Züge! Dazu gesellt sich dann ein kniffliges und interaktives Schachern um die Siegpunkte. Wer am Ende wirklich gewinnt, ist oft nicht gänzlich einzuschätzen. Das macht In Too Depp zu einem wirklich spannenden und frischen Spielvergnügen, auch wenn die dritte Stufe der Crime-Karten etwas aus dem Ruder laufen. Meinen Geschmack als Cyber-Samurai mit Hang zum Bluffen trifft es trotzdem und damit reiht sich In Too Deep direkt neben In the Hall of the Mountain King ein.
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