Lesezeit: 7 Minuten
Die Crownfunding Kampagne zu Dark Ages löste bei mir echtes Fomo aus. Da dachte ich mir, trotz des Preises, nimm doch zwei! Denn Dark Ages besteht nämlich aus zwei Spielen: Das Heilige Römische Reich und Das Erbe Karls des Großen. Nur zusammen kann man komplett Europa bespielen, hat die epische Möglichkeit, sich mit 8 SpielerInnen zu balgen und besitzt zudem alle Module. Dafür hat man dann um die 500 Miniaturen und noch mehr Karten. Hört sich das nicht geil an? Wenn man ein Faible für Zivilisationsspiele und 4X hat, dann ist das der Himbeerbonbon der Brettspiele. Dachte ich zumindest. Das Drama fing dann aber beim Auspacken an.

Kurzcheck: Darum geht es in Dark Ages

Beide Versionen von Dark Ages sind bis auf wenige Module, Vasallen statt Reliquien, Einheitenkarten und eben der unterschiedlichen Landstriche in seinen Mechaniken gleich. Dark Ages ist ein waschechtes 4X-Spiel, welches im Mittelalter angesiedelt ist und durchaus den historisch korrekten Bezug durch Persönlichkeiten, Technologien und Bauwerke sucht. Du fängst mit einem kleinen Gebiet an und versucht dich über eine kompakte Aktionsmechanik auszubreiten. Dabei entwickelst du Technologien, förderst die Kultur, hebst Armeen aus, kämpft gegen Barbaren und SpielerInnen, aber musst vor allem mit den Ressourcen haushalten. Dark Ages ist kein reines Kampfspiel, es ist in erster Linie ein Entwicklungsspiel.

Dabei spielt es sich durch nur fünf Aktionsmöglichkeiten äußerst charmant und nach einer gewissen Eingewöhnung überraschend zügig, wenn man die epischen Ausmaße des Spiels betrachtet. Als kleiner Kniff dienen Reaktion-Aktionen, die ausgelöst werden, wenn zwei weitere SpielerInnen die gleiche Aktion wählen. Dann rutscht der unterste Aktionsstein (Position 3.) von der Aktion und aktiviert eine von zwei möglichen Nebenaktionen. Das sorgt für mehr Interaktion und Einschätzungsspiele, denn wer ahnt, was andere machen, wird durch zusätzliche Aktionen belohnt.

Es ist eine imposante Geschichte!

Prolog: Das Drama

Ich packte Dark Ages: Das Heilige Römische Reich aus und Hypophyse und Hypothalamus tanzten Walzer. Endorphine ohne Ende! Die Qualität einfach super, der Epic-Faktor schlägt sofort aus. Der ganze Tisch war voll mit Material. Äh, der ganze Tisch? Wie soll ich denn jetzt bei 5 bis 8 SpielerInnen Das Erbe Karls des Großen noch dazu packen? Ich spielte Material-Tetris auf dem Tisch und aus dem Walzer wurde Karate. Die Spielertableaus und das Kulturtableau sind unverschämt groß. Wer das Spiel, wie auf den Promobilder präsentiert zu sechst spielen will, braucht einen Tisch mit 135 cm Breite und 250 Länge. Leider habe ich keine Tafel und sitze auch nicht in einem Schloss. Mit einem Aufbau-Krampf, zusätzlichen Beistelltisch für Material, den man eigentlich vermeiden will, funktioniert bei einer Tischgröße von 100 x 220 cm eine Partie grenzwertig zu sechst. Schön wird das nicht! Empfehlung bei der Tischgröße maximal 4 SpielerInnen. Da ist der Tisch schon recht voll! Mein Fazit: Ich werde wohl selten beide Versionen zusammen erleben. Ich fühlte mich durchaus verarscht.

Allein der Tanzbereich des eigenes Tableaus ist riesengroß.

Akt 1: Durchwachsen

Ich war natürlich auch heiß auf die Module, was weiterer Grund für beide Versionen war. Nur so hat man die komplette Auswahl. Die Module klingen alle wundervoll! Sie verkomplizieren das Spiel nicht, fügen geschichtlichen Kontext ein und steigern so die Atmosphäre. Man nimmt an Kreuzzügen teil, fördert den Aufstieg Polens, kann Papst werden, baut einmalige Prachtbauten oder stellt die Eroberung Englands in den Fokus. Jede Version besitzt 13 dieser Module abseits der Solo- und 6 – 8 SpielerInnen-Modi, wobei nur 4 Module für die jeweilige Version einzigartig sind. Klingt cool!

Dabei sind die Module in der Praxis qualitativ durchwachsen. Das Modul Papst z. B. macht den Bau von Kirchen am Anfang lukrativer und sie verkommen nicht nur zu reinen Siegpunkten. Das Amt des Papstes kann man sich nämlich beim Bau einer Kirche kaufen und erhält so einen Titel. Titelkarten können im Spiel getappt werden, um Aktionen zweimal auszuführen. Sehr mächtig! Der Kreuzzug hingegen bindet Truppen für einen optionalen Kampf abseits des Spielbrettes. Da man aber nicht in Truppen schwimmt, die Ausbeute an Siegpunkten durch den Kreuzzug niedrig ist und alles einem gewissen Risiko unterworfen ist, floppte das Modul komplett. Wer um seine Ländereien fürchtet und sich mit seinen eigenen Stöckchen zwischen den Beinen und seinen Nachbarn abkämpft, kümmert sich weniger um einen Kreuzzug. Das Modul des Alchimisten lässt dich leichter Gold erhalten, kann aber durchaus die Balance des Ressourcenmangements kippen. Andere Module wie die Reisen des Benjamins ist einfache Set-Collection, Fbonacci erleichtert das Bauen und die Nordmänner fügen einen Twist beim Kämpfen ein. Schwierig zu beurteilen! Grundsätzlich tut kein Modul weh und es bringt definitiv Abwechslung und Atmosphäre ins Spiel. Ich spiele nie ohne Module, aber man braucht aus meiner Sicht auch keine Angst zu haben, welche zu verpassen, wenn man nur eine Version von Dark Ages besitzt.

Die Aktionsmechanik ist übersichtlich, aber mit einem Kniff versehen.

Akt 2: Fantastisches Spielgefühl

Jetzt treten wir aus dem wolkenverhangenen Text und genießen den Sonnenschein. Dark Ages ist abseits der beschriebenen Problematiken nämlich eine spielerische Wucht! Es spielt sich einfach wunderbar fluffig und selbst EinsteigerInnen erleben zu viert in munteren 4 Stunden ein wirklich episches Spiel. Das Spiel ist einfach sehr klar strukturiert und zu keiner Zeit kompliziert. Allerdings ist es gleichzeitig anspruchsvoll und das liegt am Aktions- und Ressourcenmangement und der allgemeinen Langsamkeit des Spiels.

Kennt man: Je weiter man die Kultur fördert, umso größer der Pool an Karten.

Akt 3: Die Schnecke

Wo du woanders Technologien aus dem Boden stampfst und bei entsprechenden Ressourcen zig Einheiten produzierst, zeigt dir Dark Ages, dass eine Schnecke und nicht der Gepard die spielerische Offenbarung ist. Du willst Truppen anwerben? Darfst du, aber eben nur eine einzige in deinem Zug. Du willst Gebäude bauen? Richtig, auch wenn du zig Ressourcen hast, du darfst nur eins bauen. Eine Technologiekarte aktiv ins Spiel bringen kostet sogar zwei Aktionen. Erst einmal die Aktion Kultur entwickeln, um eine Karte zu nehmen, danach mit einer Aktion Forschen diese ins Spiel bringen. Mit vier Personen am Tisch hast du vier Aktionssteine, dann musst du passen. Hatte ich erwähnt, dass du im ganzen Spiel nur vier Technologien erlernen kannst, es aber zig richtig geile Möglichkeiten gibt? So ist jede Aktion und damit jede Entscheidung schwergewichtig und ein verlustreicher Kampf langwierig zu kompensieren. Du machst in Dark Ages nichts leichtfertig! Hey Nachbar, ich grille nicht, mein Kopf raucht nur.

Ausbau der Technologien.

Epilog: Die Pleite

All deine Aktionen kosten meist Ressourcen. Anfänglich ist die Kasse aber schnell leer und die Gebiete werfen auf einfachem Weg nur eine Art Ressourcen ab. Du brauchst aber eigentlich alle vier. Der Start des Spiels wird kein leichter sein. Du freust dich hier über jeden Krümel an Stein, Holz, Leder, Eisen oder Gold, das du nur dann erhältst, wenn du passt. Interessant: So passt du manchmal auch vor dem Ende deiner möglichen Aktionen. Erst im letzten Drittel einer Partie kommt ein Flow auf, der in anderen Spielen sehr viel früher erreicht wird. Du bist trotzdem selten Herrscher über zig Gebiete, sondern eher über ein intelligent ausgebautes, kompaktes Reich mit Städten und ihren Produktionsgebäuden, Kirchen, Prachtbauten und Festungstürmen.

Dark Ages
Das epische Ende einer Partie.

Alleine das Siedeln ist eine weitere Ode an die Langsamkeit und die erforderliche geschickte Planung. Wenn du Gebiet eroberst und es dir untertan machen möchtest, musst du siedeln. Entsprechend der Entfernung zum Heimatgebiet steigen die Kosten, die über Stufe von Kampfeinheiten bezahlt werden. Einfach gesagt, du verlierst deine teuren Truppen für ein neues Gebiet. Da du weißt, wie langsam du Truppen erhältst, keine schöne Sache! Dein Heer ist also in seiner Größe durchaus schwankend und nach dem Siedeln verwundbar. Gieriges Grinsen der MitspielerInnen am Tisch! Viele Eroberungen hintereinander sind so auch eher schwierig, vor allem weil du beim Bewegen deiner Truppen diese unterhalten musst. Wer wenig Gutshöfe hat, kann kein riesiges Heer verpflegen. Verzahnung hoch, Einnahmen niedrig. Willkommen im Mittelalter!

Dark Ages
Den Heiden (Barbaren) geht’s an den Kragen.

Vorhang zu

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Kampfsystem und dem Sieg an sich. Das Kampfsystem wird über drei Würfelphasen (Fernkampf, Reiterangriff, Nahkampf) abgewickelt und ist extrem simpel. Das hat den Vorteil, dass man sich nie lange damit aufhält. Entscheidend für den Sieg sind am Ende auch nicht die reine Anzahl der Einheiten oder das man seinen Feind komplett auslöscht. Man würfelt nur eine Runde und dann werden von den übrigen Einheiten die Technologiestufen mit etwaigen Boni aus Türmen und Technologien verrechnet. Wer mehr Punkte hat, gewinnt.

Dark Ages
Richard Löwenherz bläst zum Angriff!

Bei uns wurde außer gegen Barbaren auch eher am Ende gekämpft. Ein Angriff muss einfach perfekt passen. Wer sich ständig auf die Mütze geben will, spielt bitte Kemet, aber nicht Dark Ages. Vergleichbar ist Dark Ages hier vielleicht mit Eclipse. Siegpunkte erhält man durch den Krieg maximal indirekt, weil man vielleicht eine gut ausgebaute Stadt erobert, was ich begrüße. Was zählt ist Tableau- und Kulturentwicklung, sowie der Ausbau des Reiches mit Kirchen, Türmen, Städten und den dazu passenden Kulturkarten.

Dark Ages
Auch zu zweit gelungen.

Fazit

Zuerst mal Butter auf die Ritterhelme! Du solltest dir sehr gut überlegen, ob du wirklich beide Versionen brauchst. Ich rate davon ab und tendiere leicht zu Das Heilige Römische Reich, weil ich zwei Module (Papst, die Reisen des Benjamins) besser als das Äquivalent ansehe. Thematisch wird die Religion besser in den Fokus gerückt, auch durch die Reliquienkarten. Falls du einen Spieltisch der Größe hast, auf den auch Richard Löwenherz seine Schlachten planen könnte, dann vergiss diesen Einwand.

Abseits dessen ist Dark Ages ein episches Vergnügen, bei dem das Material und die imposante Tischpräsenz den Kern des Spiels verschleiert. Das opulente 4X-Spiel besticht durch seine Langsamkeit und weniger durch fortlaufende Eroberungskämpfe! Du kannst hier nichts schnell erreichen. Alles erfordert Planung und Weitsicht, was jede Aktion schwer wiegen lässt, aber eben auch zum Setting des düsteren Mittelalters passt. Es ist sicher das langsamste Zivilisationsspiel in Sachen Ausbreitung in meinem Schrank, bei dem der geschickte Ausbau weniger Gebiete, Technologien und Einheiten wichtiger ist, als eine Masse an Optionen zu kreieren. Dazu passt der charmante Aktionsmechanismus über nur fünf Aktionen, welches das Spiel nach kurzer Zeit regelrecht fluffig erscheinen lässt. Siegpunkte werden zudem über viele verschiedene Wege ermöglicht. Auch wenn nicht alle Module zünden, Dark Ages ist aus meiner Sicht ein ziemlich großer Wurf!

Dark Ages
Spielinformationen
Genre: 4X / Civ-Game | Personen: 1 - 4 (5 - 8) | Alter: ab 14 Jahren | Dauer: 120 - 180 Minuten | Autor/in: A. Kwapiński, A. Novac
SPIELSPASS
9.5
AUSSTATTUNG
9
SPIELIDEE
8
Positive Aspekte
Opulentes Material
Fluffiges Aktionssystem
Komplettes 4X-Feeling
Einfach epische Partien
Negative Aspekte
Unschöne Ressourcenmarker
Nicht alle Module überzeugen
Du brauchst einen riesigen Tisch
Für den Spieleinstieg braucht es Selbstorganisation
9.5
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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Hey, ich hab mir auch beide Versionen gegönnt – aus gleichem Grund. Ein Freund hat in seiner Firma ein Konferenztisch. Dort hatte ich immer vor, TI4 mit 8 Personen zu zocken. Das blieb aber bislang nur Illusion.
    Die „Kritik“ am langsamen Aufbau hatte ich schon beim der Dicetower Review vernommen. Aber auch gedacht: ich spuel Civ6 auch immer auf episch. Da muss man sich auch gedulden und schließe mich deiner Argumentation an, „überleg Dir gut, was Du machst; und feiere jeden Fortschritt

    Antworten
  • Hallo Christian,
    vielen Dank für Deine umfangreiche Review. Die hat letztlich dazu geführt, dass das heilige römische Reich nun auch bei uns eingezogen ist 🙂
    Nach dem Regelstudium hadere ich allerdings ein bisschen mit den Modulen, bzw. deren Verwendung. Schließlich will ich meine Mitspieler nicht direkt durch unbalancierte oder „unnütze“ Komplexitätsauswucherungen verschrecken. Hast Du evtl. einen Tipp welche Modulkombination für eine Erstpartie empfehlenswert wäre? Gibt es vielleicht generell einen Leitfaden welche Module sich gut ergänzen, bzw. welche Module man besser nicht miteinander kombinieren sollte? Vielen Dank schon mal und viele Grüße
    marco

    Antworten
    • Einen Leitfaden gibt es nicht. Für die erste Partie kannst du den Alchimisten wählen, weil er das Spiel mit dem Gold einfache gestaltet. Danach würd ich das Modul aber entfernen, weil es das Spiel für manche Strategien aus meiner Sicht zu stark dominiert. Gold sollte wertvoll sein! Nicht empfehlen würde ich für den Anfang den Kreuzzug und das Modul mit Polen. Die besonderen „Generäle“ wirken cool, können aber auch etwas überfordern. Die Gebäude würde ich auf jeden Fall mit reinnehmen und die „Reise“, weiß gerade nicht genau, wie das Modul heißt.

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      • Wow, das ging schnell. Ganz lieben Dank. Dann muss ich nur noch zeitnah einen Termin finden um das Spiel auf den Tisch zu bringen!

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  • Dark Ages ist bei und nach wie vor sehr beliebt und auf seine Art einzigartig. So fluffig spielen sich nur wenige games eines solchen Kalibers… da fällt mir nur Tapestry ein. Und ja, es reicht völlig eine der beiden Boxen. Die Anleitung ist schnell verstanden und liest sich meiner Meinung nach ziemlich gut.

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    • Hallo Mario,

      vielen Dank für deinen Kommentar und Einschätzung. Ich finde es auch einfach richtig cool. Ich wollte jetzt im Dezember mal eine epische Partie mit 8 Personen starten. Das ist wahrscheinlich nicht die beste Erfahrung am Ende, aber witzig wird es sicher, wenn sich alle darauf einstellen.

      Liebe Grüße

      Christian

      Antworten

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