
Kurzcheck: Darum geht es in Galileo Galilei
In Galileo Galilei übernimmst du die Rolle einer historischen Person der Astronomie und versuchst, Sternenbilder und Planeten zu sichten. Dazu entdeckst du Kometen am Himmel und veröffentlichst dein Wissen. Wer es übertreibt oder nicht aufpasst, was generell rasch geschieht, erweckt das Interesse der Inquisition. Selbst ohne historisch groß bewandert zu sein, klingt das nicht gerade sexy. Abgekürzt: Überzeugst du die Inquisition nicht während der Partie, winken abartig viele Minuspunkte. Entweder du vermeidest also die Inquisition konsequent oder du holst deine Silberzunge raus. Denn wenn du die Inquisition auf deine Seite ziehst, winken wiederum massig Extra-Punkte am Spielende. Thematisch erst einmal ein cooler und passender Kniff.

Mechanisch basiert Galileo Galilei auf zwei Hauptkomponenten. Pfiffig ist die Aktionsplanung, weil die ausgewählten Aktionen sich dynamisch und individuell entwickeln lassen und so etwas Hirnschmalz erfordern. Wer gerne seine Gedanken zwei Runden weiter flechtet, wird hier glücklich. Zweite Säule ist das Kaufen und Aufwerten von farbigen Würfeln, mit denen dann Planetenkarten oder Sternenbilder eingesackt werden können. Dazu gesellen sich erspielbare Endwertungsmultiplikatoren und Ziele innerhalb der Partie, bei denen Geschwindigkeit belohnt wird. Ein Mini-Wettrennen steckt also auch drin. Galileo Galilei reiht sich damit im Bereich Kennerspiel ein. Schnell verstanden und abseits der Aktionsplanung und Inquisition eher bekannt, aber trotzdem auffordernd im Charakter.

Aktionsplanung im Detail
Mechanisch möchte ich nicht so weit in den Sternenhimmel schauen, trotzdem ein paar Sätze zur Aktionsplanung verlieren. Hier liegen Aktionsplättchen in einer persönlichen, individuellen kreisförmigen Reihe vor einem bewegbaren Teleskop aus. Das Teleskop fungiert als eine Art Zeiger, mit dem du ein Aktionsplättchen auswählst, welches ein bis drei Felder von der Ausgangsposition des Zeigers entfernt liegt. Clou: Jedes Plättchen bildet eine Symbiose mit einem weiteren festen Aktionsfeld, welche als „Rand“ für die Plättchen fungieren. Jetzt werden beide Aktionen ausgeführt und danach wird das Aktionsplättchen an den Anfang der Reihe platziert und alle anderen Plättchen wandern weiter, um die Lücke zu schließen. Effekt: Die beweglichen Aktionen über die Plättchen bilden immer andere Symbiosen durch ihre Position mit den festen Aktionen. Ergebnis: Eine Kombination, die diese Runde noch ausliegt, ist nächste Runde schon verschwunden. Dass die Plättchen verbessert werden können, erhöht den spielerischen Reiz weiter. Fies, die ersten zwei Plättchen sind immer gesperrt. Heißt, das Plättchen, welches du auswählst, ist frühestens erst in drei weiteren Runden erreichbar. Das ist schon mehr als eine solide Aktionsplanung. Es weht an dieser Stelle ein frischer Wind zwischen den Sternen.

Alarm am Tisch
Richtig überrascht wurde ich dann von der Inquisition. Leute. ALTER FALTER. Da will ich mir selbst auf die Schulter klopfen, rasiere in der ersten Partie meine ganze Familie, liege extrem weit vorn und bin der Superheld der Sternenentdeckung. Die Kinder kreischen hysterisch, dass der Papa schon wieder gewinnt. Problem und hier wird das Spiel sehr thematisch, mein Keller war voller Inquisitoren, weil die natürlich aufgrund meiner Entdeckung an die Tür klopften, als würde ich kostenlos das neue iPhone herausgeben. Ich nenne es den Inquisitoren-Hype! Das Spiel war nun leider viel schneller vorbei als ich es mir erhoffte, und ich schaffte es nicht im Ansatz, die Inquisition in den Buddy-Status zu streicheln. Konsequenz, der spielerische Scheiterhaufen. Ich erntete massig Minuspunkte, fiel auf den dritten Platz zurück und verlor haushoch. Merke: Wer nicht darauf achtet, wie viele Inquisitoren er beim Erwerb von Planetenkarten oder Schritten durch Veröffentlichungen von Wissen in der Universität erlangt und falsch einkalkuliert, wie viele Schritte es noch braucht, um diese ganzen Figuren in den positiven Bereich zu wuchten, darf sich ein L für Loser auf die Stirn tätowieren. Mein reichte von der Stirn bis zur Gürtellinie.

Ketten-Sterne
Was mir auch immer wieder gefällt, sind die kleinen Eskalationen in den eigenen Aktionen. Da warten einige die Möglichkeiten! Mit entdeckten Kometen die Würfelwerte zu verändern und so verbrauchte Kometen für Boni einzutauschen. Mit erspielten Winkelmarkern, ebenso diverse kleine Veränderungen von Bedingungen zulassen und der zusätzlichen Option, auf seiner eigenen geschaffenen Buch-Leite durch entdeckte Planeten weitere Boni zu erhalten, sind Symbiosen-Kombo-Sternengewitter-Züge möglich. Keine Sorge, diese sorgen nicht für minutenlanges Abfriemeln in Unübersichtlichkeit, während andere in Downtime baden. Sie motivieren einfach nur, weil gut geplante Kettenzüge manchmal Dinge ermöglichen, die unerreicht wirkten.

Klingt doch mega, oder?
Klingt super, oder? Gut, dann gehen wir jetzt zu Arnak rüber. Zumindest metaphorisch. In Galileo Galilei gibt es am Spielende nicht zu knapp noch Siegpunkte am Spielende. Dafür laufe ich innerhalb der Partie auf Leisten nach oben. Vier davon gibt es, die jeweils eine belohnende Spielmechanik abbilden. Die Mechanik, die Siegpunkte ausschüttet, wird zufällig ausgewählt. Verspricht Abwechslung. Leider ist es so, dass die nicht ausgewählten Mechaniken automatisch die Extra-Punkte für das Wettrennen innerhalb einer Partie darstellen. Alle Mechaniken im Spiel sind also immer auf irgendeiner Art in der Wertung. Das ist nicht nach meinem Geschmack. Es schmälert für mich den Spielreiz, weil in jeder Partie im Prinzip immer alles relevant ist.
Schwerer wiegt für mich aber die Inquisition. Das ist absolut subjektiv und ich schätze die passende Thematik dahinter, ja, es ist sogar spielerisch reizvoll, sich um diese Gefahr zu kümmern. Mein Problem ist das „Müssen“. Auch hier ist die Mechanik kaum optional. Ähnlich wie in Arnak, wo im Prinzip alle die Leisten hochlaufen, ist mir auch hier die spielerische Breite zu eingeschränkt. Da Arnak sehr beliebt ist, wird meine Kritik für dich vielleicht zu Sternenstaub, ich hatte nur ähnliche Arnak-Vibes. Galileo Galilei bleibt so zu jeder Zeit ein schönes Spiel, aber der Spielreiz ließ für mich nach einigen Partien ungewohnt schnell nach.

Fazit
Galileo Galilei sieht erst einmal verdammt schick aus. Die anscheinend fest gesetzte beige-braune Farbpalette für historisch angehauchte Brettspiele wird hier mit fetzigen Farbspielen super aufgebrochen. Die grundsätzliche Mechanik, sich über die Sammlung und Manipulation von farbigen Würfeln, Sternenbilder und Planeten aus einer Auslage durchaus in einer Art Wettrennen zu erspielen, macht Laune. Dafür sorgt vorwiegend die angenehm knifflige Aktionauswahlmechanik mit dem Teleskop. Die thematisch passend wie extrem präsente Inquisition bringt dann Würze und eine erhöhte Spannung in die Planung der eigenen Aktionen, weil am Ende ansonsten massiv viele Minuspunkte winken. Geschickt gespielt wird der offenkundige Nachteil zum Gamechanger, weil plötzlich fette Siegpunkte am Spielende warten. Galileo Galilei macht verdammt viel richtig für ein Kennerspiel. Es schleicht sich allerdings mit der Zeit ein Manko ein, auf das ich empfindlicher reagiere. Die verschiedenen Mechaniken sind am Ende immer mit Bonus-Punkten belegt und die Inquisition zu ignorieren, scheint meist auch keine Option zu sein. Entsprechend schleicht sich eine gewisse Gleichförmigkeit ein, bei dem der Aspekt des Wettrennens mehr im Vordergrund steht als diverse zu begehende Pfade. Wem das schon bei Arnak nicht störte, wird es allerdings wohl auch hier nicht stören. Ein Blick ist Galileo Galilei so oder so wert, etwas mehr spielerische Breite wäre allerdings schön gewesen.

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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Interessante Rezension, vor allem weil man fast das gleiche Phänomen bei Holeks anderem Design „Tea Garden“ hat. Auch ein schönes Spiel, solides Design, aber irgendwie macht man immer alles. Dadurch erschöpft sich es sich recht schnell.
Hallo Tobias,
vielen Dank für deinen Kommentar. Also bei Seti hat Holek das wohl anders gemacht 😉 Wie gesagtm Galileo Galilei ist auch absolut kein schlechtes Spiel und man verliert sich durchaus gern in den Sternen. Es darf auch nicht vergessen werden, dass das hier „nur“ ein Kennerspiel ist, was eine riesige Breite aus meiner Sicht auch ausschließt. Trotzdem bin ich ein Freund von „verschiedenen Wegen“, die vielleicht parallel von verschiedenen Personen begangen werden und kleinen Kniffs, wie durch variable Ziele fürs Spielende, spielerische Strukturen immer wieder aufgebrochen werden. Das erlebt man in Galileo Galilei halt weniger.
Viele Grüße
Christian
Hallo,
ja, SETI ist variabler. Aber irgendwie konnte mich das auch nicht so recht mitreißen, da bin ich gespannt auf eure Rezension. Das ist schon ein guter Mix aus bekannten Elementen, aber irgendwie nichts, was sich für mich frisch anfühlt. Irgendwie ein „Best of Euros“ der letzten Jahre, ein großer Kartenstapel, aber auch nicht mehr.
Zu Tea Garden und Galileo: ich finde bei beiden die Themen großartig, wollte Ersteres auch mögen, aber, wie du sagst – mehrere Wege sind das, was die Spannung für mich ausmacht. Marrakesh holt mich bei den klassischeren Euros hier zB. voll ab; hier kann und muss man immer wieder Neues ausprobieren, auch bedingt durch das Fallen der Keshis und die Forschungsplättchen.
Andererseits ist es beeindruckend, dass Holek als Neuling gleich mal drei grundsolide Designs raushat und es freut mich immer für HeidelBär, wenn sie erfolgreiche Titel haben 🙂
Viele Grüße
Volle Zustimmung! Mal eben drei solche Brettspiele veröffentlichen ist sicher nicht schlecht und wenn man ein Thema spürt, ist ja gerade auch bei ’nem Euro schon einiges richtig gelaufen. Ich finde Galileo Galilei auch ziemlich schick.
Und witzig mit Marrakesh, denn das vergöttere ich ja auch. Morgen spiele ich dann SETI. Bin gespannt. Markus hat es ja schon zweimal gespielt.
Und, was sagst du zu SETI? 🙂
Wir werden das hier sicher noch rezensieren und ich habe es erst einmal gespielt. Grundsätzlich ist Markus mehr begeistert als ich, ich bin aber so angetan, dass ich es definitiv öfter spielen möchte. Das ist schon ein cooles Brettspiel.
ABER es wird der allgemeinen Begeisterung, um nicht das Wort Hype zu nutzen, mir zumindest nicht ganz gerecht. Ich empfinde ein Underwater Cities, ich hatte da irgendwie so Vergleichsvibes, für wesentlich besser. Der Zufall über die Karten, der extrem hohe taktische und sehr situative Charakter, der Planungen immer wieder zerstört, gepaart mit einer höheren, immer wieder durchbrechenden Downtime und einigen Kleinigkeiten (Rundenkarten, Passen, Scannen …), sorgten für einige negative Schwingungen. Wie stark diese schwingen, wird die Zeit zeigen.